Püree

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"Kilian, du musst schnell aufstehen, los!", Seine Großmutter Klara stand an Kilians Tür und klopfte. Kilian murrte. Klara öffnete und trat ein. Sie rang ihre Hände und Kilian war sofort hellwach.

"Wir haben keine Zeit. Edna hat die Imbolc-Feier kurzerhand verlegt. Sie findet nicht wie gewohnt bei ihr zu Hause statt, sondern in ihrem Ferienhaus."

Kilian setzte sich auf und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es 14 Uhr war. Die Festlichkeiten sollten ab 19 Uhr beginnen.

"Ferienhaus?", fragte er und blinzelte verständnislos.

"Sie hat ein Ferienhaus in Irland. Bei Dublin. Angeblich wegen der stärkeren Energien vor Ort hat sie kurzfristig entschieden, Imbolc in diesem herausfordernden Jahr dort zu feiern."

Kilian stand auf und zog sich Kleidung an, bevor er das Schwert aus seinem Bett holte und es kurzerhand in einen Rucksack steckte, aus dem das Heft oben herausragte. "Komm, wir gehen runter", sagte er knapp und schwang sich den Rucksack über die Schulter.

In der Küche saßen Lu, Faina, Sally und seine Mutter um den gedeckten Spät-Frühstückstisch, während die Jungen mit Tellern bewaffnet im Wohnzimmer verteilt saßen und sich unterhielten oder kleine Tricks mit ihren neuentdeckten Kräften ausprobierten.

"Wie kommt Edna auf die Idee so kurzfristig die Feier zu verlegen? Wer soll denn so schnell Flugtickets nach Irland bekommen?", fragte Lu und blickte in die Runde. Sally sah die anderen Frauen an und sagte schließlich: "Normalerweise wäre das kein großes Problem. Wir könnten gemeinsam ein Portal zur Reise öffnen, um dorthin zu gelangen. Das kostet zwar viel Energie, ist aber für drei Hexen machbar."

"Aber eure Kräfte sind gebannt", sagte Lu mit großen Augen, als sie die ganze Gemeinheit des Plans durchblickte.

"Edna will mich davon abhalten ihr rechtzeitig das Schwert zu liefern", stellte Kilian düster fest.

"Aber das ist nicht fair!", rief Lu empört.

"Nichts an dieser ganzen Initiationsaufgabe ist fair", grollte nun seine Großmutter und Kilian blickte sie erstaunt an. So missmutig und wütend hatte er sie selten erlebt.

"Wie kommst du hin?", fragte Kilians Mutter Faina. Sie zuckte mit den Achseln.

"Ich werde mit meiner Mutter und meiner Cousine reisen, denke ich", antwortete sie und lächelte entschuldigend. "Ich kann euch per Videocall dazuschalten". Sie hob die Augenbrauen. Sara stöhnte gereizt, aber nickte.

"Ich denke, wir sollten uns alle etwas beruhigen", gab Sally schließlich von sich und erhob sich entspannt von ihrem Stuhl. Genüsslich streckte sie sich und nahm einen unförmig vollgestopften Jutebeutel vom Boden hoch . Kilian starrte sie fassungslos an und auch die anderen hatten ihre Blicke auf sie gerichtet.

"Kommt mit nach draußen." Niemand regte sich. Sally rollte mit den Augen und wiederholte ihre Aufforderung. "Vertraut mir!"

"Als ich dir das letzte Mal vertraut hab, hast du mir Drogen verabreicht!", rief er ihr entsetzt zu.

"Und hattest du danach dein Schwert oder nicht?" Herausfordernd zog sie die Augenbrauen hoch. Er hasste es, wenn sie recht hatte. Geschlagen seufzte er, schnappte sich seinen Parka, da seine Daunenjacke noch auf der Heizung trocknete, schlüpfte in seine Winterstiefel und trottete ihr hinterher in den Garten. Das Planschbecken war schon wieder abgebaut. Faina, Lu und Klara und Sara kamen ebenfalls raus auf die Terrasse. Silas, Leon und Felix hatten sich an der Scheibe versammelt und schauten hinaus in den Garten.

"Ich werde es niemals rechtzeitig dorthin schaffen! Dafür müsste ich- ", setzte Kilian verzweifelt an und brach ab, als er das Grinsen seiner Schwester sah.

"Fliegen?", fragte sie ihn. Kilian schwante etwas.

"Sally, bitte sag nicht-", begann er erneut, doch Sally unterbrach ihn:

"Sprich mir nach, Brüderchen. Ene Mene-"

"Du bist so peinlich", stöhnte er.

"Eins, zwei, drei-", fuhr sie mit einem hämischen Grinsen fort und zog etwas aus der Baumwolltasche. Deshalb war sie so unförmig.

"Der Staubsaugerroboter? Ernsthaft?"

"Setz dich drauf. Na los", forderte sie ihn auf. Kilian betrachtete das runde Elektrogerät, das sie zwischen ihnen auf den Boden gelegt hatte. Er hasste seine Schwester ein wenig. Aber ihm blieb auch nichts anderes übrig, weshalb er sich der bodenlosen Peinlichkeit ergab und sich niederließ.

"Ene Meine, eins zwei drei -", wiederholte Kilian lahm und schloss die Augen.

"Flieg los, Püree!", sagte sie und er echote es mechanisch.

"Das hat sich nicht gereimt!", rief Kilian seiner lachenden Schwester noch hinterher, als er auf dem Staubsaugerroboter davonsauste.

Es war nicht so unbequem, wie er befürchtet hatte. Das verzauberte Gerät stabilisierte ihn und seine Sitzposition so, dass er keine Mühe hatte beim Ausbalancieren. Es war auch nicht so kalt. Der Roboter bildete eine Art Blase, in die der Wind nicht eindrang. Und wie Kilian zwischendurch erleichtert feststellte: Der einsetzende Regen auch nicht. Verwundert sah er also der unter ihm dahinschwindenden Landschaft hinterher. Wälder, Felder, Wissen, Städte und als es langsam begann eintönig zu werden nach gefühlten Ewigkeiten: Das offene Meer. Kilian sah auf die Uhr als die Sonne sich langsam in Richtung Horizont bewegte. 17:45 Uhr. Der Staubsauger flog zwar nicht so unkomfortabel wie er gedacht, aber auch nicht so schnell, wie er gehofft hätte. Er würde vermutlich knapp ankommen.

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