Kapitel 2 - Jetlag is for amateurs

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Elf Stunden.

Elf Stunden Hölle.

Eingekeilt zwischen einem überarbeiteten Sales Agent im piekfeinen Prada Maßanzug, der den ganzen Flug über das Ave Maria hoch und runter gebetet hatte, sobald es auch nur eine minimale Turbulenz gab. Hilfesuchend klammerte er sich bei jeder Böe an meinen Oberarm, ähnlich dem putzigen Kaiserschnurrbarttamarin, den ich als Kind bei einem unserer Sommerurlaube in Florida bei einem Ausflug in den Miami-Dade halten durfte und voller Stolz mit silber-glänzender Zahnspange in die Kameralinse meines Dad's gegrinst hatte. Nur war dieser Primat hier deutlich kräftiger, älter und bei Weitem nicht so niedlich, wie der Zwergaffe von damals. 

Wer auf den übrigen zwei Plätzen der ungeliebten, mittleren Sitzreihe saß und meinen Flug in den Abyss versüßte fragt ihr euch?

Eine liebevolle junge Familie natürlich.

Plus, ihr ahnt es schon, Nachwuchs.

Einem Säugling.

Zusammengefercht wie Nutzvieh, hatte ich einen ersten Vorgeschmack auf das Fegefeuer erhaschen dürfen.

Ab und zu wünschte ich mir sogar, bei einer weiteren holprigen Böe in der sich die verschwitzten Hände der Konzerndrohne, samt feinsäuberlich manikürter Nägel rechts von mir, wieder tief im Fleisch meines Arms vergruben und sich der kleine Zögling, links neben mir, laut plärrend darüber beschwerte, in genau diesem Augenblick nicht an der Brust seiner völlig apathisch dreinschauenden Mutter nuckeln zu dürfen, wie schön es doch wäre, die eiskalte Stille des atlantischen Ozeans genießen zu dürfen.

Die Krönung war jedoch das Großmütterchen hinter mir, die mir nicht nur bei jeder Gelegenheit in den Rücken trat, sondern sich auch noch ihrer Schuhe, samt Socken entledigte und ihre runzligen Füße so geschickt platzierte, dass mir ihre Hühneraugen quasi entgegenlächelten.

Das war er also. Der Startschuss in mein neues, aufregendes Leben.

***

Ich konnte es kaum erwarten diese elende Sardinenbüchse nach einer erstaunlich sanften Landung zu verlassen, musste allerdings warten bis Mr. Klammeräffchen's Knie aufgehört hatten zu schlottern und er es endlich geschafft hatte sich aufzuraffen, denn der Ableger auf der anderen Seite bekam nun endlich seinen lang ersehnten Milchsnack und schien damit durchaus länger beschäftigt zu sein.

Economy zu buchen, um damit ein paar Mücken zu sparen, war ein Fehler. Aber aus Fehlern lernt man ja bekanntlich.

Auch wenn ich diesen Fehler mit Übermüdung und Rückenschmerzen bezahlte. Denn auch wenn ich mich tief in meinem Inneren noch immer wie ein Freshman fühlte, sprach mein Körper eine andere Sprache.

Ab dreiundzwanzig beginnt angeblich der Zellverfall. Und in diesem Moment spürte ich dies so deutlich, wie schon lange nicht mehr.

Auch Freddie war sichtlich mitgenommen. Beinahe den gesamten Flug hatte er in seiner Box, eingekeilt in meinem Fußraum, verbracht und sah nun ordentlich derangiert aus. Er strafte mich mit lauten, beinahe grunzenden, Atemzügen, einer seitlich heraushängenden Zunge und nickte immer mal wieder weg. Das Beruhigungsmittel, was uns Dr. Slater zum Abschied für den Flug verschrieben hatte, schien fabelhaft gewirkt zu haben. Und wirkte noch immer.

Mit meinem zugedröhnten Hund an der Hand, wartete ich nun völlig übermüdet und durchgeschwitzt vor Stress, darauf, dass das Gepäckband mir endlich meinen Koffer ausspuckte.

In diesem Augenblick beneidete ich Freddie, der Dank des Sedativum, dass wahrscheinlich einen ausgewachsenen amerikanischen Grizzly ausgeknockt hätte, noch immer friedlich vor sich hin grunzte.

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⏰ Last updated: Mar 05 ⏰

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Unendlich weit - so wie der Himmel [PAUSIERT]Where stories live. Discover now