Der Anfang vom Ende

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12. Dezember 1936
Drei Jahre vor Kriegsende

Miko Uchiha wird ihren Titel aufgeben und ab jetzt auf unbestimmte Zeit an der Front kämpfen, bis der Rat der Ältesten ein neues Urteil fällt.





Dem Oberhaupt des Uchihaclans sind fünf Krieger unterstellt, die seine Befehle umsetzen, ausführen und Entscheidungen in seinem Namen treffen, sollte er nicht vor Ort oder anderweitig beschäftigt sein.

Das Clanoberhaupt wählt diese für gewöhnlich persönlich aus, der Rat der Ältesten spricht sein Einverständnis aus und dann werden alle fünf in einer besonderen Zeremonie gekürt.

Vor zwei Jahren, ich war gerade siebzehn geworden, stand ich genau hier. In der Mitte des Raumes, auf der kaputten Holzdiele, vor mir Tajima Uchiha und zu seiner linken die beiden Dorfältesten.

Hier hatte ich begonnen, was mein Vater beendet hatte.

Mit Stolz hatte ich sein schwarzes Band entgegen genommen. Mit Stolz hatte ich es um mein rechtes Handgelenk getragen. Das Symbol des Uchihaclans direkt über meinem Puls. In meinem ganzen Leben war ich noch nie so stolz gewesen.

Jetzt knote ich es mit zitternden Fingern auf und lege es dann vor mich auf die alten Dielen. Das Band, das einst mein Vater trug, liegt mir zu Füßen. Die beiden alten Männer nicken streng. Madara Uchiha beobachtet mich nur stumm.

„Wünscht Ihr noch etwas zu sagen, Miko-san?", fragt der eine Alte, ich meine mich zu erinnern, sie sind Brüder, aber ich weiß er fragt allein, weil es so im Protokoll steht.

Über mein Schicksal wurde bereits entschieden, was gibt es noch zu sagen? Ich war nicht einmal dabei. Ich schüttele den Kopf, weiterhin unter Madara Uchihas Beobachtung.

Sein Bruder zu seiner Rechten mustert mich noch einmal von oben bis unten, dann räuspert er sich geräuschvoll.

„Madara-Sama, sollte sie nicht auch das Schwert ihres Vaters hierlassen?"

Geistesgegenwärtig beiße ich mir auf die Lippe, bevor auch nur ein einziges Wort meinen Mund verlässt. Das gehört nicht zum Protokoll, das war persönlich.

„Es gehört auf sein Grab, nicht an die Seite irgendeines Mädchens. Auf dem Schlachtfeld ist es verloren, dann bekommen wir es nie wieder zurück."

Wie sicher er sich ist, dass ich sterben werde...

Mein Chakra unter Kontrolle zu halten ist eindeutig schwerer, als mein Gesicht. Aber wahrscheinlich ist es genau das, was die Alten sehen wollen. Wie ich Schwäche zeige.

„Spielt Euch nicht so auf, Ihr tut fast so als würde es Euch gehören.", sagt Madara Uchiha zu meiner Überraschung. Dabei schaut er weiterhin nur mich an, als würde er darauf warten, dass ich etwas dazu sage. Ich bleibe stumm.

„Keita Uchiha ist kaum der Held, den Ihr in ihm gesehen haben wollt. Niemand interessiert sich für das rostige Schwert eines Toten, außer Euch, Shingo-san."

Ich habe keine Ahnung was schlimmer ist, dass die alle glauben ich sterbe übermorgen, dass sie mir ein weiteres Erbstück abnehmen wollen oder dass mein Vater derart verleumdet wird.

Ich weiß nur, dass mein Herz rast, meine Fingernägel rote Schlieren auf meinem Unterarm ziehen und mein Chakra in mir tobt.

„Sind wir dann hier fertig, ich habe noch zu tun."

Der alte Shingo und sein noch älterer Bruder würden das Clanoberhaupt offensichtlich genau so gern erwürgen, wie ich gerade, nicken aber nur.

„Nun denn, Miko Uchiha, Zeit zu gehen.", sagt er und damit steht er auf, klopft sich elegant Staub von seiner Kleidung und lässt uns dann zurück.

Auch ich bleibe keine Sekunde länger in diesem Anwesen. Noch vor dem Ältestenrat stürme ich aus dem Raum, Vaters Schwert an meiner Seite.

Wütend stapfe ich Richtung Wald, solange bis ich es nicht mehr bin. Bis ich diese rasende Wut in mir nicht mehr fühle. Sie weicht der stillen Erkenntnis. Der stillen Erkenntnis, dass ich verloren, wofür ich so hart gekämpft hatte.

Stumm bleibe ich stehen. Es ist bereits dunkel draußen. Und so kalt, dass mein Atem kleine Wölkchen vor meinem Gesicht bildet. Müde schaue ich zwischen den kahlen Bäumen in den Himmel hinauf. So viele Sterne sieht man sonst nur in den Bergen, es ist absolut klar. Vielleicht friert es heute Nacht.

Kurz schließe ich meine Augen, so fest, dass ich wieder Sterne sehen kann, dann lasse ich mich einfach fallen. Irgendwo sticht mir eine Wurzel in den Rücken, doch es kümmert mich nicht. Eiseskälte beginnt durch den dünnen Stoff meines Yukatas zu kriechen.

Die Front... genauso gut hätte man mich köpfen können. Eine Schlacht an der Front überlebt man vielleicht, weil man weiß es ist das letzte Mal dass man hier steht, aber auf unbestimmte Zeit ist so gut wie unmöglich.

Ich war einmal dort. Vor ein paar Jahren, danach war ich nie wieder dran, vermutlich weil ich Taisho geworden bin. Es war die Hölle. Ein Schlachtfeld ohne jegliche Taktik, völlig ohne Plan. Es geht einzig und allein darum, den Gegner so weit wie möglich zurückzudrängen und den Weg freizumachen. Meistens kämpft man gegen alle gleichzeitig, ohne dass jemand einem den Rücken freihält. Fressen oder gefressen werden. Das ist die einzige Regel, die es gibt.

Der alte Shingo hat womöglich Recht, dort sollte ich Vaters Schwert wirklich nicht verlieren.

Vielleicht sollte ich einfach hier liegen bleiben. Einfach nie wieder aufstehen. Wahrscheinlich würde ich langsam erfrieren. Ich würde es nicht einmal mehr mitbekommen, wie ich tatsächlich sterben würde. Vielleicht wäre das schöner, als irgendwo einfach erstochen zu werden. Oder erschlagen. Oder zerfetzt.

Langsam drehe ich meinen Kopf zur Seite. Die Bäume sehen unheimlich aus, so ganz ohne Blätter.

Ich war bis vorhin noch Taisho. Einer der stärksten fünf Krieger des Uchihaclans, persönlich von Tajima Uchiha ausgewählt. Allerdings war ich schon immer die schwächste unter ihnen. Und die jüngste. Selbst die Männer mit Jahren an Erfahrung würden niemals freiwillig zurück an die Front.

Was würde Vater mir jetzt wohl sagen?

Außer dem Ächzen der kahlen Äste ist nur das leise Knurren meines Magens zu hören.

Kind, du musst essen. Ja, das würde er jetzt sagen. Und wahrscheinlich hätte er recht. Das ist wohl das beste, dass ich zur Zeit für mich tun kann.

Und alles andere? Nun, das wird sich zeigen...

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⏰ Last updated: Mar 19 ⏰

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