Kapitel 7

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Sugawara atmete in regelmäßigen Abständen in meinen Nacken und mir liefen ein paar Tränen über die blassen Wangen. Ich wusste selbst nicht, wieso ich jetzt weinte, doch ich konnte es schließlich nicht mehr ändern. Ich versuchte den Arm zu heben, um mir meine Tränen wegzuwischen, und Sugawara merkte es. Er sah mich an, sah meine Tränen und dann umarmte er mich noch einmal, diesmal länger als das vorherige Mal. „Bitte sei nicht traurig...", flüsterte er in meine Haare. Sein warmer Atem ließ mir die Nackenhaare zu Berge stehen und vielleicht hatte ich kurz gezuckt, denn er seufzte einmal und zog mich auf seinen Schoß. „Darf ich dir einen Spitznamen geben? So nenne ich dich natürlich nur, wenn wir beide alleine sind..." Seine Stimme ist auf einmal viel tiefer als sonst und sie klingt auch ein wenig rau, weshalb die Schmetterlinge in meinem Bauch jetzt wahrscheinlich noch die Bassanlage angeworfen haben und komplett durchdrehen. 

Ich nickte nur und er atmete einmal ein. „Was gefällt dir besser? Kätzchen oder Küken?", fragte er und mir schoss innerhalb von Sekunden die Röte ins Gesicht. „Kätzchen...", antwortete ich leise und vergrub mein Gesicht in seiner Jacke. „Dann nenne ich dich jetzt Kätzchen. Ist das in Ordnung für dich?", fragte er und sah kurz zu mir hinunter. Ich nickte nur und gab einen zustimmenden Laut von mir, dann lehnte ich mich wieder an ihn. Sein Herz pochte noch immer so schnell, doch meins schlug sicherlich nicht langsamer. 

Meine Tränen sind schon länger verschwunden, als sich Sugawara bewegte. Er setzte sich auf und ich wollte aufstehen, doch er legte seine Hände um meine Taille. Er ließ mich nicht so einfach gehen. „So einfach lasse ich dich jetzt nicht gehen. Es ist doch eh keiner hier, der uns stören würde." Er sah mir mit seinen warmen braunen Augen tief in meine kalten grauen Augen und lächelte dann. „Möchtest du mich einfach nur Suga nennen? So nennen mich auch Daichi, Asahi und Ennoshita. Und eigentlich auch alle anderen." Ich nickte. „Wie viel Uhr haben wir?", fragte ich schließlich und er zog sein Handy aus der Tasche. „Halb neun...", murmelte Suga. „Ich glaube wir sollten langsam zurückgehen. Die anderen fragen sich sicher schon, wo wir sind.", schlug ich vor und Suga nickte.

 Suga's Sicht: 

Als wir wieder bei der Schule ankamen, war es bereits schon zwanzig vor neun. Die Lichter waren bereits schon alle aus und wir schlichen uns in den Flur, der zu unseren Zimmern führte. Wir kamen gerade um eine Ecke, da stand plötzlich eine riesige Gestalt vor uns. Die Haare hingen ihm im Gesicht und die Augen leuchteten. Ich sprang reflexartig zurück und sah mich nach Rara um, doch sie war verschwunden. Ich sah die Gestalt wieder an und begann zu lachen. Vor mir stand Asahi, der zum Schlafen keinen Zopf trug, und offenbar nach mir sehen wollte. „Asahi, was machst du hier?", fragte ich und schlug ihm auf die Schulter. „Ich wollte sehen wo du bist. Du warst nach dem Essen einfach so weg.", antwortete Asahi verschlafen. 

Ich sah mich wieder um. Rara war immer noch verschwunden, doch als ich ihren Namen rief, kam sie hinter einer Ecke vor. Ihre Augen blitzten und sie warf Asahi einen bösen Blick zu. Wenn Blicke töten könnten, dann wäre Asahi auf der Stelle tot umgefallen. „Alles gut. Ist nur Asahi.", beruhigte ich sie. Sie nickte. „Ich geh schlafen.", fügte sie hinzu und wünschte mir und Asahi gute Nacht. Dann verschwand sie in der Dunkelheit.

Rara's Sicht:

Als ich das Zimmer von mit und Kiyoko betrat, wurde ich wie bei einem Verhör von ihrer Taschenlampe empfangen. Sie leuchtete mir direkt ins Gesicht, sodass ich die Tür hinter mir zuschob und auf meinen Futon stolperte. Ich ließ mich neben ihr zu Boden sinken. „Wo warst du denn so spät abends noch? Ich habe gehört, dass Suga auch weg war.", fragte sie und lächelte mich verschmitzt an. „Es würde nichts bringen, dich jetzt anzulügen, wenn du es eh schon weißt.", seufzte ich und zog mir meine Jacke aus. Ich wollte sie eigentlich nicht ausziehen, da an ihr immer noch der Geruch von Suga hing, doch zum Schlafen konnte ich sie schlecht anlassen. „Das stimmt.", lachte Kiyoko. „Also? Erzählst du mir alles?", hakte sie nach, als ich nichts erwiderte, sondern meine Jacke so auf meine Tasche legte, dass sie den Geruch von Suga möglichst lange behielt. „Ich hab ihm nur von meiner Essstörung und dem Vorfall beim Spiel der Nekoma erzählt. Und dann hat er mich einfach umarmt. Und mir einen Spitznamen gegeben, davon soll aber keiner sonst wissen." Kiyoko saß mit offenem Mund da, dann lächelte sie breit. „Das freut mich so für dich und ihn! Suga hatte schon lange keine Freundin mehr. So jemand wie du würde ihm sicher guttun." „Ich kann mir Suga irgendwie nicht mit einem Mädchen vorstellen...", murmelte ich. „Und genauso wenig mit mir." „Ach komm, das wird schon. Ihr passt so gut zusammen, das sieht man nur selten.", munterte mich Kiyoko auf. 

Doch als wir uns eine halbe Stunde später endlich schlafen legten, fiel ich nur in einen unruhigen Schlaf, geplagt von Alpträumen und Zweifel. Ich wollte Suga nicht verletzen. Ich wollte nicht, dass er am Ende traurig ist, wenn das zwischen uns nicht funktionieren würde. Ich hatte einen Jungen noch nie wirklich lieben können, wahrscheinlich lag es daran, dass ich mir selbst so im Weg stand. Aber mir schien es unmöglich mich selbst so zu lieben, wie ich vielleicht irgendwann jemand anderes lieben würde. Oder wie er mich lieben würde. Das schien mir so unwirklich, dass ich mir gar nicht erst Gedanken darüber machte. Doch jetzt war Suga da und er hatte mich verzaubert und war vielleicht sogar in mich verliebt. Oder vielleicht auch nicht? Vielleicht war er anfangs auch so zu Kiyoko, bis sie wirklich Freunde wurden. Er kann ja jetzt auch einigermaßen normal mit ihr sprechen.

Aber wieso wollte er mir dann einen Spitznamen geben? Vielleicht, damit ich merke, dass er nur Freundschaft möchte? Ich zerbrach mir den Kopf darüber, dass ich nicht merkte, dass es bereits schon wieder hell geworden war. „Rara, komm, wir müssen das Frühstück vorbereiten.", sagte Kiyoko, die sich gerade neben mir erhob. Ich rappelte mich schnell auf und zog mich um, glücklicherweise hatte meine Jacke den Geruch von Suga einigermaßen behalten. Der Geruch, der von meiner Jacke ausging. Als mich schließlich Nishinoya und Tanaka zum Frühstück begrüßten, reagierte ich nicht, da mir gerade erst klar wurde, dass ich in dieser Nacht vielleicht höchstens zwei Stunden geschlafen hatte.

„Rara starrt in die vierte Dimension.", lachte Tanaka und tippte mir auf die Schulter, bis ich hochschreckte. „Nein, ich bin nur müde.", erwiderte ich, doch auch bei dem Spiel der Karasuno gegen die Nekoma war ich nicht wirklich anwesend. Kiyoko neben mir schien zu wissen, dass ich mir die ganze Nacht den Kopf zerbrochen hatte und dokumentierte alles alleine, wofür ich mich später schlechter denn je fühlte. „Es tut mir so leid, Kiyoko, du musstest alles alleine machen.", entschuldigte ich mich nun schon zum sechsten Mal bei ihr. „Alles gut, ich weiß, dass du heute Nacht nicht geschlafen hast.", beruhigte mich Kiyoko und legte mir eine Hand auf die Schulter. Als ich aufstand, wurde plötzlich alles hell und dann alles dunkel, bis mich Kuroos Stimme wieder in die Realität riss. „Kätzchen, nicht wieder umkippen!"

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Wörter: 1.208

Song: Suicide Note von Jurrivh

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