12 - Ungewolltes Match

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So fand ich mich wenige Minuten später mit meiner Tasche vor dem Haus meines Onkels wieder und kramte nach meinen Kopfhörern, als in der Ferne geräuschevoll eine Tür ins Schloss fiel.

Reflexartig hob ich den Kopf - und sah, wie Charon im gleichen Augenblick sein Gesicht in meine Richtung drehte, gerade dabei die Fahrertür seines Mustangs zu öffnen.

Das gibt es doch nicht!

Stöhnend legte er sogleich den Kopf in den Nacken. "Da fährt man extra etwas später los und du bist immer noch hier", hörte ich ihn von seinem Haus aus wettern.

"Ich habe glatt vergessen, wie charmant und hilfsbereit du doch bist", rief ich zu ihm herüber. Sehr bemüht darum, ihm nicht gleich den Hals umzudrehen. "Keine Sorge, ich laufe." Mit diesen Worten steckte ich mir meine Kopfhörer ins Ohr und stakste mit hoch erhobenen Kopf von ihm weg, dabei vergaß ich natürlich nicht meine Haare über meine Schulter zu schmeißen.

Soll er doch alleine fahren.

Zwar waren die Aussichten in einem Stadtbus zu fahren nicht gerade die besten, doch mir blieb keine andere Wahl. Beim Abendessen noch war ich wirklich wild entschlossen gewesen, Charons Mitfahrgelegenheit zu nutzen - heute fehlte mir dafür jedoch die Kraft.

Eine Autohupe ließ mich zusammenzucken und der schwarze Mustang hielt neben mir. Das Fahrerfenster war heruntergelassen und Charon legte seinen Unterarm auf der Autotür ab. "Steig ein", ordnete er genervt an. So wie ich trug er nun eine schwarze Sonnebrille - und eine schwarze Lederjacke.

Er schien das im gleichen Augenblick wie ich zu realisieren, denn er trat mit quietschenden Reifen ruckartig auf die Bremse. "Oh nee", er nahm sich die Brille langsam von seiner Nase, während er mich von oben bis unten mit zusammengekniffenen Augen abscannte und schmiss die Brille letztendlich auf den Beifahrersitz. "Ich glaube, ich muss mich vorher nochmal umziehen gehen."

Denkt er etwa, mir passt dieser Partnerlook?

"Fahr einfach los", ich wedelte mit meiner Hand Richtung Straße und begann weiterzulaufen.

Es dauerte nicht lange, da war er mit seinem Auto wieder gleich auf mit mir. "Ich meine es ernst, Lavender. Steig ein. Du kennst dich doch hier kaum aus. Der nächste Bus kommt erst in einer Stunde."

"Was interessiert dich das denn?", gab ich spitz von mir und sah ihn durch die getönten Gläser meiner Sonnenbrille verständnislos an. "Umso besser für dich und für mich. Dann kommen wir beide nicht gleichzeitig mit unserem Partneroutfit auf dem Unigelände an."

Er folgte mir weiter im Schritttempo. "Komm jetzt einfach mit mir mit. Meine Mom schaut durch das Küchenfenster zu. Wenn du nicht gleich einsteigst, dann fährt sie dich noch höchstpersönlich zur Uni. Ich glaube, das ist dir tausendmal peinlicher als unser Partneroutfit."

"Was?" Ich wirbelte herum. Doch von hier konnte ich niemanden hinter den Fenstern seines Hauses ausmachen.

"Steig. Ein - jetzt", ordnete er grollend an.

Ich reckte mein Kinn in die höhe. "Also so schon gar nicht. Hat dir mal jemand gesagt, dass du dringend mal an deiner Sozialkompetenz arbeiten solltest?"

Ein Lachen. Tief. Rau. "Meine Sozialkompetenz ist völlig in Ordnung."

"Und wieso benimmst du dich wie die Axt im Walde?"

"Weil ich mich nicht verstelle."

Nun blieb ich ruckartig stehen. 

Reflexartig trat er auf die Bremse und zog die Augenbrauen zusammen. "Was? Steigst du jetzt endlich ein?"

"Erst will ich wissen, was du damit jetzt wieder meinst", forderte ich mit verschränkten Armen.

"Steigst du dann verdammt nochmal endlich in meinen Wagen?"

Ich lächelte ihn schmallippig an. "Vielleicht?"

"Vielleicht heißt jetzt was genau?"

"Wenn die Antwort akzeptabel ist", antwortete ich schlicht.

Wieder ein Auflachen. Es folgte ein heißer Schauer, der über meinen Rücken fegte. Verfluchter verräterischer Körper. 

"Ich bitte dich. Sind wir denn bei Wünsch dir was?"

Ich zuckte mit den Schultern. "Überleg es dir. Du meintest, deine Mom schaut uns zu."

"Das ist dein Problem, nicht meins. Ich kann allein zur Uni fahren, du nicht."

Ich atmete entnervt aus. "Okay, okay." beschwichtigend hob ich die Hände. "Dann hau' deine Antwort raus und ich steige ein."

Pause. Dann... "Ich habe es mir anders überlegt. Entweder, du steigst jetzt ein oder ich fahre los. Meine Vorlesung beginnt in exakt fünfzehn Minuten und wenn ich noch mehr als die Hälfte mitbekommen will, dann muss ich jetzt los."

"Wie pünktlich du doch als Unianfänger bist. Man könte dich beinahe als vorbildlich bezeichnen."

Der Motor heulte auf und ich - ich riss mich zusammen. "Schon gut, schon gut", zischte ich gereizt, schulterte meine Tasche und schob mir die Sonnebrille in die Haare. "Ich steige ein."

"Geht doch."

"Halt einfach die Klappe."

Er ließ sich in seinen Fahrersitz zurücksinken. "Ich habe ganz vergessen, wie charmant du bist."

Grummelnd lief ich herüber zur Beifahrerseite, riss die Tür auf, nahm seine Sonnebrille zur Seite und ließ mich nach dem Anschnallen in den zugegeben sehr gemütlichen Beifahrersitz sinken. "Kann losgehen", nuschelte ich.

Ohne sich das zweimal sagen zu lassen, drückte Charon auf das Gas und preschte dann los, als würde er jetzt gerade an einem Formel-1-Rennen teilnehmen.

"Heilige Scheisse", fluchte ich und krallte mich an meinem Anschnallgurt fest, während er um die Kurve fast schon driftete. "Willst du uns umbringen?!"

Er sagte nichts, spannte nur seinen Kiefer an und drehte dann das Radio auf, aus dem Rapmusik plärrte. Gefühlt legte er dann noch einen Gang mehr zu.

Gut, dann schweigen wir uns eben an.

Ich schaute stur aus dem Fenster und betete dabei irgendwie lebendig heute noch die Uni zu betreten.




Dark HeartWhere stories live. Discover now