4. Kapitel

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"Wie... weit ist es... denn noch?" keuchte Milan und stützte sich an einem Felsen ab.
Vor einer halben Stunde hatte Jonas ihm eröffnet, dass sie in Kürze den See erreichen würden, zu dem sie wollten. Anfangs war es noch interessant gewesen, da sie an einem Weidezaun entlang liefen und die Ziegen auf der Wiese neben ihnen herliefen, in der Hoffnung auf einen Leckerbissen.

Jonas kannte die meisten der Tiere mit Namen und sie schienen ihn ebenfalls zu erkennen. Doch nun liefen sie seit einer ganzen Weile durch den Wald, ohne irgendeine Ablenkung. Nun bedauerte Milan, dass er den Volleyball-Club verlassen hatte.
Er könnte die Kondition wirklich gut gebrauchen. Jonas schien nicht im Mindesten außer Atem zu sein.

"Wenn wir noch zehn Minuten weiterlaufen, sind wir da. Komm schon. Wir haben's fast geschafft!" Mit diesen Worten griff er sich Milans Hand und zog ihn mit sich. Milans Herz geriet kurz aus dem Takt als er sich Jonas' Finger mit seinen verschlangen. Doch die Worte die mit der Geste einhergingen gaben ihm die Hoffnung, dass er vielleicht doch nicht für immer hier durch den Wald tappen würde.

Und dann... waren sie da.
Unter ihnen breitete sich der See aus. In der Sonne funkelte er wie ein riesiger Edelstein. Milan stockte kurz der Atem. Es war wunderschön. Während sie Hand in Hand
(natürlich rein freundschaftlich!) den Pfad zum See hinunter rannten, wusste er, dass es ihm hier definitiv nicht langweilig werden würde. Aber das war gut so. Meistens jedenfalls.

Irgendwie fühlte sich all das an wie der klischeehafteste Start eines schlechten Romans. Nur ohne eine große Liebe!
Denn das war nun einmal nicht möglich.
Und sich an den Händen zu halten, bedeutete gar nichts! Viele Menschen taten das jeden Tag. Aber war das nicht eigentlich eher was für kleine Kinder? Er war vierzehn und Jonas war... "Wie alt bist du eigentlich?"
"Seit Oktober fünfzehn. Und du?"
"Ich bin vierzehn. Bald fünfzehn"
Seinen Geburtstag verriet er nicht. Er wollte keinen Wirbel darum.

"Also fast gleich alt. Und wo kommst du eigentlich her?" "Aus Frankfurt."
"Das ist ziemlich weit weg! Hast du noch Kontakt zu deinen Freunden dort?" Das versetzte Milan einen Stich. Er hatte keine richtigen Freunde mehr gehabt, seit er in der siebten Klasse das schrecklichste Outing gehabt hatte, das man sich nur vorstellen konnte. Egal was er auch versucht hatte, danach war alles ruiniert gewesen.

Nur ein paar Leute die nicht auf seine Schule gingen, hielten noch zu ihm. Aber wirkliche Freunde waren das nicht.
"Ich hatte nicht unbedingt... viele Freunde."
Jonas schien zwischen den Zeilen zu lesen,
denn er drückte Milans Hand, bevor er losließ. "Dann kann ich mich wohl glücklich schätzen, dein erster Freund hier zu sein. Und wir sind da."
Milan sah von seinen Schuhspitzen auf und bemerkte, dass sie beim Wasser angekommen waren.

Jonas deutete auf einen kleinen Steg. "Das Boot da drüben ist meins."
Das Boot war kein typisches Ruderboot, sondern zusätzlich mit einem bunten Segel versehen. Offenbar war es aus Teilen unterschiedlicher Boote zusammengezimmert worden. Es gefiel Milan auf Anhieb.

Jonas schien das zu bemerken. "Wollen wir an Deck frühstücken?" fragte er. Milan musste nicht lange überlegen. "Gern."
Gemeinsam kletterten sie über die Felsen am Ufer bis hinunter zu dem Steg. Das Holz sah morsch und glitschig aus, doch sie schafften es unfallfrei zum Boot. Allerdings nicht viel weiter. Milan stolperte über ein Fischernetz, das sich dabei um seine Beine wickelte. Mit einem erschrockenen Schrei taumelte er rückwärts. Er versuchte seinen Sturz abzufangen. Ein hoffnungloser Versuch.

Sein Rücken schlug auf die Kante des Stegs. Sämtliche Luft wurde aus seinen Lungen gepresst, dann fiel er ins Wasser. Der See war eiskalt. Milan sah alles nur verschwommen.
Er konnte sich nicht bewegen. Um seine Beine lag noch immer das Netz. Die engen Maschen schnitten in seine Haut und Blut färbte das Wasser um ihn herum rosa.
Fühlte es sich so an wenn man starb?
Plötzlich packte ihn jemand am Arm.

Castle of Secrets Where stories live. Discover now