Kapitel 5 Ben

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Erschöpft ließ ich mich in meinem Sessel fallen, er war groß und weich, mit einer bequemen Polsterung und einer Rückenlehne, die mir angenehmen Halt bot. Neben dem Sessel stand ein kleiner Beistelltisch aus dunklem Holz, auf dem sich ein Stapel Bücher befand.

 Das Wohnzimmer war ein Ort der Entspannung. Hier hatte Mutter Stunden, Tage oder sogar Monate damit verbracht, zu lesen. Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem sie kein Buch in der Hand oder in der Nähe gehabt hatte.

Mein Blick fiel automatisch auf den Stapel Bücher, der auf dem Beistelltisch neben dem Sessel lag. Ich streckte meine Hand aus und griff nach dem Buch, das meine Mutter zuletzt in den Händen gehalten hatte. Es war ein Roman mit dem Titel ‚Kampf der Erlösung‘, eine Fantasy-Romanze, geschrieben von Temi Cei. Man sah die Eselsohren auf den Seiten, die meine Mutter als Lesezeichen benutzt hatte. Ich betrachtete das Buch einen Moment lang, spürte eine leichte Berührung der Vergangenheit und erinnerte mich an die gemeinsamen Stunden des Lesens und der Diskussionen, die wir hatten. Ja, sie hatte mich eines Tages damit angesteckt, und Lesen war wie eine Sucht, die nicht einfach zu stillen war, geschweige denn, sie loszuwerden.

Ich strich sanft mit meinen Fingern über den Buchrücken und atmete den vertrauten Geruch von Papier und Tinte ein. In diesem Moment fühlte ich mich meiner Mutter nahe, als ob sie immer noch hier wäre und wir gemeinsam in diesem Wohnzimmer saßen.

 Mit einem schweren Herz legte ich das Buch wieder zurück auf den Stapel und ließ meine Gedanken zu Oliver schweifen.

 Sein Besuch hatte mich verwirrt zurückgelassen, und ich konnte weiterhin nicht fassen, dass Marta entführt worden war. Oliver hatte wirre Dinge gesagt, die ich kaum verstanden hatte.

 Ein schlechtes Gewissen kroch in mir hoch, während ich an unserem letzten Gespräch denken musste. Ich hatte ihn abgewiesen, ihm gesagt, er solle nach Hause gehen und sich einen klaren Kopf verschaffen. Ich war einfach zu überfordert mit der ganzen Situation. Erst der Tod meiner Mutter und nun die Entführung von Marta. Es fühlte sich an, als ob das Schicksal mir alles auf einmal aufbürdete.

Langsam stand ich auf und ging durch den Raum, als ob ich in der Stille meines Wohnzimmers Antworten finden konnte.

 Ich betrachtete die Bilder an den Wänden, die eine Chronik unserer gemeinsamen Erinnerungen darstellten. Meine Augen wanderten von einem Bild zum nächsten, bis mein Blick auf einem ganz besonderen Foto verweilte. Es zeigte meine Mutter und mich, als ich 7 Jahre alt war, auf einem idyllischen Bauernhof. Die Sonne schien warm vom Himmel, während wir uns eng umarmten. Ihr strahlendes Lächeln war ansteckend, und ihre Augen funkelten voller Liebe und Stolz.

Die Erinnerungen an unsere Ausflüge auf den Bauernhof, das Lachen, das uns verband, und die Zuneigung, die sie in jeder Geste zum Ausdruck brachte, überfluteten mich. Es war, als ob die Zeit für einen Augenblick stehenblieb und ich wieder in ihre liebevolle Umarmung eintauchen konnte. Doch mit diesen Erinnerungen kamen auch die Tränen.

Die Trauer über den Verlust meiner Mutter brach mit voller Wucht über mich herein. Ich vermisste ihre warme Präsenz, ihre tröstenden Worte und ihre bedingungslose Unterstützung. Es war, als ob ein Stück meines Herzens fehlte, das nur sie füllen konnte.

 Ich betrachtete das Bild genauer und nahm jedes Detail wahr. Die sanften Wellen ihrer blonden Haare, die im Wind tanzten, die zarten Falten um ihre Augen, die von unzähligen Lachern zeugten, und die blauen Augen, in denen ich mich immer geborgen fühlte. Es war ein Moment der Glückseligkeit, den ich für immer in meinem Herzen bewahren wollte.

 Leise schluchzend und mit einem Hauch von Trost in meiner Trauer strich ich über das Bild, als könnte ich dadurch die Nähe meiner Mutter spüren. Ich schloss meine Augen und ließ mich für einen Moment von den Erinnerungen umfangen.

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⏰ Last updated: Nov 29, 2023 ⏰

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Der Schein Täuscht Teil 1 Die Heilige Nacht Where stories live. Discover now