7 - Blanker Egoismus

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"Wie konntest du nur ihr Angebot nicht annehmen?!", fauchte ich Leronel schließlich sehr viele Minuten später an.

Mittlerweile sind wir schon wieder längst aus der Festung heraus, haben sogar schon die Brücke überquert und folgten nun dem Weg, der uns hierher geführt hatte.

Draußen vor den Fenstern der Kutsche stürmte es unablässlich weiter und mir taten unsere Begleiter einfach nur noch leid. Und erst recht die Pferde, die uns bis hierher zuverlässig und tapfer befördert hatten.

Jeder von uns brauchte eine Pause.

Aber dank der wunderbaren  Entscheidung von Leronel befanden wir uns wieder auf dem Weg zurück, es war einfach nur scheisse kalt und der Wind nahm immer mehr zu. Er wirbelte die neuen Flocken vor unserem Fenster auf und alles was ich sehen konnte, war Dunkelheit und weiße Sturmböen.

"Sie haben recht, dass es einfach nur dumm ist, wenn wir in der Nacht in so einem Strum zurückreisen. Wie konntest du sowas nicht bedenken? Mal davon abgesehen, dass alle unsere Begleiter am Rande ihrer Kräfte stehen. Du hast sowas von egoistisch gehandelt - was dir wahrscheinlich auch nicht im Geringsten bewusst zu sein scheint!" Ich bebte fast schon am ganzen Körper vor Zorn und hätte ihn am liebsten am Kragen seines Umhangs gepackt und so lange geschüttelt, bis er doch einlenkte und wir hier irgendwo Halt machten. Von mir aus in der Stadt unter der Festung.

Allerdings sah Leronel nicht so aus, als würde er sich nur eine Sekunde lang umstimmen lassen. Er hatte seine Augenbrauen griesgrämig verzogen und glich eher einem schmollenden unreifen Kind als einem achtzehnjährigen angesehenen königlichen Berater. "Ich habe kein Interesse daran an ihrem Hof zu nächtigen, wenn sie uns wie Witzfiguren behandeln." Er verschränkte die Arme vor seinem Oberkörper. "Das ist unter unserer Würde - das solltest du auch mal einsehen, Fera. Anstatt mir in den Rücken zu fallen."

"Wann bin ich dir bitte in den Rücken gefallen?", hakte ich verständnislos nach. "Ich habe die ganze Zeit tonlos neben dir gestanden und geduldet, was für einen Mist du entschieden hast."

"Du weißt genau, was ich meine!", schoss Leronel zurück, seine Augenbrauen hatte er zornig verzogen und dieses enttäuschte Glitzern in seinen Augen ging mir ebenfalls nicht unter. "Vielleicht hast du kein Wort gesagt, aber deine Blicke haben alles gesagt. Was sollen diese... Könige von uns denken, wenn wir uns untereinander so uneinig sind? Das ist keine geeinte Front-"

"Das ist eine völlig andere Sache", fiel ich ihm rigeros ins Wort. "Es ist ja wohl absolut verständlich, dass ich niemanden von uns in diesen Sturm nach draußen schicken wollte." Ich zeigte anklagend auf das wetterliche Massaker vor dem Kutschenfenster. Der Wind drückte heulend gegen das Fensterglas, so wie auch schon vorhin im Thronsaaal. "Wir kennen uns hier nicht aus - wer weiß, ob der Sturm nicht noch schlimmer wird! Was machen wir dann?!"

Leronel rollte mit den Augen. "Der Wald müsste bald kommen. Dort ist es windgeschützter-"

"Und noch gefährlicher", unterbrach ich ihn abermals. "Wer weiß, wer sich dort noch so alles verkrochen hat, um dem Sturm zu entkommen. Wir sind dem allen völlig ausgeliefert! Wie sollen Wächter, die bestimmt nichtmal mehr ihre eigenen Finger spüren können, ein Schwert gegen irgendwelche Angreifer schwingen können?!"

"Verdammt, Fera. Die Wächter werden für ihre Dienste bezahlt! Da müssen sie auch mit den gegebenen Umständen zurechtkommen."

Fassungslos und entsetzt zugleich schaute ich ihn an.

Betrachtete meinen Halbbruder von Kopf bis Fuß, von den karamellbraunen, verwuschelten Haaren bis herunter zu seinen braunen Stiefelspitzen, um dann nur mit dem Kopf zu schütteln.

So kannte ich ihn nicht.

In all den Jahren, die wir miteinander aufgewachsen sind, habe ich ihn noch nie so... eigensinnig und stur und vorallem so rücksichtslos erlebt wie jetzt.

Fallen KingsWhere stories live. Discover now