5 - Die drei Könige von Othello

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Mir fiel beinahe die Kinnlade scheppernd auf den Boden - dank meines Sittsamkeitunterrichtes schaffte ich es jedoch, die Fassung zu behalten und eine hoffentlich undurchdringliche Miene zu wahren.

Denn der Dritte war gleichzeitg das, was ich erwartet habe - aber irgendwie auch wieder nicht.

Die Augen zu schmalen Sicheln verzogen, stellte er sich zwischen seine Brüder. Ganz klar: Sein Gesicht war ohne Zweifel das gleiche wie das der anderen.

Anmutige und elegante, wie in den Stein gemeißelte Züge. Olivefarbene Haut. Ebenfalls hochgewachsen und trainiert. Platinfarbene Haare - diese waren allerdings stark in nur sehr kurzen Abständen gewellt und reichten ihm knapp bis an sein Kinn.

Eine nicht übersehbare wahnsinnig lange Narbe zog sich in einem schwachen Grau über sein linkes Auge. Sie begann knapp über seine düster verzogenen dunklen Augenbrauen und zog sich schräg nach hinten weg unter dem Auge bis fast zu seinem linken Ohr.

Was auch immer damals passiert sein musste - es muss ewig gedauert haben, bis alles wieder verheilt gewesen ist. Irgendwas sagte mir, dass der Schnitt sehr tief gewesen sein muss... ein Wunder, dass sein linkes Auge nicht davon betroffen ist.

Allerdings hatte er seine Augen auch so schmal verrenkt, dass ich die Farbe seiner Iris und Pupillen nicht ausmachen konnte. Sie lagen versteckt im Dunkeln und wirkten beinahe schwarz.

Unwillkürlich erschauderte ich, fast wäre ich von allen drei ein Schritt zurückgetreten, um auf Abstand zu gehen.

Drillinge.

Ja, wer hätte denn mit sowas gerechnet?

Immerhin hatte ich anscheinend die Quelle dieser eigenartigen und pulsierenden Schwingungen gefunden. Ganz klar ging es von ihnen aus, denn der Dritte hatte das Summen um noch einen Grad verstärkt. Das Summen erreichte mittlerweile meine Ohren, mein Brustkorb verweigerte seine Arbeit, die Luft blieb mir weg, ein schmerzhaftes Stechen setzte in meinen Schläfen ein und-

Der Druck ließ urplötzlich nach und das Summen verwandelte sich in etwas, das sich nur ganz schwer beschreiben ließ.

Statt des Drucks wurde meine Körper wie in... in Seide gewickelt. Fühlte sich schön an und... warm. Ich nahm den nächsten Luftzug - keine dünne Luft. Ich konnte wieder normal atmen. Alles war wieder normal - bis auf dieses seidenartige Gefühl.

Das Gesicht des Dritten spannte sich an und seine Nasenflügel bebten, der Zweite neigte den Kopf leicht zur Seite und beim Ersten kräuselten sich die Mundwinkel.

Leronel versuchte sich neben mir noch weiter aufzurichten, da er ebenso klar unsere reichlich missliche Situation erkannte. Aber natürlich konnte er nicht noch mehr in die Höhe wachsen. Er musste wohl einsehen, dass wir deutlich überragt wurden.

Die Luft knisterte nur so vor Energie in der Gegenwart der drei Könige.

"Entschuldige, Auris. Ich musste sie einfach schon hereinlassen", brach der Erste unerwartet diese eisige Stille. "Ich war einfach zu... neugierig." Wieder dieses undeutbare Lächeln.

Sir Gilian, dessen Anwesenheit ich erst jetzt wieder zur Kenntnis nahm, hüstelte etwas. Offentsichtlich versuchte er ein leises Lachen zu kaschieren.

Meine Maske bekam Risse und meine rechte Augenbraue wanderte in die Höhe. Wenn ich eine Sache nicht abkonnte, dann war es fehlender Respekt. Ich respektierte mein Gegenüber stets und niemand musste vor mir deswegen den Boden ablecken, bevor ich darüber schritt. Aber dass alle hier an diesem Hof heraushingen ließen, dass wir keine Bedrohung und in ihren Augen nur Witzfiguren waren, machte mich zunehmend wütend.

Fallen KingsWhere stories live. Discover now