23 | Herzschmerz

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„Freut mich. Ich bin Lucky", erwiderte er mit einem schiefen Grinsen. Als er meine Hand losgelassen hatte, zog er ein Päckchen Kippen aus der Brusttasche seiner Jeansweste, die er über sein T-Shirt gezogen hatte. Ich reichte unterdessen seinem Freund die Hand. „Luke", sagte er, drückte mit seinem schwitzigen Fingern meine kräftig zusammen und leckte sich über die Lippen. Ich runzelte die Stirn. Lucky und Luke. Das ging ja schon gut los.

„Die beiden kommen fast jeden Tag her", erzählte Viktor beiläufig.

„Und bleiben bis in die Nacht", ergänzte Lucky lachend, dann steckte er sich eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an. Ich schob ihm einen Aschenbecher rüber. „Rauchst du?", fragte er. Ich schüttelte den Kopf.

„Aber trinken tuste, oder?", hakte Lucky mit hochgezogener Augenbraue. Auch Luke musterte mich neugierig aus seinem pausbäckigen Gesicht.

„Jetzt lasst sie doch erstmal anfangen", grätschte Viktor dazwischen. Luke grinste schräg.

„Nee, die muss doch anständig eingeritten werden", lachte er und sein Saufkumpel stimmte mit ein. Ich unterdrückte meinen ersten Impuls, ihm das Gesicht nach hinten zu schlagen.

„Mach dir um mich keine Sorgen. Mein Bedarf ist gedeckt", konterte ich mit einem bestimmten Lächeln auf den Lippen.

„Hätt'ste dir eigentlich denken können, bei dem Fahrgestell", lachte Lucky und deutete auf mein Dekolletee. Es nervte mich, dass ich wieder mal auf meine sexuellen Reize reduziert wurde. Wahrscheinlich konnte ich an einem Ort wie diesem nicht mehr erwarten, wenn ausreichend Alkohol im Spiel war.

„Passt doch zu nem Lamborghini wie mir, mit 300 PS", warf Luke ein.

„Wohl eher n Fiat 500 mit angezogener Handbremse", kommentierte ich trocken. Lucky lachte und verschluckte sich unmittelbar am Rauch seiner Kippe. Luke sah mir unterdessen verblüfft ins Gesicht.

„Gefällst mir. Hast Schmackes", sagte Lucky anerkennend zu mir und nahm noch einen Zug von seiner Zigarette. Luke stand unterdessen auf und trollte sich zu einem der Spieleautomaten im hinteren Teil des Raums. Während ich mich mit Viktor und Lucky unterhielt, der leidenschaftlich gern Gartenzwerge sammelte und bereits über tausend Stück zuhause hatte, füllte sich die Strandbar immer weiter mit neuen Gästen. Irgendwann waren es so viele, dass ich Schwierigkeiten hatte, mir all ihre Namen zu merken und immer wieder nachfragte, um sie irgendwie in mein Gedächtnis zu kriegen.

Die Zeit verstrich wie im Flug, während ich sie alle mit Getränken versorgte und hier und dort ein Schwätzchen hielt. Dabei taute ich immer mehr auf, setzte mich ab und an zu ihnen an die Tische und versuchte, sie besser kennenzulernen. Im Grunde drehten sich die Unterhaltungen immer um dieselben Dinge – Perspektivlosigkeit und Geldsorgen. Manche von ihnen versoffen oder verspielten die wenige Stütze, die sie bekamen, schon direkt zu Monatsbeginn, sodass sie am Ende des Monats kaum mehr über die Runden kamen.

„Schätzchen, bringst du mir n Sekt?"

Ich drehte der blonden Frau in den Fünfzigern den Kopf zu, die in illustrer Gesellschaft an einem der Tische saß und klönte. Es war offensichtlich, dass sich unter der Perücke, dem schrillen Make-Up und dem blauen Paillettenkleid mit Taillengürtel ein Mann verbarg. Nicht nur die stämmige Statur, sondern auch der breite Kiefer und der Bartschatten, der sich unter der Schminke abzeichnete, verrieten ihn.

„Klar", lächelte ich und huschte hinter den Tresen zurück, um ihrem Wunsch nachzukommen.

„Nimm den Billigen", raunte Viktor mir zu, während er mir ein Glas reichte. Ich fischte unterdessen eine Piccolo-Flasche aus dem Kühlschrank. Anschließend brachte ich beides zu der Blondine herüber. Als ich ihr Getränk auf dem Holztisch abstelle, strich sie sich lächelnd durch ihre welligen Haare.

Anger Management | Marten | 187Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt