Kapitel 24

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Vorsichtig spielte ich mit Finns Fingern, während ich aus dem Fenster sah. Wir hatten mittlerweile die zwei Tage auf den Straßen der USA hinter uns und Las Vegas erreicht. Wir hatten uns immer damit abgewechselt, wer Gefahren ist, sodass wir es tatsächlich in zwei Tagen herübergeschafft hatten und noch etwas von Amerika gesehen haben. Zumindest aus den Autofenstern.
Momentan saß Caleb am Steuer und lenkte das Wohnmobil durch die Stadt. Auch wenn man eher das Gefühl hatte, wir würden gerade eine Mini-Welttour unternehmen. Ein Hotel sah aus wie die Skyline von New York samt Freiheitsstatue, ein anderes wie eine Pyramide mit einer Sphinx davor und ein weiteres sah aus wie ein mittelalterliches Schloss. Bei einer Baustelle wurde gerade der Eiffelturm nachgebaut. Als ich die vertrauten Strukturen entdeckte, versetzte mir das einen kleinen Stich.
Ich vermisste das Gefühl, welches ich gehabt hatte, als ich dort oben mit Marlon und den anderen Mitgliedern der Kriegsnymphenfamilie gestanden habe. Das Gefühl, endlich Teil einer Familie zu werden. Natürlich war ich mittlerweile ein wesentlich gefestigter Bestandteil von ihnen, doch gleichzeitig fühlten sie sich aufgrund von meiner Doppelagententätigkeit so verdammt weit weg an. Ich konnte nicht mehr hinrennen, wenn ich es gerne wollte, und bekam Besuch, auch wenn ich es nicht gerne wollte. Es war immer ein heimliches und aufwendiges zu ihnen Schleichen.
„Ich muss zugeben, Las Vegas bei Nacht gefällt mir besser als bei Tag. Jetzt ist es irgendwie vor allem grau", murmelte mir Finn ins Ohr.
„Du warst schon mal hier?", fragte ich neugierig. Bisher hatte er es noch nicht erwähnt, dabei hockten wir seit ein paar Tagen aufeinander. Allerdings waren wir sehr viel damit beschäftigt gewesen, erstmal wesentlich allgemeinere Dinge zu klären, als Orte, an denen wir schon mal gewesen waren. Schließlich hatten wir uns gerade erst kennengelernt.
„Nur für eine Nacht. Abends hin, die Nacht durchgemacht und morgens wieder zurück. Damals hatte ich aber nicht so eine hübsche Begleiterin."
Ich merkte, wie mein Gesicht heiß wurde. In der Spiegelung der Autoscheibe konnte ich beobachten, wie meine Wangen rot anliefen, während mir Finn zuzwinkerte. Ach ja, die blöden Hormone. Sie sorgten wirklich nicht für die besten Reaktionen.
„Seid ihr das erste Mal hier?", fragte Finn uns neugierig, weshalb wir alle drei nickten. Bei Natasha wunderte es mich etwas. Sie konnte so schnell hierherrennen und den Reichen konnte man natürlich sehr gut das Geld aus der Tasche ziehen. Auf der anderen Seite war Caleb immer dafür zuständig gewesen. Na ja, heute würden wir sie auf dem legalen Wege ihres Geldes erleichtern.
„Interessanterweise wollte Marlon mich nicht hier als Gelddruckmaschine einsetzen", gab ich zu. Dabei hätte Natashas Idee genauso gut von ihm stammen können. Wären wir damals nach New York gezogen, hätte er wahrscheinlich meine Fähigkeiten und Las Vegas als gute Einnahmequelle gesehen, wenn es mal in der Bar schlecht lief. Oder einfach wann immer ihm gerade danach war.
„Er hat halt nicht dein volles Potential erkannt", bekam ich die trockene Antwort von Natasha.
„Oder er fand andere Sachen bei unserem Ausflug nach Amerika wichtiger", hielt ich dagegen.
„Das ist auch sehr gut möglich", gab meine kleine Schwester zu. „Wir können ihn nach unserer Rückkehr fragen."
Ich zuckte nur mit den Schultern. Mal sehen, ob es mir in meinem wenigen kostbaren Stunden mit ihm wichtig genug erschien, danach zu fragen. Vermutlich aber eher nicht. Es gab wirklich interessantere Gesprächsthemen.
In diesem Moment bog Caleb nach rechts zu einer Tiefgarage eines Hotels ab. Ich konnte noch einen Blick auf das Gemäuer werfen. Ein luxuriöses Fünf-Sterne-Hotel. Zum Eingang führte tatsächlich ein roter Teppich.
„Hatte ich euch nicht gesagt, wir ziehen meiner Adoptivfamilie kein Geld aus der Tasche?", fragte ich streng. Mir war nämlich sehr bewusst, dass weder Caleb noch Natasha das hier bezahlen konnten. Ich fand es schon sehr nett, dass die Kriegsnymphenfamilie uns diesen Ausflug finanzierten. Da mussten wir nicht in den teuersten Hotels wohnen.
„Wir hatten uns ein günstigeres ausgesucht, aber Marlon meinte, wenn schon Las Vegas, dann richtig Las Vegas. Und dann hat er das Hotel gebucht. Von uns kam auch nicht die Idee mit den Erste-Klasse-Flügen", versicherte mir Caleb, weshalb ich verstehend nickte. Es war keine Lüge und das hörte sich auch nach der Kriegsnymphenfamilie an.
Trotzdem hatte ich ein etwas schlechtes Gewissen, als wir eincheckten. Ich wollte gar nicht wissen, wie teuer dieses Geschenk jetzt schon wieder gewesen ist. Natürlich nagte die Familie nicht gerade am Hungertuch. Sie hatten mit Gold gefüllte Schatzkammern. Jeder alleine verdiente schon genug, um diesen Ausflug zu finanzieren. Allerdings würde ich ihnen gerne etwas dafür wiedergeben. Und das würde ich niemals können.

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