Teil Eins

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Teil Eins

I

„Promontorii instar esse, ad quod fluctus perpetuo alliduntur:

illud autem consisti et circa se maris aestum compescit."

Marcus Aurelius; Selbstbetrachtung, IV, 49.

22. Februar

Graue Wolken zeichneten sich am Himmel über Amiryll, und gelegentlich zeigte sich eine Schwalbe, wie sie tiefer, als gewöhnlich über die Dächer tanzte. Durch das schwere Klopfen der dicken Regentropfen an den fast antiquarischen Fenstern wurde Aemelia aus ihrer tiefen Ohnmacht erweckt. Nur langsam wollten sich die Lieder öffnen, es war der übliche Kampf von Neigung und Pflicht. Der Raum war kalt, die Wände standen sich steif gegenüber, nichts regte sich. Fast hätte sie die wenigen Minuten der Stille genossen. Ihre nächtliche Vigilanz mag der Auslöser der fortlaufenden Perservation, die ihren Geist gelegentlich benebelt, sein oder lediglich ein Akt der Selbstverleugnung, denn Schlaf hätte sie mehr gebraucht als alles Andere an diesem Morgen. Doch gewährte Hypnos ihr diesen Wunsch nicht. Durch das abrupte Aufheulen von Polizeisirenen wurde Aemilia aus ihrem restlichem Schlaf gerissen. ,,Stercus." murmelte sie noch schläfrig vor sich hin. Sie erschrak nicht, es war plötzliche Neugier, die sich in ihr ausbreitete. Der Tag würde lang ersehnte Antworten liefern, dachte Aemilia zumindest. Nachdem sie sich rapide aus ihrem Bett gezwungen hatte, sah sie auch schon die bläulichen Lichter an ihrer Zimmerwand entlang flimmern. Noch etwas irritiert, machte sie sich auf den Weg nach draußen. Ihr Haar war stets ordentlich geflochten, eine Angewohnheit die sie seit ihrem Kindesalter pflegte. Gefolgt von dunkler Kleidung.

Die Verfolgung der Sirenen führte sie zu dem nahegelegenem Fluss, zwischen zwei inzwischen kaum besuchten Straßen. Eine einzige Person hatte sie dort gesehen. Dies war zwar ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass eine Horde von brüllenden Sirenen zuvor durch diese Straßen gerast war, jedoch nicht ungewöhnlich genug, um sie weiter aufzuhalten. Es war ein abgelegener Ort. Umhüllt von Gestrüpp, versteckt vor der Außenwelt. Der nahe gelegene Wald diente der Szene, wie ein Requisit. Unheimlich war die Umgebung. Der Wald war dicht gewachsen, dunkle Baumstämme starrten düster aus ihm heraus. Gelegentlich war ein schauriges Knacken zu vernehmen, es schallte förmlich aus dem Wald. Jegliche Art von Kreatur würde hier ihre Ruhe finden. Das grüne Moos, welches sich dem Boden auf drängte, ragte hinter den Baumstämmen hervor, unentdeckt, als hätte es etwas gesehen, dass es jetzt nicht mehr wagte zu wiederholen. Eine kalte Windböe zog aus dem Wald über den Fluss, eine Bestätigung, hier verweilten nur die Toten. Auf einmal erschein der Fluss aufgewühlt. Aemilia wurde aus ihren Gedanken gerissen. Sie hatte sich im Schutz einiger Baumstämme versteckt, gehockt versuchte sie so wenig Platz wie möglich einzunehmen. Sie war nicht besonders groß, daher durfte ihr diese Aufgabe keine Herausforderung sein. Mehrmals vernahm sie Geräusche hinter sich, ein Knacken oder ein Knarzen. Jedoch nicht laut genug, um ihre Aufmerksamkeit auf das Geschehen hinter ihr zu lenken. Mit langsamen Bewegungen ragte sie hinter den Stämmen hervor, um das Schauspiel zu verfolgen.

Aus der Ferne waren Hunde zu hören. Nach vorsichtiger Observation des Tatorts bemerkte sie, dass einige der Polizisten sich um den abgelegenen Teil des Ufers sammelten. Einer von ihnen schien mit seiner Taschenlampe über die gesamte Fläche, bis er abrupt stehen blieb und sich auf einen Punkt fokussierte. Gefolgt von einem etwas älterem Mann ging er mit schweren Schritten auf die Stelle zu. Sein Blick wurde hart, sein Gesicht wirkte eingefroren. Ein weiterer Polizist eilte zu ihm, auch er verlor mit Schritt ein weiteres Stück seiner Souveränität. Bis er sich langsam die Ärmel hochkrempelte und mit einem starren Gesichtsausdruck die Hände in den Fluss einsinken ließ. Unmittelbar änderte sich seine Komposition, er sah panisch hoch zu den anderen Männern. Diese gaben eine Mischung aus Verwunderung und eilenden flüchtigen Blicken in die Ferne wieder. Eine weitere Sirene war plötzlich in der Ferne zu hören, alle drehten sich in Richtung des ohrenbetäubenden Geräusches. Und so wäre auch fast Aimelias chachette entdeckt worden. Bevor sie die Zeit hat sich zu ducken, wanderten die Blicken wieder zurück zum Ufer. Alles geschah höllisch langsam und zugleich in einem Drang, als suche selbst der Fluss nach Antworten, was sich in ihm verbarg. Augenscheinlich taucht eine Figur an der Wasseroberfläche auf.

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⏰ Last updated: Oct 27, 2023 ⏰

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Mortem in OccultusWhere stories live. Discover now