VI. Beine?

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Der nächste Tag verlief recht ähnlich. Das Frühstück war ruhig, nur war Eric diesmal anwesend, auch wenn er ziemlich hibbelig war. In meinem Zimmer vertiefte ich mich in ein Buch über Meerestiere, bis wir zum Mittag gerufen wurden.

Erst der Nachmittag brachte etwas Neues. Eins der Dienstmägde lief eilig durch den Gang an meinem Zimmer vorbei und ich hörte sie nur sagen, dass sie vielleicht den Jungen gefunden haben. Schnell sprang ich vom Bett auf und ging heraus, um der Magd zu folgen.

Das ist unmöglich, flüsterte eine kleine Stimme in meinem Kopf. Wenn Lashana, die Magd, einen Meermann gefunden hätte, wäre sie panisch hier durch gerannt und hätte sich nicht gefreut. Vor allem würde niemand ahnen, dass ein Meermann der Retter ist. Das macht keinen Sinn. Wahrscheinlich ist es nur irgendein Junge, der zufällig Arielle ähnlich sieht und hoffentlich Eric aus der Obsession, Arielle zu finden, herausholt. Das wäre das Beste für alle.

Ich verstand wirklich nicht, warum Eric ihn finden wollte. Also den Grundgedanken schon, aber morgen sollen beispielsweise alle Kutschen des Landes ausgesendet werden, um ihn zu finden. Ich wiederhole: alle. Das sind verdammt viele und vor allem ziemlich übertrieben.

Nachdem Lashana meinen Bruder geholt hatte, Grimsby im Schlepptau, gingen wir alle in ein kleines Zimmer, das für Besucher gedacht war.

Und ich konnte meinen Augen nicht trauen, als wahrhaftig Arielle vor mir auf der Fensterbank saß. Mit Beinen. Er hatte schicke Klamotten an, an die ich mich erst noch gewöhnen musste. Während Eric näher zu Arielle trat, musste ich aufpassen, dass ich nicht zu schockiert aussah. Wahrscheinlich musterte Eric ihn, um herauszufinden, ob Arielle wirklich sein Retter war.

Arielle sah zuerst nur mich lächelnd an, was mir einen verwirrten Blick von Grimsby einholte, bevor er sich fragend zu Eric drehte.

"Es tut mir leid, was dir passiert ist. Wie heißt du?" Lashana antworte stattdessen. "Er kann nicht sprechen, Sire." Schnell verwandelte sich mein Gesichtsausdruck in Verwirrung. Arielle konnte über Wasser reden, das war noch nie ein Problem. Gehts ihm nicht gut? Und warum zum Teufel hat er Beine?

Erics Schultern sackten ab, als er sich zu Lashana drehte. "Er ... oh." Und jetzt dachte er, dass Arielle nicht sein Retter war, und die Suche ging weiter. Bruderherz, ich besorge dir eine Brille, wenn ich Zeit habe. "Nun, wir sind froh, dass du hier bist. Hast du eine Bleibe in der Nähe? Familie?" Langsam schüttelte Arielle mit dem Kopf. „Dann darfst du gerne hier bleiben. Solange du willst." Dann drehte er sich wieder zu Lashana. "Bringt ihm alles, was er will." "Ja, Euer Hoheit."

Ich sah, wie er sich mit traurigem Ausdruck zu Grimsby drehte und leicht mit dem Kopf schüttelte, bevor er den Raum verließ.

Während die anderen ihm folgten, blieb ich und schloss die Tür, bevor ich mich zu Arielle setzte. "Ich habe vieles erwartet, aber das nicht." Sein leicht überforderter Gesichtsausdruck verwandelte sich in ein sanftes Lächeln, bevor er mit den Schultern zuckte. "Warum kannst du nicht reden?" Er seufzte, bevor er zuerst auf seinen Hals und dann auf seine Beine deutete. "Du hast du Stimme für Beine eingetauscht?" Er nickte, woraufhin ich leicht lachte. "Dann haben wir jetzt die Rollen getauscht. Ich kann unter Wasser nicht reden und du über Wasser."

Er lächelte mich an und nickte. "Tut es weh?" Schnell schüttelte er mit dem Kopf. "Und kannst du schon laufen?" Er hielt seine Hand nach vorne und schwenkte sie etwas, um 'ein bisschen' darzustellen. Vorsichtig stand er auf und ich gleich mit ihm. Er war ziemlich wacklig auf den Füßen, weshalb ich mich vor ihn stellte und seine Arme nahm. Er war ein ganzes Stück größer als ich. Vielleicht so zehn bis fünfzehn Zentimeter. Mit seiner Schwarzflosse ist mir das nie so wirklich aufgefallen.

Vorsichtig nahm ich einen Schritt nach hinten, während er nach vorne ging. "Genau, ein Schritt nach dem anderen. Du machst das super." Als ich zu ihm hochsah, lächelte er mich an, mit einer Emotion in den Augen, die ich nicht ganz lesen konnte. Anerkennung? Nein. Zuneigung? Vielleicht in die Richtung. Ich lächelte nur zurück. "Du machst das wirklich gut für einen Anfänger."

Als hätte ich es heraufbeschworen, knickte er um, versuchte sich wieder aufzufangen und brachte uns bei dem Versuch nur beide zu Boden. Mir wurde ganz warm, als ich bemerkte, wie nah er mir war und auch er schien ein wenig rot um die Nase zu werden, bevor er sich aufsetzte und seinen geschockten Blick in einen entschuldigenden verwandelte. Er zog die Hände defensiv vor sich und lächelte dann unbeholfen.

"Schon okay. Ist ja keinem was passiert. Das müssen wir definitiv noch üben." Er nickte, während ich mich aufsetzte. Vorsichtig stand er vom Boden auf und setzte sich wieder auf die Fensterbank.

"Soll ich dir eigentlich mal was zu essen holen? Du musst bestimmt Hunger haben." Arielle schielte kurz zur Seite und ich folgte seinem Blick, nur um den aufgehängten Fisch, der auf einem Mosaik abgebildet war, zu sehen. Ich rümpfte die Nase, bevor ich mich wieder zu Arielle drehte.

"Ich habe eher an Früchte gedacht oder ein wenig Brot." Beim letzten Wort zog er fragend die Augenbrauen zusammen. "Das ist auch etwas zu essen. Aus Getreide. Das sind sozusagen Pflanzen, die hier wachsen und daraus machen wir dann Brot."

Arielle nickte als Antwort und ich verließ den Raum, um mich auf meinen Weg in die Küche zu machen.


Abgetaucht (m. Arielle - Arielle, die Meerjungfrau)Where stories live. Discover now