𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟖

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Die Sonne war noch nicht einmal richtig hinter dem Horizont aufgegangen, als Will am nächsten Morgen aufgeregte Stimmen hörte.

«Land in Sicht!»

Der junge Turner schlug verwirrt und schlaftrunken seine Decke zur Seite. Was war da los? Sein Kopf brummte und er sah nichts anderes als Jacks stürmische Augen, die ihn letzte Nacht angefunkelt hatten.

Mit einem verschwommenen Blick zog er seine Stiefel an und torkelte gähnend an Deck. Zwei nervös wirkende Matrosen standen an der Reling.

«Mister Turner», sagte der eine,

«Wir haben soeben Land gesichtet», sagte der andere.

«Laut der Karte», murmelte der Erste,

«Ist es die Insel, auf der die Quelle liegt», flüsterte der Zweite aufgeregt.

Wills Blick war immer noch müde und er verstand nicht, was ihm die beiden sagen wollten. Kleine Sternchen kamen in sein Blickfeld und er musste einige Male blinzeln, damit sie wieder verschwanden.

Stöhnend richtete er sich an die jungen Matrosen.

«Was ist los?»

Der Matrose mit dem auffälligen roten Hemd konnte sich kaum halten. Dass jemand nicht kapiert hatte, was so Wichtiges passiert war, jagte ihm die Sicherungen durch.

«Seht doch, Mister! Da vorne!», kreischte er. Für Will klang der Matrose wie Cottons Papagei, wenn er nicht genug Brotkrümel bekam. Das war wohl auch der Grund, wieso er keines der Worte verstand.

Der zweite Matrose versuchte es dann endlich mit etwas ruhigeren Worten.

«Mein Freund und ich haben die Insel gesichtet.», sagte er und deutete abermals auf den einzigen Fleck weit und breit, der sich vom blauen Meerwasser abhob.

Endlich drehte Will seinen Kopf zur See. Und was er da sah, liess ihn erstaunt aufkeuchen.

Eine grosse Insel baute sich mitten im klaren Ozean auf. Sie war kaum mehr eine halbe Meile entfernt.

«Jemand muss den Captain rufen!», rief Will nun hektisch. Doch bevor er sich umdrehen konnte, spürte er schon, wie von hinten Hände um ihn gelegt wurden. Wie in Zeitlupe knöpften sie Wills Hemd richtig zu. Dass sich hier noch zwei weitere Matrosen aufhielten, war ihm wohl egal.

«Der Captain ist schon da», flüsterte Jack ganz nah am Ohr des jungen Turners. Dann löste er sich so schnell, wie er gekommen war und streckte sein Fernglas in Richtung der Insel aus.

Will spürte immer noch den heissen Atem von Jack an seinem Ohr, als er sich schliesslich etwas zitternd neben diesen stellte.

Unsicher blickte er ihn von der Seite an. Die Lippen des Captains sahen zum Anbeissen aus und als er sich zu Will umdrehte, spürte dieser, wie sich die Gänsehaut langsam einen Weg über seinen ganzen Körper bahnte.

«Prächtiger Tagesanfang, nicht wahr?» Jack inspizierte zufrieden den Sand und die Büsche, die sich am Ufer der Insel aufbauten. Je näher die Crew kam, desto mehr spürte sie eine magische Kraft, die von der Insel ausging. Als würde sie sie anziehen. Eine gewisse Anspannung lag in der Luft, als sie schliesslich auf den Captains Befehl hin alle von Bord in den warmen Sand sprangen.

Die Blicke glitten neugierig über die dichten Dschungelpflanzen, die magisch ineinander hineinwuchsen, bis zu den farbigen Vögeln, die ihre Schnäbel von keinem exotischen Insekt lassen konnten. Einen Weg konnten die Piraten nicht entdecken und so mussten sie sich einen durchs Gestrüpp bahnen.

Jack machte den Anfang und wagte sich ins Innere des Urwaldes rein. Dicht gefolgt kamen die ersten Matrosen, unter denen sich auch Will befand. Die Szenerie war gespenstisch. Nicht nur die tropischen Geräusche liessen bei den Matrosen das unheimliche Gefühl von Zauberei aufkommen, sondern auch die Atmosphäre, die leuchtete und funkelte. Ob das Einbildung war, war schwierig zu sagen.

Immer dichter wurde es, je weiter sie nach innen vordrangen. Mittlerweile war es schwierig, mit blossen Händen das Gestrüpp zur Seite zu biegen und einige nahmen ihre Schwerter zu Hilfe.

Die meisten hatten keine Ahnung, was sie erwarten würde. Es sprach sich aber schnell rum, dass sie vermutlich nicht allein sein würden. Die Spanier waren ihnen schon lange auf den Fersen. Und die Royal Navy auch. Es war nur noch unklar, welche Ziele die beiden Mannschaften hegten.

Was aber vermutlich alle mitbekommen hatten, war, dass sie eine Meerjungfrau gefangen bei sich trugen, weil sie ihre Träne brauchten, um den Trank der Quelle wirksam zu machen.

Jack leitete die ganze Crew sicher durch den Urwald. Will sah immer sein rotes Kopftuch vor sich, das einige Kleckse und Falten hatte. Irgendwann wurde es so heiss, dass der Captain seine Jacke auszog und nur noch im kurzärmligen Hemd weiterlief. So hatte der junge Turner perfekten Blick auf seine Oberarme.

Will war so damit beschäftigt, Jack anzustarren, dass er gar nicht merkte, wie sie bei einem grossen Felsen halt machten. Vielen Piraten lief der Schweiss von der Stirn und sie versuchten, sich unter grossen Bäumen vor der Sonne zu schützen.

«Hier ist es», flüsterte Jack beinahe unverständlich. Seine Augen glitzerten aufgeregt und Will musste schmunzeln, als er darin kindliche Begeisterung zu entdecken glaubte.

«Hier ist es!» Jetzt war seine Stimme klar und deutlich zu hören, und sogar diejenigen, die eben noch dabei gewesen waren, sich mit Baumblättern Luft zuzufächeln, wandten ihren Blick aufgeregt zum Captain. Dieser Bedeutete ihnen allen, ihm zu folgen und stieg dann entschlossen durch einen Felsspalt hinab. Dort unten war also diese berüchtigte Quelle der ewigen Jugend. Jack braucht diesen Trank doch gar nicht. Er wird immer jung und schön bleiben, dachte Will sehnsüchtig. 

Stürmisch wie die See II Pirates of the CaribbeanWhere stories live. Discover now