Er drehte sich nicht um. Bei jedem seiner Schritte, mit dem er sich weiter entfernte, hallte es stählern. Das Geräusch dröhnte schmerzhaft in ihren Ohren.

Sie konnte nicht mehr. Sie war mit den Nerven am Ende. Wohin brachte er den Phönix? Sie lehnte sich an die Wand hinter ihr, sie war kalt, und ließ sich langsam mit dem Rücken daran heruntergleiten, bis sie schließlich den harten Untergrund unter sich spürte. Ihre hinter dem Rücken gefesselten Hände waren klamm, und als sie die Finger so gut es eben ging bewegte, schnitt ihr das Seil schmerzhaft in die Handgelenke. Bei dieser Grabeskälte hier unten hole ich mir sicher eine Erkältung, dachte sie und schalt sich selbst anschließend direkt einen Trottel. Sie ahnte, dass die Zukunft nicht nur eine harmlose Erkältung für sie bereithielt.

Es dauerte keine zehn Sekunden und die vier Scuros hatten sich vor ihr aufgebaut, breitschultrig und großmäulig. „Los, hoch mit dir! Herumgammeln kannst du auch woanders!"

„Ich würde sehr gerne woanders herumgammeln! Das wollte ich nur mal klarstellen", entfuhr es ihr.

„Jetzt wird sie auch noch frech!" Rabiat zog einer sie an der Schulter hoch. Sie stolperte.

„Rotzlöffel! Magnus wird dir den Kopf waschen, wirste schon sehen. Er findet ja sowieso, dass du ..."

„Rede nicht so viel, Ron!", unterbrach ihn ein anderer. „Wir müssen noch alles vorbereiten, die Geräte einstellen, den Vogel vermessen,... Bringen wir die Göre zum Käfig."

Kurz streifte Kira der Gedanke, dass Albiel sie schon wieder niedermachen würde, wenn er sie jetzt sähe. Ohne den Phönix, gefesselt, hilflos und von Scuros umringt. „Typisch, keinerlei Eigeninitiative!", würde er sagen und unverschämt mit den Augen rollen. Egal, ihr Ziel war, hier mit dem Leben davonzukommen, das wäre doch schon mal etwas. Und Chancen hatte sie, denn wenn sie sie hätten töten wollen, hätten sie es sicher schon längst gemacht.

Ein Geräusch unten in der kreisförmigen Halle drang zu ihnen herauf und sie reckte den Kopf.

Lian war unten angekommen. Er stand am Käfig, betrat ihn mit Phoe im Arm und sie sah voller Entsetzen zu, wie er den Vogel an einer eigens dafür vorgesehenen Halterung fixierte. Der arme Phoe stieß wilde Schreie aus und flatterte wild mit dem unverletzten Flügel. Kira spürte einen Knoten im Magen. War dies das Ende des Phönix'? Hatte sie versagt und die Scuros würden ihn jetzt gleich auf irgendeine verquere, kranke Art mit ihren Geräten und Kabeln umbringen? Verzweifelt versuchte sie, eine gedankliche Verbindung mit Phoe herzustellen, doch sie konnte ihre Gedanken ja kaum selbst sortieren und spürte auf Seite des Vogels nur helle Aufregung, Schmerz und Angst.

Da verlor sie die Beherrschung. Während sie hier stand, gefesselt und in Schach gehalten von diesen fiesen Kerlen, quälte Lian dort unten den Phönix!

„Lass ihn sofort los!", brüllte sie zu ihm hinunter und erschrak selbst über die Lautstärke ihrer Stimme. Durch den zylinderartigen Bau der Halle wurde sie um ein Vielfaches verstärkt. Der Feuervogel kreischte besorgniserregend, während er in seinen Fesseln hing. Es war schrecklich, mitanzusehen, wie er erfolglos versuchte, Lians Griff zu entkommen.

„Ein Scheusal bist du, Lian!", schrie sie. „Du quälst den Feuervogel, das merkst du doch! Du bist ein verdammter Bulldozer, der alles niedermäht, was er vor der Schnauze hat! Lass ihn los!!!" Sie schluchzte. Die Wände warfen ihre Stimme zurück. Es hatte geklungen, als hätte sie in eine Schlucht gerufen. Zu allem Überfluss fühlte es sich auch so an, als stehe sie an einem Abgrund. Im wörtlichen und bildlichen Sinn.

Als plötzlich das laute Quietschen der Eingangstür zu hören war, riss sie den Kopf herum.

Magnus war eingetreten. Die Hände in die Seiten gestemmt und mit ausdruckslosem Lächeln betrachtete er die Szenerie. Hinter ihm schob sich eine ganze Legion Scuros vorbei. Es mussten an die fünfzig sein. Ein Knoten hatte sich in ihrem Hals gebildet.

Im Schatten des PhönixWhere stories live. Discover now