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Als du mir begegnetest, war ich 41 Jahre alt. Zu jung um zu sterben und zu krank um zu leben. Also tat ich, was ich am besten kann. Ich betrachtete meine Optionen.

Die Brust nicht entfernen zu lassen, war keine. Du hattest dich zu breit gemacht mit einem zweiten Tumor in der Nähe der Herzwand und deinem Streugut in den Lymphknoten. Sie hat nie viel gewogen, trotzdem fehlte sie mir. Nicht nur für die Psyche, auch als Gegengewicht für die verbleibende Seite. Bei Frauen, die stärker bestückt sind, als ich, kann das zu regelrechten Haltungsschäden führen. Also, egal wie - es musste ein Ersatz her.

Die Frage war nicht ob. Die Frage war wann und in welcher Form. Es gab so viel zu bedenken und zu entscheiden und dagegen stand so viel Angst, wie sie kaum auszuhalten war. Aber die Angst über mein Leben bestimmen zu lassen, war keine Option. War es noch nie und das wollte ich auch jetzt nicht zulassen. Also nahm ich mein Notizbuch zur Hand, erstellte eine Liste mit Für und Wider und horchte in mich hinein.

Ich wollte so viel „Frau sein" zurück haben, wie möglich. Bis zu diesem Zeitpunkt, als ich meine Brust verlor, war sie eigentlich nie wirklich wichtig für mich. Ich habe mich nicht in meinem „Frau sein" über dieses Organ definiert. Sie war halt einfach immer nur da, seit meiner Jugendzeit und nun nicht mehr. Ich wollte sie zurück. Wusste, dass ich das nicht haben kann. Ich konnte aber auch nicht entscheiden, was ich wollte.

Ich wusste, was ich nicht wollte. Ich wollte nicht für den Rest meines Lebens täglich meine Brust an- und abschnallen. Die Alternativen waren aber mit so vielen Risiken behaftet, die ich mir gesundheitlich nicht leisten konnte. Aber da waren auch mein Gefühl und die Frage verbunden mit der Angst, was ich Karl-Peter zumuten konnte. Ich drehte mich im Kreis und das ganze unter Zeitdruck. Die Chemotherapie musste begonnen werden.

Ich habe dich gehasst. Dafür, dass du mein Leben bedrohst und völlig auf den Kopf gestellt hast. Zugegeben, das waren jetzt ziemlich viele ich's. Ein Zustand, den ich nur ungerne für mich in Anspruch nehme. Aber du bist auch sehr persönlich geworden. Du hast mich angegriffen und mein Umfeld damit ebenfalls aus der Bahn geworfen. Trotzdem ist es immer noch mein Zimmer gewesen, das du besetzt hieltest. Es gibt Entscheidungen im Leben, die muss man ganz alleine treffen. Man kann sich beraten und besprechen, – aber entscheiden, muss man sie alleine. Schön, wenn es Menschen gibt, die einen auf dem Weg begleiten. Ich hatte sie - und das war mein Glück.

Drei Schlüsselmomente und drei Männer später konnte ich mich entscheiden.

Hallo Mister Krebs - Ich lebe nochWo Geschichten leben. Entdecke jetzt