„Das ist mir bewusst, Ella!"

„Wirklich? Ich glaube nicht. Du weißt nicht, welche Ausmaße es annehmen kann, wie ... fordernd der Kampf gegen die Dunkelheit in mir ist. Du hast keine Ahnung. Du verdienst es, dass die Frau an deiner Seite nicht nur mit sich und ihren Problemen beschäftigt ist, sondern dir Raum gibt. Aber ich kann das nicht. Nicht im Moment und ich weiß nicht, ob ich ... wenn ... ich kann nicht abschätzen, ob ich es irgendwann überhaupt wieder kann." Jetzt brach sich der Damm und sie fing an zu schluchzen.

„Natürlich wirst du das, Sunny. Es ... ist ... nur eine Phase." Er hasste sich, dass seine Stimme gerade in diesem Moment so unsicher und brüchig klang. Das war nicht beruhigend. Er wollte sie doch aber in Sicherheit wiegen.

Sein Herz trommelte noch heftiger gegen sein Brustbein und er griff nach ihrer Hand. Sofort verschränkte er seine Finger mit ihren, um ihr zu zeigen, was er meinte, Ella sah ihn jedoch mit so viel Angst und Trauer in ihrem Blick an, dass ihm die Luft wegblieb. „Ich wünschte ... aber es geht nicht. Ich kann nicht ... ich will ... ich kann nicht. Ich kann einfach nicht. Es geht nicht. Ich kann nicht. Ich ... Geh. Bitte, Ben. Geh."

Automatisch schüttelte er den Kopf. Er wollte sie nicht allein lassen. Lieber wollte er ihr zeigen, dass sie jedes Hindernis aus dem Weg räumen konnten. Doch das schien sie noch mehr aufzuregen. Zumindest steigerte sich das Piepen des Monitors zu einem forte fortissimo und da, wo vorher nur Angst gewesen war, zeichnete sich nun Panik ab. „Ella, beruhig dich. Du ... ich verspreche dir, dass wir das hinbekommen ... ich..."

„Es war ein Fehler. Gestern zu dir zu fahren. Ich hätte ... ich hab dir wehgetan. Ich hätte dir nicht sagen sollen, was ich mir wünsche. Denn ich kann es dir gar nicht geben. Jetzt denkst du, wir hätten eine Chance. Aber wir haben keine. Es tut so weh. Alles, was hätte sein können und doch nicht geht. Ich kann nicht ... Bitte, Ben. Du musst gehen."

Sie wird sich nicht beruhigen. Nicht, solange ich da bin. Das Geräusch des Monitors fräste sich mittlerweile in sein Gehör, sodass es ein Wunder war, dass nicht schon Blut aus seinen Ohren lief. Also kapitulierte er. Er hatte sie verloren. Nicht, wegen ihrer Kinder, so wie er das befürchtet hatte. Auch nicht aufgrund des Fakts, dass er keine zeugen konnte. Sondern an die Dunkelheit, in die das Licht des Regenbogens nicht fallen konnte.

Er löste seine Finger von ihren und erhob sich. Alles in ihm sträubte sich, als er sich zu ihr beugte und ihr einen Kuss auf die Wange drückte, die nach dem Salz ihrer Tränen schmeckte. Dieser Kampf war verloren. „Mach's gut, Ella. Du schaffst das, ok? Irgendwann kannst du das Licht wieder sehen. Ich weiß es."

Die Erleichterung auf ihrem Gesicht stach wie ein Dolch in seine Eingeweide und verknotete sein schmerzhaft wummerndes Herz mit seinem Magen. Er wunderte sich fast, dass er sich aufrechthalten konnte, als er einen Fuß vor den nächsten setzte, um den Raum zu verlassen. Kurz bevor er die Tür schloss, bemerkte er, dass ihr Puls sich etwas beruhigt haben musste. Zumindest war das Piepen des Monitors jetzt weniger durchdringend und langsamer.

Wenn das mal kein Beweis ist. Er wandte sich nach rechts und zwang sich, nicht wieder kehrtzumachen, sondern einen Fuß vor den nächsten zu setzen, um den langen nüchternen – ebenfalls beigen – Krankenhausgang entlangzuschlurfen. Als er vorm Aufzug stand, öffnete dieser sich gerade und er prallte in Juliana.

„Ben? Gehst du?" Wie konnte sein Name so viel Unglauben ausdrücken, fragte er sich automatisch und räusperte sich. Für Tränen war später Zeit, wenn er sich eingestand, dass die Zukunft, die er sich im Geheimen wünschte, wieder nicht eintreten würde.

„Ja. Sie ... Ella ... sie ... will mich nicht in ihrem Leben." Jetzt ruckten Julianas Augenbrauen hoch und sie schaute betreten zu Boden. Was noch mehr schmerzte. Er wollte sich an ihr vorbeidrücken und das Feld räumen, als ihm einfiel, dass Ellas Freundin mit ihm mitgefahren war. „Ich warte dann in der Cafeteria."

„Du gibst wirklich auf?!"

„Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?"

„Um sie kämpfen?! Du hast mir doch vorher erklärt, du liebst sie..."

„Das tue ich! Ich ... sie hatte gerade fast eine Panikattacke. Ich ... dafür will ich nicht verantwortlich ..."

„Oh super. Zwei Schisshasen, die sich lieben und trotzdem keinen Weg finden, wie sie langfristig ihre Gefühle ausleben können. Dass Ella gerade überfordert ist, verstehe ich. Diese Störung ist eine verdammte Bitch. Aber es überrascht mich, dass du kapitulierst, wenn die Depression aus ihr spricht. Statt ihr zu zeigen, dass du sie lieber als Freundin in deinem Leben hast, als gar nicht. Denn Freundschaft kann sie geben. Das wird sie müssen, weil weder Sarah oder ich werden uns wegschicken lassen. Na ja, hier sind deine Autoschlüssel. Ich hab Manni angerufen, er holt mich nachher ab. Danke für den Fahrdienst."

Ihm entglitten seine Gesichtszüge, als Juli sich kopfschüttelnd abwandte und in Richtung Ella stapfte. Darüber muss ich nachdenken, dachte er und bemerkte plötzlich, dass er wieder Luft bekam. Wann war ihm der Sauerstoff ausgegangen?

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Rainbow Clouds - Weil Sonne und Regen sich vereinenWhere stories live. Discover now