„Woher weißt du, dass wir verfolgt werden?", fragte sie ihn. Irgendetwas belastete ihn. Verfolger? Aber es war niemand zu sehen!

Lian verzog das Gesicht und presste die Lippen aufeinander. „Aus sicherer Quelle. Was ist passiert, Kira?"

Sie gab sich einen Ruck. „Zurzeit passiert mir so Einiges, was einem in einem normalen Leben eigentlich nicht passiert. Erstmal ist mir ein Vogel zugeflogen. Du weißt ja, dass ich Vögel eigentlich nicht mag, aber er war verletzt und das hat es irgendwie verändert. Und dann wurde auch noch bei mir eingebrochen. Ich muss dir das ein andermal im Detail erklären."

Er schaute finster drein. „Spar dir deine Erklärungen. Wenn du es mir nicht sagen willst, ist das eben so. Wie gesagt, jeder hat seine Geheimnisse."

Ihre Hände verkrampften sich. Er hatte sie missverstanden. Sie wollte es ihm ja erklären, nur nicht alles. Noch nicht. Nicht jetzt.

Lians Blick ging prüfend über die Thermenanlage. „Kommt!", sagte er. Sein Gesicht zeigte keine Regung. „Wir müssen hier so schnell wie möglich weg, eure Verfolger werden sicher bald hier sein." Er wies auf die Thermenanlage hinter der Mauer. „Auf dem Gelände kenne ich mich aus." Schon lief er ein paar Schritte voraus die Mauer entlang.

Kira fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Er verhielt sich ja geradezu grob! „Jetzt warte doch mal! Denkst du nicht, du schuldest uns eine Erklärung? Wen hast du gesehen? Woher weißt du von den Verfolgern?"

„Keine Zeit", brummte er nur.

„Warum fahren wir nicht einfach mit deinem Wagen weg?" Joella stand der Missmut ins Gesicht geschrieben.

„Es ist ein Zweisitzer", sagte er schroff. „Aber du kannst gerne vorne auf die Motorhaube sitzen." Kiras ungutes Gefühl verstärkte sich. Warum war er so abweisend?

„Ich kenne auch nicht jedes Auto im Detail", verteidigte sie Joella, die etwas säuerlich dastand. „Und wenn du wegen irgendetwas gereizt bist ... Bei mir läuft es gerade ... naja, ... auch nicht optimal."

Lian ließ ein Grunzen hören, „So ist das Leben", sagte er und Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit. „Man hat einen Plan, dann kommt alles anders und am Ende muss man doch ..." Er verstummte.

Kira sah Joella verwirrt an. Die zuckte nur die Achseln.

Sie waren am Ende der Mauer angekommen, die hier von einem hohen Zaun abgelöst wurde. Lian schlüpfte durch einen schmalen Spalt zwischen Zaun und Mauer und wandte sich kurz zu ihnen um. „Wir können hier nach unten auf die Rasenfläche der Therme klettern. Dann sind wir erst mal weg von der Straße ..."

„Was muss man?", rief Kira zu Lian, doch er drehte sich nicht mehr um und machte nur eine genervte Bewegung mit der Hand. „Nichts", knurrte er übellaunig. „Kommt ihr jetzt?"

Lian eilte ihnen voraus. Mit langen Schritten stürmte er über die Rasenfläche der Thermenanlage und Kira und Joella folgten ihm widerwillig.

Verzweifelt dachte Kira an den schlafenden Phönix im Holunder. Er würde hoffentlich erst später aufwachen. Dann würde er davonfliegen, hoffentlich in die Freiheit. Nur musste er den Krähen entkommen. Wenn es ihm gelang, aus der Stadt zu entkommen, wäre er fürs Erste in Sicherheit. Sie würde nach ihm suchen, das schwor sie sich. Immer wieder warf sie einen besorgten Blick in die Luft hinauf, doch Phoe war nicht zu sehen. Umso besser, dachte sie. Lians seltsames Verhalten trug nicht gerade dazu bei, dass sie ihm jetzt einen goldenen Vogel hätte erklären wollen.

Die Sonne stand hinter ihnen und Lians Schatten, schmal und lang wie ein zu dünn geratener, unförmiger Riese, schwankte vor ihnen auf dem kurzgemähten Rasen her und her. Sie hatten Mühe, ihm zu folgen. Er hetzte über die Anlage, sprang hier ein paar Stufen hinunter, schlüpfte dort unter einem Absperrband durch und steuerte wie ein wilder Teufel an Ausgrabungsgräben und kleinen Überdachungen vorbei. Wo wollte er hin?

Im Schatten des PhönixNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ