𝟔.𝟐 | 𝐕𝐨𝐧 𝐊𝐫𝐢𝐞𝐠 𝐮𝐧𝐝 𝐅𝐫𝐢𝐞𝐝𝐞𝐧

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Lisitsyn und die Zarin ... Es stimmte also? Bittere Galle der Enttäuschung trat in ihm hoch und er konnte sich der Anklage nicht erwehren. Bisher hatte der Fürst sich nicht vorstellen wollen, dass Valentin sein rücksichtsloses Spiel auch hinter den Mauern des Zarenpalastes trieb. Doch wie es schien, hatte er sich damit gewaltig getäuscht – sowohl im Grafen als auch in der Herrscherin.

Dass die Ehe in höheren Kreisen wie in den meisten Ländern rein politisch war und nichts Ehebruch untersagte, tat weder Tratsch noch vernichtenden Skandalen einen Abbruch. Kein Richter fällte ein grausameres Urteil als die velische Gesellschaft und keiner tat es mit einer solchen Unberechenbarkeit. Üblicherweise scherte sich Draganov nicht um dieses gesellschaftliche Possenspiel, aber hier ging es um das Ansehen der Zarenfamilie und damit um Velija. 

Du solltest nicht hier sein!, riss Mikhail sein Verstand in die Realität zurück, in der er ungebetener Zeuge einer Szene wurde, die ganz gewiss nicht für seine Ohren bestimmt war. Das Bewusstsein gerade das Zarenpaar in einem privaten Streit wie einer dieser nach Ondits hungrigen Voyeure zu belauschen, legte sich wie ein ekelhafter Geschmack auf seine Zunge und Schmutz auf seinen Körper. Er musste hier weg.

Diesmal folgte längeres Schweigen aus dem Raum, nicht einmal vom leisesten Geräusch unterbrochen, so dass sich jeder von Mikhails Schritten ohrenbetäubend laut auf dem Marmorboden hätte anhören müssen. Selbst, wenn er gewollt hätte: Jetzt konnte er nicht gehen. Nicht ohne seine Anwesenheit zu verraten.

Dann erhob die Zarin abermals ihre Stimme, ohne das vorherige Feuer, sondern matt und leise, so dass Draganov die Worte kaum noch verstehen konnte: „Hat es etwas mit mir zu tun?"
Gerasim Chervenkov entkam ein langgezogenes Seufzen. „Mitunter, ja."

„Wie konntest du...? Ich dachte, wir wären...Partner. Für unsere Kinder, für alte Zeiten, für Velija. Ich habe mich nie eingemischt, mit wem du dich umgibst, dir nur das Beste gewünscht, solange..."

Mikhail wusste nicht, ob es ein unterdrückter Schluchzer war, in dem Setenays Worte untergingen oder bloß abermals das Rascheln ihrer Röcke, das ihrer Bewegungen verriet.
„Aber mir geht es um dein Bestes, Seti. Um das aller."

Vorsichtig trat Mikhail von der Tür zurück, Schritt für Schritt, achtsam keinerlei Geräusch von sich zu geben und so unbemerkt und schnell wieder von der Szene zu entfernen, wie er hineingestolpert war.

„Ich verstehe nicht..."
„Bei Kresnik, hältst du mich für blind? Ich habe nichts an unserer Abmachung gebrochen. Weißt du noch, wie sie lautete?", das erste Mal erhob der Zar seine Stimme, ohne jedoch den wohlwollenden, warmen Klang zu verlieren.

„Jeder geht seiner Wege. Keine Intervention, außer es geht um die Kinder oder das Reich", wiederholte sie stumpf.
„Genau. Ich mag Valja. Ich zähle ihn nicht weniger zu meiner Familie als jene, deren Blut ich teile. Aber sein Ruf eilt ihm Voraus und ich höre ganz genau, was man über ihn, über euch redet", fuhr der Zar fort und Mikhail spürte Zorn und Enttäuschung gegenüber Lisitsyn und die Zarin abermals aufkochen.

„Reden, reden, reden – das ist alles was ihr hier könnt, oder? Der Hof von Finience betet, der von Te'gredem kämpft, der von Kellichen tanzt, wenn sie sich nicht grade gegenseitig bekriegen, und Velijas ... Velijas Hof redet." Aus jedem einzelnen der Worte Setenays schien Gift zu triefen. „Was kümmert mich, was irgendwelche Leute sprechen? Sollen sie doch. Sie tun es ja ohnehin, ob mit oder ohne Anlass und immer mit den niederträchtigsten Absichten. Wenn du wüsstest, wie sehr ich Altingrad hasse, Gerasim. Und jetzt nimmst du mir das Einzige, was es mir erträglich gemacht hat."

„Setenay..." Schritte auf schwerem Teppich verrieten, dass sich der Zar erhoben hatte und auf seine Frau zuging. „Bitte verzeih mir, aber ich hatte keine andere Wahl. Nicht nur für Velija wegen irgendwelcher Gerüchte; auch für dich. Denkst du, ich merke nicht, wie du ihn ansiehst? Wenn ich eines weiß, dann dass es kein grausameres Schicksal gibt, als sein Herz an Valentin Lisitsyn zu verlieren. Er weiß mit so fragilen Dingen nicht umzugehen. Ich konnte nicht warten und zusehen, bis er es dir bricht."

Slaves of WarWhere stories live. Discover now