Die Atmosphäre war locker und entspannt, hin und wieder flogen Schmetterlinge vom helllila blühenden Sommerflieder vorbei und Mammina begann von Sizilien zu erzählen.

Nichtsdestotrotz stellte Kira fest, dass in der überschwänglichen Gastlichkeit ihrer Mutter heute etwas Zurückhaltend-Behutsames lag und es in ihren Augen immer wieder argusäugig aufflackerte. Sie merkte, wie Mammina ihre mütterlichen Tentakeln über Lian gleiten ließ, als sie ihn nach seinem Studium und seinem Berufswunsch fragte. Es war, als spüre sie, dass da mehr als bloße Freundschaft zwischen ihm und ihrer Tochter war. Wahrscheinlich würde sie gerne auch noch seine inneren Werte und Überzeugungen in Augenschein nehmen, durchzuckte es Kira, die sich von ihrer Mutter zunehmend beobachtet fühlte. Mamminas Einbildungskraft konnte manchmal so überreizt sein wie die einer vor einem Mauseloch liegenden Katze, das wusste sie. In Pompeji hatte sie absurde Ängste um sie ausgestanden – und jetzt überlegte sie wahrscheinlich, ob Lian Verbindungen zur Mafia oder aber ein Serienmörder oder beides war. Kira fragte sich ob Joellas Mutter wohl auch so reagierte, wenn sie Jungs mit nach Hause brachte. Sie konnte es sich nicht vorstellen.

„Wir müssen jetzt wirklich los", sagte sie deshalb nach einer Weile ungestüm und stand auf. Lian folgte ihr bereitwillig. Sie würde ihn später fragen, ob er die Fragen ihrer Mutter als sehr nervig empfunden hatte.

„Wollt ihr vielleicht noch ein paar Apfeltaschen mitnehmen? Lian kann sie mit mir zusammen in der Küche einpacken, das ist schnell gerichtet!", flötete Mammina, und Lian warf Kira einen etwas überforderten Blick zu.

Grazie, Mammina, aber wir haben uns schon dumm und dusselig daran gegessen!" Kira lachte, verspürte jedoch auch einen Anflug von Ungeduld. Mammina war unmöglich! Merkte sie nicht, dass sei es mit ihrer herzlichen Leutseligkeit etwas übertrieb und sie loswollten?

Der Petrisberg lag östlich der Stadt. Die Sonne strahlte warm von einem blassblauen Himmel, an dem hübsche kleine Schleierwölkchen wie gemalt hingen, als sie den Fußweg hinaufliefen, der sich zwischen Weinbergen und Schafweiden den grünen Hügel hinaufschlängelte. Der milde Duft von Ginster und gemähtem Gras lag in der Luft. Sie ließen das Amphitheater hinter sich und liefen scherzend und lachend immer weiter bergan.

„Mit welcher markanten Eigenschaft würdest du deine Mutter beschreiben, wenn du nur eine einzige nennen dürftest?", fragte Lian mit einem Augenzwinkern.

„Puh ... was stellst du eigentlich für verflixt schwierige Fragen?", entgegnete Kira. Auch wenn sie sich beschwerte – genau genommen liebte sie solcherlei Fragen.

„Wahrscheinlich Neugier, würde ich sagen", grinste sie.

„Dann hast du das Forschenwollen vielleicht von ihr, oder?"

„Hm, keine Ahnung, darüber habe ich noch nie nachgedacht. Mammina erforscht eher die menschliche Psyche, glaube ich."

Lian kräuselte die Nase. „Ups, dann hoffe ich mal, dass ich den Test bestanden habe", brummte er.

„Und mit welcher signifikanter Eigenschaft würdest du mich bezeichnen?", fragte Kira mit einem verschmitzten Seitenblick.

„Ich schaffe es nicht, dich auf eine einzige runterzuschrauben. Aber ich glaube, ich sehe dich in etwa so wie deine Mutter dich sieht." Ein verschmitzter Blick traf sie.

Enttäuscht sah Kira ihn an.

„Du bist eine Scirocco-Prinzessin: hübsch, quirlig und sehr zielstrebig. Ein heißer Feger, wenn man es mit den Worten des Windes beschreiben will." Er schaute sie mit einem Blick an, in dem außer Schalk auch die Unsicherheit stand, ob sie diese Formulierung guthieß.

Im Schatten des PhönixWhere stories live. Discover now