Kapitel 7

7 1 0
                                    

„Komm schon, Dad..."

„Nein, Liam. Und ich möchte keine weitere Diskussion darüber führen müssen. Es wurde bereits alles zu dem Sachverhalt gesagt, was gesagt werden muss. Und überhaupt: Müssten sich auf deinem Schreibtisch nicht die Akten stapeln?"

Das war unverkennbar ein Wink mit dem Zaunpfahl. Mein Vater wollte nicht länger über das Thema sprechen und ich sollte mich gefälligst wieder verziehen. Warum war unser Vater-Sohn-Verhältnis nur so verkorkst? Ich kannte niemanden, dessen Vater seinem Sohn die einfachsten Dinge verschwieg. Ich gab es zwar nicht gerne zu, aber es verletzte mich, dass ich mir scheinbar so wenig vertraute.

Louis sagte immer, dass das alles mit dem Tod meiner Mutter zusammenhinge. Damit hatte er mit Sicherheit nicht ganz Unrecht. Während andere Familien durch den Verlust einer geliebten Person enger zusammenrückten, schienen wir nur immer weiter auseinander zu driften und drohten uns bald ganz zu verlieren.

Dennoch: mein Vater war auch verschlossen und streng gewesen als meine Mutter noch gelebt hatte. Und der Schicksalsschlag hatte dieses Verhalten nur noch einmal verstärkt, aber nicht ausgelöst.

Missmutig verzog ich das Gesicht und beschloss, mich diesmal nicht so einfach abschütteln zu lassen. „Die können sich ruhig noch etwas weiter stapeln. Ich werde erst wieder rüber gehen, wenn du mir endlich eine vernünftige Antwort gegeben hast. Merkst du nicht, dass die gesamte Belegschaft sich fragt, was da am Mittwoch wirklich passiert ist? Niemand kauft dir auch nur im Entferntesten dieses Lügenmärchen von wegen technischer Defekt ab. Findest du nicht auch, dass du mir als deinen Sohn etwas mehr Vertrauen entgegenbringen könntest?"

Ich konnte förmlich spüren, wie Funken aus meinen Augen stoben. Wie schon bei unserer letzten Auseinandersetzung in seinem Büro, zog mein Vater seine Brille aus, rieb sich seine Nasenwurzel und seufzte. Es machte mich rasend, dass er so gelassen dasaß und sich in aller Seelenruhe seine Brille wieder auf die Nase setzte, ehe er zu mir aufsah.

„Setz' dich."

Okay, damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Auch wenn der wütende Knoten in meinem Bauch nicht ganz verschwinden wollte, so verspürte ich nun zusätzlich eine unbändige Neugierde, was da kommen würde.

Ich kam seiner Aufforderung also schweigend nach und blickte ihm interessiert in sein Gesicht. Seit wann hatte er solch deutlichen Falten auf der Stirn und um den Mund? Sie machten den Eindruck, als hätte sein Gesicht tagelang in einem verkniffenen Ausdruck verharrt. Er sah um Jahre gealtert aus, stellte ich mit Erschrecken fest. Warum war mir das noch nicht früher aufgefallen?

„Ich möchte, dass du eines verstehst, Liam: es ist kein mangelndes Vertrauen, was mir verwehrt, dir gewisse Dinge mitzuteilen. Und es tut mir leid, dass du scheinbar diesen Eindruck gewonnen hast. Mal angenommen, die Gerüchte, die seit gestern die Runde machen, würden stimmen: denkst du nicht, es wäre besser, wenn so wenig Leute wie möglich davon wüssten? Nicht aus Vertrauensmangel, sondern zum Schutz der jeweiligen Personen?"

Er sah mir mit einer solchen Ernsthaftigkeit in die Augen, dass mir ganz anders wurde. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann mein Vater sich das letzte Mal bei mir für irgendetwas entschuldigt hatte. Es musste eine Ewigkeit her sein.

„Ehrlich gesagt: nein. Ich denke, gerade dann sollten alle davon wissen. Nur, wer darüber Bescheid weiß, kann sich entsprechend schützen. Gerade wir als Polizisten sind in einem solchen Fall doch bestens vorbereitet, oder etwa nicht?"

Mein Vater nickte. „Das sollte man wohl annehmen. In der Praxis ist das Alles jedoch etwas komplizierter. Auch wir sind nur Menschen, die mit Wasser kochen. Und eine solche Information würde unweigerlich zu Angst führen, ganz gleich, was in den Lehrbüchern steht. Das lässt sich gar nicht verhindern. Und Angst führt wiederum zu irrationalem und unbedachtem Verhalten. Ein solches Verhalten birgt Gefahren, die wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht einschätzen könnten. Verstehst du?"

Written in the stars • ZiamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt