Kapitel 2: Scheibenspucke

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Peter war nicht ganz Geheuer bei der Sache. 
Den teumessische Fuchs, Francine Breckenridge, hatten sie schon vor mindestens einem Jahr eingebuchtet und Peter war sich nicht mal sicher, für wieviele Arten von Strafstaten sie ingesamt angeklagt worden war. Sicherlich wohl für Abgabe von Drogen an Minderjährige. Und konnte man für die Schaffung eines grusligen Kults verurteilt werden?
Das einzige worauf er sich richtig konzentrieren konnte, war Bob.
Und der Fakt, dass Bob wieder da war.
Das es ihm gut ging.
Nun ja, den Umständen entsprechend.
Er fand es beunruhigend, wenn einer der Beiden nicht auf Anrufe antwortete. Justus hatte das das Letzte mal gemacht, als Lys und er sich getrennt hatten. Er war ein Wrack gewesen, und weder Bob noch er konnten richtig etwas tun, um ihm zu helfen.
Es machte Peter verrückt. Der Gedanke, nicht helfen zu können.
Nichts für jemanden tun zu können.
Bob griff nach seinem Arm. Es war, als wolle er ihn wach rütteln.
„Erde an Peter" scherzte er und ließ den Ärmel seiner Jacke wieder los. Die blaue Windjacke, die ihm seine Mutter zum 17. geschenkt hatte.
„Peter an Erde." äffte er Bob nach.
Bob knuffte ihm in die Seite und Peter wurde daran erinnert, dass Justus Auto fuhr.
Justus war nie am Steuer. Nicht seit er seinen Führerschein gemacht hatte.
Er ließ sich sonst immer von den Beiden herum chauffieren. Er sagte er wolle „der Umwelt nicht unnötig schaden", was kaum Sinn machte, denn er saß ja trotzdem im Auto.
„Justus fährt." sagte er erstaunt, und zeigte auf ihren stämmigen Kumpel am Lenker. Bob kicherte und lehnte sich zu Peter hinüber.
„Wundert mich das Justus das überhaupt noch kann, so selten wie er das macht."
Sie grinsten sich an.
„Ich kann euch hören." sagte Justus unbeeindruckt. Bob zog eine Augenbraue hoch und tätschelte dem Ersten bedächtig die Schulter.
„Ihr könnt auch gerne laufen, wenn euch das lieber ist."
Bob sprach ihm gut zu, wenn auch mit einem sarkastischen Unterton.
„Damit du wieder eine Ausrede hast, um nicht Fahren zu müssen? Nein Danke, Chef."
Sagte Peter und Bob schlug ihm dafür ein.
Peter genoss es, mal nicht den Chauffeur zu spielen. Meistens musste er fahren, weil er am schnellsten fuhr.
Es wäre eigentlich auch gelogen, wenn er sagen würde, er genoss es nicht.
In seinem eigenen Auto zu sitzen, die Fenster zu öffnen und den Wind zu spüren. Die Sitzheizung im Winter anzudrehen und Bob beim Frösteln auf dem Rücksitz zuzusehen, um ihm dann eine Decke zuzuwerfen und ihn daran zu erinnern, sich wärmer anzuziehen.
Vielleicht genoss er es doch nicht.
Justus bremste, und drehte sich zu den Beiden um, die die Köpfe immer noch eng zusammen gesteckt hatten.
„So, ihr Geheimniskrämer. Wir sind da."
Das County-Gefängnis war ein beachtlich großes (und hässliches) graues Gebäude, auf einer Anlage, die ungefähr die Fläche von vier Baseballfeldern ausmachte.
Viele Täter ihrer ehemaligen Fälle waren hier untergebracht. Der große Gabbo aus dem von Bob eigens benannten Fall „die schwarze Katze", ebenso wie Alpha und seine Bande aus dem Fall „Nacht in Angst" und er war sich sicher, dass auch Skinny hier schon einige Nächte verbracht hatte.
„Teilen wir uns auf, oder bleiben wir zusammen? Was sagt ihr?" Fragte Justus, während er sich so ausgiebig streckte, als wäre er grade einen Marathon gelaufen.
So anstrengend ist Autofahren nun auch wieder nicht, dachte Peter.
Sie hatten Cotta vorher angerufen, und sich nach den zwei Mittätern erkundigt.
Brooks und Newman, waren ihre Namen.
Zwei Neuankömmlinge bei der Los Angeles Post. Auch sie waren hier untergebracht.
Die Breckenridge jedoch, war das nicht. Sie war in einem Hochsicherheitsgefängnis außerhalb von Rocky Beach inhaftiert worden. Cotta hatte ihnen versichert, dass die sicherlich nichts mit ihrem Fall zu tun hatte. Sie musste eine Gefängnisstrafe von 10 Jahren absitzen, und konnte nicht so einfach ausbrechen.
Er hatte außerdem extra angerufen, um sich zu erkundigen ob sie noch da war, und das war sie.
Peter fand es trotzdem eigenartig.
„Aufteilen." antwortete Bob und schlug die Hände zusammen. „Ich geh zu meinem Dad und ihr zu Brooks und Newman. Seht was ihr herausfinden könnt."
Justus und Peter nickten und Peter verließ das ungute Gefühl nicht, dass auch Bill Andrews in dem Fall nicht zu trauen war. Er fühlte sich beinahe sofort schlecht, für den Gedanken.
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Brooks und Newman waren nicht grade gesprächig. Peter und Justus redeten erst mit Newman, einem stämmigen kleinen Mann mit verwettetem Gesicht und einem ungewöhnlich langen Bart für sein Alter, fand Peter.
Nur alte Menschen durften einen Bart haben. Zumindest einen, der länger war, als ihr Kinn.
Er erinnerte ihn an einen Leuchtturmwärter. Wie man sie sich vorstellte, mit einer Pfeife im Mund und einem ohne Grund dauerhaft zusammengekniffenen Auge, als ob das Licht sie stören würde. Das hatte Newman zwar nicht, aber es hätte ihn nicht gewundert wenn doch.
Zu Peters Erstaunen hatte er jedoch keinen friesischen Dialekt.
„Ich sag euch nix. Was krieg ich denn davon?"
Peter fühlte sich beinahe so, als könnte er den Mann durch die Scheibe riechen. Er roch sicherlich nach Seetang und Schlechtwetter.
Justus zuckte mit den Schultern, obwohl er antwortete.
„Strafmilderung. Wer hat sie engagiert? Wer hat sich als Bill Andrews ausgegeben?"
Der Mann lachte nur und rückte sich auf dem Stuhl zurecht.
„Bill Andrews? Braunhaarig, Lockenkopf, Vier Augen?"
Peter musste erst überlegen, was mit vier Augen gemeint war, bevor ihm die Brille einfiel.
Er nickte, und ließ den Stoff seiner Jacke durch die Finger gleiten.
Er hatte sie nicht ausziehen wollen, er hatte nur ein weißes Tanktop drunter.
„Warum sollte sich irgendwer für den ausgeben wollen? So hat er sich bei uns vorgestellt; „Bill Andrews", er meinte, er würde das Projekt jetzt leiten."
Bei dem Wort Projekt hob der Mann die Hände um Anführungszeichen zu gestikulieren.
Projekt war sicherlich nicht das richtige Wort für eine Straftat.
Justus mhm-te bevor er etwas auf seinen Block kritzelte.
„Hat er noch was anderes gesagt?" Fragte Peter.
„Nichts, was euch etwas angehen würde." der Mann zog die eine Seite seiner Lippe hoch und lächelte schelmisch.
Peter rannte ein Schauer durchs Mark.
Justus seufzte.
Er drückte auf das hintere Teil des Kugelschreibers.  
„Mr. Newman. Ich bin mir sicher, eine Strafmilderung kommt Ihnen nicht ungut, warum verraten sie uns nicht den Namen ihrer Auftraggeberin? Was hält sie zurück?"
Justus hatte bewusst die weibliche Anrede benutzt, das wusste Peter. Und Peter wusste auch, dass Newman bei der Bezeichnung „ihrer Auftraggeberin" mit der Oberlippe zuckte, und seine Augen schnell von Peter zu Justus und zurück zu Peter wanderten.
Justus grinste.
„Ich hab keine Zeit für eure dummen Spielchen. Was zum Teufel wollt ihr von mir?"
„Ich denke sie haben mehr als genug Zeit, Mr. Newman. 5 Jahre, wenn ich richtig liege?"
Peter konnte nicht anders, als vor Justus den Hut zu ziehen. Symbolisch, natürlich.
Er hatte keinen Hut.
Newman schnaubte wütend und bebte beinahe, so dass Peter Angst hatte, er würde gegen die Scheibe schlagen. Er war sich sicher sogar das hätte Justus amüsant gefunden.
„Wer hat sie engagiert?" fragte Justus erneut, sogar noch ruhiger als vorher.
Newman schnaubte empört und beugte sich schließlich vor. Peter und Justus lehnten den Oberkörper nach vorne, um den Mann besser zu verstehen. Doch bevor er etwas sagen konnte, traf ein Kleckser Spucke die Scheibe und mit einem Hochziehen seiner Nase lachte der Mann die Zwei aus.
Peter fühlte sich beinahe so, als hätte der Mann ihn direkt angespuckt, und er wischte sich theatralisch das Gesicht ab.
Der Mann wurde beinahe sofort von zwei Wachen gepackt und nach hinten gezogen.
Justus klappte seinen Hefter zu.
„Das war... eklig." sagte er und schüttelte sich einmal kräftig.
„Wir sind uns doch einig, oder Zweiter?" sagte er nun, während er sich die Jacke überstreifte.
„Einig?" Peter zog eine Augenbraue hoch.
„Ach, ja. Natürlich. Die Breckenridge ist nicht aus dem Spiel." er hob den Zeigefinger.
„Die Breckenridge, oder irgendeine andere Täterin. Wir gucken in den Archiven, vielleicht ist Mr. Andrews doch schonmal einer rachsüchtigen Frau über den Weg gelaufen."
„Erstmal fragen wir Brooks, nicht? Bob braucht sicherlich noch ein wenig Zeit um mit seinem Va-"
Bevor Peter den Satz zu Ende bringen konnte, brach ein fürchterlicher Alarm aus.
Peter presste sich die Hand auf die Ohren. Solch einen Alarm erwartete er, wenn die Welt unterging, aber nicht hier. Es war furchtbar.
Einer der Wachen hatte die Stirn gerunzelt und winkte die Beiden nach Draußen. 
Vor der Tür standen zwei weitere Wachen, die durch Geräte an ihrem Ohr mit anderen Wachen zu kommunizieren schienen.
Peter blickte Justus verwirrt an, der nur die Stirn runzelte.
Die zwei Uniformierten winkten sie raus, doch Peter stammelte noch etwas von ; „aber mein Freund ist noch hier" , doch sie schienen ihn kaum zu beachten.
Danach ging alles sehr schnell. Sie wurden kontrolliert und dann in eine Art Zelt draußen gesperrt, gemeinsam mit einem Mann in Uniform. Wenigstens war der Alarm hier nicht mehr so sehr zu hören.
„Was ist los?" fragte Justus den Mann, der breitbeinig neben den Beiden stand, als wolle er ihnen imponieren.
Der Mann antwortete nicht, klickte nur mit der Zunge und sagte etwas in sein Sprechgerät.
Justus legte die Hand ans Kinn und setzte sich mit einem plumpen Geräusch zurück neben Peter auf die Bank.
„Und?" flüsterte Peter fragend, doch er wusste es war beinahe genauso laut als hätte er normal geredet. Im Flüstern war er nicht sonderlich gut. Es war mehr wie normal-lautes Zischen.
„Ich denke es handelt sich um einen Gefängnisausbruch. Wir müssen einfach still sein und warten." sagte Justus bedacht, und Peter zog eine Augenbraue hoch.
„Als ob du das könntest. Still sein und Warten. Zwei deiner schlimmsten Alpträume."
Justus warf ihm einen genervten Blick zu, doch ignorierte den Seitenhieb sonst.
„Meinst du mit Bob ist alles okay?" fragte Peter und biss sich auf die Unterlippe. Es tat weh, aber es tat gut. Es beruhigte ihn.
„Ich hoffe."

Die drei Fragezeichen und der falsche Verbrecher Où les histoires vivent. Découvrez maintenant