2. Kapitel || König der Ghouls

6 0 0
                                    

Ghalib schluckte schwer. Eigentlich war er ein Wesen, dass sich in der Dunkelheit wohl fühlte, doch die stechenden Blicke, die von überall zu kommen schienen, ließen ihn erschaudern. Der Geruch nach feuchter Luft stieg ihm in die Nase, er mischte sich mit dem von Unrat und Verwesung. Dem Ghoul war unbehaglich, obwohl dies eigentlich ein Ort war, an den er gewohnt war.

Ein ungeduldiges Fauchen ertönte hinter ihm.

Karim.

„Er wird mit Sicherheit gleich kommen, oh ja, das wird er", versprach Ghalib seinem Kumpanen, obwohl er sich da selbst nicht sicher war. ‚Und wenn nicht, verschwinden wir einfach. Gar kein Problem', versuchte sich der Ghoul selbst Mut zuzureden.

Es wollte nicht so recht klappen.

Plötzlich ertönte am hinteren Ende des Tunnels, in welchem sie sich befanden, ein seltsames Rascheln. Die beiden Ghouls nickten sich kurz zu, dann schlichen sie, so leise wie es ihre modrigen Füße zuließen, auf die Stelle zu, an der sie den Ursprung des Geräusches vermuteten. Sie waren keine Wesen, die sich lange mit Gedanken ums eigene Überleben rumschlugen, dass konnten sie auch gar nicht, denn der einzige wirklich sinnvolle Gedanken in ihren Augen war ‚fressen!'. Deshalb vergassen sie auch die eigentlich lauernde Gefahr und weswegen sie eigentlich gekommen waren vollkommen, in der Hoffnung darauf, dass sie vielleicht eine Ratte fanden, die gerade ihre letzten Sekunden Leben aus sich heraus hauchte... bei dem Gedanken lief Ghalib das Wasser im Mund zusammen. Mit einem Seitenblick auf Karim erkannte er, dass es seinem Freund nicht anders ging. Beide Schleimwesen machten sich sprungbereit. Ghalib hatte nur noch Augen für die Dunkelheit, direkt vor ihnen und wartete gespannt auf ein weiteres Geräusch, dass ihm den genauen Ort seiner potenzieller Beute verraten würde. Da! Ein weiteres Rascheln. Wie von einem paar Flügeln... eine Fledermaus vielleicht? Bevor er sich weitere Gedanken darüber machen konnte, vernahm er auf einmal einen Schrei, der ihm bis ins Mag traf. Hastig drehte er den Kopf. „Karim? Karim!" Von seinem Freund war nichts mehr zusehen, lediglich ein schmatzendes Geräusch drang in sein Ohr.

Plötzlich gelang eine dunkle Stimme durch die Dunkelheit zu ihm herüber. Wie ein bedrohliches Knurren und doch ganz anders. Kein Gefühl der Wärme mit sich bringend, nur Kälte, keinen Hauch der Liebe, nur den grenzenlosen Hass auf alles und jeden, eine solche Kälte für die die Menschen - da war sich der Ghoul sicher - noch nicht einmal ein Wort hatten. „Du hättest ihn nicht mitbringen sollen!"

Und da wusste er, dass derjenige mit ihm sprach, der sich mit ihm hatte treffen wollen. Ein Geschöpf aus dem puren Grauen, dem Schrecken in seiner reinsten Form: aus der Hölle, die auch die Geburtsstädte für jeden Ghoul war. Doch dienten diese der Hölle und der dort lebenden Kreaturen wahrscheinlich nur als Nahrung. Nicht aber Ghalib, denn er war ein ganz besonderer Ghoul: er war der Herr der Ghouls, ihr Gebieter, ihr König, wenn man so wollte. Und doch war er ein Nichts im Vergleich zu dem Wesen, dessen Umrisse dem eines Raben ähnelten. Oder einer Taube? Egal, das war jetzt unwichtig. Sein angeblicher Verbündeter hatte nämlich einen seiner treuesten Diener getötet. Nicht das er um seinen „Freund" trauerte, nein, zu solchen Gefühlsduseleien war er nicht mals fähig, aber es war eine Beleidigung für ihn und es Beschmutze seine zugegeben geringe Macht nochmal zusätzlich. Wut stieg in ihm auf. „Du hattest mir nicht gesagt, dass ich alleine kommen soll, nein, dass hast du nicht!", rief er mit seiner schrillen Stimme. Ein kaltes Lachen ließen die Wände erzittern. „Ich dachte das wäre selbstverständlich, mein Freund!"

Das Wort Freund bedeutete in der Welt nicht viel mehr als Geschäftspartner. Freunde, wie die Menschen sie kennen, machen schwach und sind zu nichts zu gebrauchen.

„Du nennt dich einen Freund, doch tötest meine Diener ohne Grund! Schlechter Start, oh ja, ein ganz schlechter Start!" Wieder das Lachen. Kalt und Böse. „Du hast recht, wir sollten noch einmal von Neuem beginnen. Du weißt, weshalb ich dich herbestellte, Ghoul?"

Ghalib gefiel der Ton nicht, mit welchem der Dämon ihn ansprach. „Du solltest mit mehr Respekt zu mir reden, ja, das solltest du! Ich bin schließlich - ahh!" Die letzten Worte gingen in einem Schrei über, denn die Vogelartige gestallt war abgehoben und flog nun direkt vor Ghalibs Nasenspitze, wobei die großen, schwarzen Schwingen fast die Wände streiften. Ghalib riss die Augen auf, starrte voller entsetzen auf das Wesen, dass nun den Schnabel öffnete und einen grässlichen Schrei ausstieß. Der Ton löste physischen Schmerz in dem Ghoul aus, so furchtbar war der scheppernde Klang. ‚Aus. Vorbei!', dachte Ghalib, als der Dämon endlich verstummte. Der König der Ghouls schwankte und musste sich an der feuchten Wand abstützen, um nicht umzufallen.

„Hat dir das gefallen?", fragte der Dämon und lachte.

„M-mach das nie wieder!", keuchte der andere.

„Ich dächte, es wäre Zeit, ein Exempel zu statuieren." Wieder lachte die Gestalt, während Ghalib sich wieder erholt hatte.

„Ein Exempel statuieren? An mir? Nein, nein, nein! Ich lass ich nicht wie gewöhnliches Gesindel behandeln, oh nein, das werd' ich nicht!"

Das Vogelähnliche Wesen senkte den Kopf dicht an den des Ghouls. Ghalib nahm einen betäubenden Gestank war. „Bist du denn was anderes?" Die Stimme hatte bedrohlich geklungen, daher schwieg der König. Verdammt, gegen dieses Untier hatte er keine Chance. Er selbst kam sich plötzlich lächerlich vor, so klein, so schwach. Das passte nicht zu ihm. Noch immer klang der Ruf in seinen Ohren wieder, noch immer schlotterten seine Knie. Der Schrei brannte sich in seinen Verstand ein; es war alles an das er denken konnte. Er keuchte willkürlich. Dann war da diese Stimme. Die Stimme des Dämons, die lachte und schrie, ihn hypnotisierte. „Scheiße!", keuchte er und presste die Hände auf seine Ohren. Doch das ließ das Geräusch nicht verstummen. Dann plötzlich nahm er eine Stimme wahr; so nah, dass sie sich anhörte, als wäre sie in seinem Kopf. „Du unterstehst mir. Du bist ein Nichts. Du existiert nur, um mir zu dienen!" Der Ghoul nickte hastig. Er würde alles tun, nur damit es aufhörte! „Jaja, Meister, ich tu alles, alles tu ich!"

Der Dämon lachte erneut. „Ich will, dass du jemanden für mich vernichtest. Jemanden, der für meine Pläne gefährlich werden könnte."

„Wer Meister, wer ist es?"

„Sein Name ist Cedric Smith. Der Geisterjäger."

You've reached the end of published parts.

⏰ Last updated: May 22, 2023 ⏰

Add this story to your Library to get notified about new parts!

Moon CallWhere stories live. Discover now