1. Kapitel || Der Ruf

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Es zerrte an ihr, wie eiskalte Hände die ihr die Haut von den Knochen zu reißen versuchten. Scharf sog sie die Luft ein, als sie den Druck auch an der Kehle spürte. Tausend Messer zerschnitten ihre Brust und stachen ihr das Herz heraus. So zumindest fühlte es sich an. In ihren Ohren klingelte es, so laut, dass es ihr Trommelfeld beinahe zerplatzen ließ. Und in ihr dieses tiefe Verlangen. Dieses Verlangen nach Freiheit, Wald. Und nach Blut. Ihre Hände kribbelten unangenehm, ihr Blick wurde schärfer. Sie hörte ihre eigenen Knochen knacken. 

Hohl dir deine Beute. Schnapp zu. Los... 

Das plötzliche Klingeln ihres Smartphones erlöste sie. Das Kribbeln ließ nach und auch ihr Blick normalisierte sich. Fahrig griff sie zum Handy und drückte auf den grünen Hörer, ohne auf den Namen auf dem Display zu achten. 

„Hey Cara, du hattest dich nicht mehr gemeldet. Alles klar bei dir?" Erleichtert atmete sie aus. Der klare Klang seiner Stimme beruhigte ihren viel zu schnellen Herzschlag. „Nick. Alles okay. Ich hocke gerade im Yard Building."

„Das heißt du hast den Job?"

Cara lächelte leicht. „Ja, Nick, ich hab den Job."

„Ja Mann! Ich bin stolz auf dich! Du hast gleich angefangen?", erwiderte er aufgeregt und lachte zwischendurch erleichtert auf.
„Jep, mit Recherchen. Vermisstenanzeigen Leichen zuordnen. Ich darf nicht in die Pathologie, sonst würde ich es einfach anhand des Geruchs machen. Naja, was soll man machen?" Cara biss sich auf die Lippen. Der Anfall war noch nicht ganz verklungen, noch immer juckten ihre Hände und Arme leicht.
„Du klingst nervös. Bist du nicht alleine?" Nick kannte sie einfach zu gut.
„Doch, schon, aber dieser enge Raum macht mich irre. Ich bin im Büro des Inspektors. Scheiße Mann, die Fenster lassen sich nur mit Schlüsseln öffnen."
„Dann lass doch die Tür offen."
„Der Lärm auf den Gängen ist nicht viel besser."
Ein Seufzen am anderen Ende.
„Er ruft nach mir, Nick", sagte sie leiser und stützte den Kopf in den Händen ab. „Mit jeder Sekunde verlangt er mehr nach mir, verführt mich. Ich... ich kann nicht mehr." Wieder ein Seufzen.
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Smiths Laune war im Keller. Und zwar so richtig. Gleich würde die Besprechung mit seinem neuen Kollegen sein, auch sein Chef wollte bei der Fallübergabe dabei sein. Und zu allem Übel hatte dieser Clark kurzfristig noch jemanden angemeldet: die neue Assistenten und Sekretärin des Inspektors. Cara Silverstone. Er wusste, dass sie schon im Yard war, um irgendwelche unsinnigen Aufgaben zu erledigen, wahrscheinlich nur, um sie abzuspeisen. Eine blutige Anfängerin, ohne irgendwelche Qualifikationen. Na großartig. „Jetzt kommen Sie schon, Cedric! Ich meinte es wirklich nur gut mit Ihnen!", versuchte sein Chef noch einmal, sich zu entschuldigen. Vergebens. 

Da klopfte es auch schon. Während sein Chef nervös wirkte und irgendwas von wegen „ist es wirklich schon so spät?", murmelte, öffnete Smith augenverdrehend die Tür. Sein Chef hatte nicht wirklich einen Anführer Charakter. 

Ein junger Mann, Anfang dreißig wahrscheinlich und mit strohblondem Haar stand vor ihm. „Mister Clark?", fragte Smith ranzig und funkelte den Mann misstrauisch an. „Ich denke schon", erwiderte dieser mit einem breiten Lächeln und schob sich an Smith vorbei ins Zimmer. "Jung und euphorisch", schoss es Smith durch den Kopf. „Und das hier ist meine Assistentin, Miss Silverstone." Die ebenfalls sehr jung wirkende Frau nickte ihm lediglich kurz zu. Sein untersetzter Chef holte tief Luft und meinte: „Nun, da wir alle hier versammelt sind, möchte ich Ihnen die Fakten des Falles geben. Mister Clark. Für Sie habe ich mir eine Umschuldung überlegt. Ich will, dass Sie ab dem heutigen Tag an Mistern Smith als Partner ansehen." Der Inspektor nickte unschlüssig. Was denn für eine Umschulung? Er war doch mit Leib und Seele Polizist! Und seit wann durfte er das nicht mehr selbst entscheiden? „Ich übergebe das Wort nun an Sie, Mister Smith."

Smith richtete sich auf und begann, in dem Büro des Chief Superintendent auf und ab zu gehen. „Geister, Vampire, Werwölfe oder Ghouls. Was denken Sie, wenn Sie diese Worte hören?"
„Vollkommener Mumpiz."


Smith seufzte, dann plötzlich knallte er ein paar Fotos auf den Schreibtisch.
Eins mit einer komplett abgemagerten Frau, die Haut bleich und die Augen vor Angst weit geöffnet. „Geister."

 Eines mit einer bildhübsche Frau, ein hinterlistiges Lächeln auf den Lippen, doch tot am Boden liegend. „Vampire." 

Ein anderes zeigte eine zerfetzten Leiche, als hätte jemand den jungen Mann auf dem Bild einfach aufgerissen. „Werwölfe." 

Und das letzte war ein Bild von dem aktuellen Fall, dessen Akten Clark, so dachte er, inzwischen alle bekommen hatten. „Ghouls."

Silverstone verzog das Gesicht. „Was in des Teufelsnamens sind denn Ghouls?"
„Hirngespinste, natürlich!", murmelte Clark, unsicher, ob sein neuer Partner komplett übergeschnappt war.
Smith massierte sich frustriert den Nasenrücken. „Ghouls sind solche kleinen schleimigen Viecher, die As essen. Und mein Job als Geisterjäger ist es, Kreaturen wie diese zu beseitigen." „Aber wenn diese Dinger As essen, können sie doch unmöglich der Mörder sein. Höchsten waren sie diejenigen, die die Leichen so zugerichtet haben!", versuchte Clark sich weiter einzubringen, wenn auch nur nuschelnd. „Genau das ist der Punkt. Wir haben keine Ahnung, was da genau passiert ist."


Der Chief Superintendent lächelte leicht. „Wie ich sehe, kombinieren Sie schon fleißig. Sehr gut! Aber nun muss ich Sie drei bitten, dieses Büro zu verlassen, ich habe zu tun." Schon wühlte er in irgendwelchen Akten rum und überließ dem Trio sich selbst.


Kaum waren Clark, Smith und Silverstone aus der Tür, da packte Clark den groß gewachsenen Geisterjäger auch schon am Arm. „Hey, was -?!"
„Sie glauben diesen Scheiß doch nicht wirklich, oder?", fragte Clark eindringlich. Smith antwortete nicht. „Mann ey, ich muss das wissen! Sie sagen mir jetzt, ob ich in Zukunft mit einem komplett Übergeschnappten zusammen arbeiten werde!"
Smith knirschte mit den Zähnen. „Sie werden mir wohl glauben müssen!"
„Beweisen Sie, dass es solche Kreaturen wirklich gibt", sagte Cara, wenig überzeugt von sich selbst.
Mit einer schnellen Bewegung löste Smith sich von Clark und feixte: „Oh, Miss Silverstone, dass werde ich. Wenn wir diese Ghouls und den Mörder gefunden haben. Solange müssen Sie, auch wenn wir alle drei scheinbar etwas dagegen haben, mir einfach vertrauen."
John verzog das Gesicht, Cara stieß Luft zwischen den Zähnen hervor. Ein Pfeifton entstand. „Ich denke", seufzte der Inspektor, „wir haben keine andere Wahl, wenn ich meinen neuen Rang behalten will."

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