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Arian atmete einmal tief durch, dabei das kleine Bündel in seinen Armen sanft drückend. Dann klopfte er mit erstaunlicher Ernsthaftigkeit gegen die dunkelbraune Holztüre zum Büro des Direktors.
Zum Glück hatte es nicht allzu lange gedauert, nachdem er in das Schloss gestürmt war, jemanden zu finden, der ihm sagen konnte, wie er zu Professor Crestfall gelangte.

„Ja bitte!"

Nach einem letzten tiefen Atemzug öffnete Arian die Tür und trat ein.

„Arian, welch Überraschung. Was kann ich denn für dich-?!"

Ari schloss die schwere Tür hinter sich und wandte sich dem Schuldirektor mit einem zurückhaltenden, leicht verkniffenen Lächeln zu. Und begegnete dem verblüfften Blick Crestfalls. „Tut mir leid für die Störung, aber - aber ich brauche ihre Hilfe."

„Tritt näher Arian." Noch während Ari der Aufforderung des Direktors nachkam. Erhob sich dieser weiterhin vollkommen überrascht und mit starren Blick auf Arian und das kleine Tierchen in dessen Armen. Musterte beide eingehend. Wobei Arian hätte schwören können, dass sich Crestfalls Augen eine Spur weiter weiteten. „- was ist passiert?!"

„Ich bin raus - in den Wald. Der Kleine, oder die Kleine hier-.", unterdessen Arian sprach, setzte er seine verletzte leichte Last vorsichtig auf dem großen Mahagonitisch ab und sah dem Direktor wieder in die Augen. Biss noch einem Moment lang auf seiner Lippe herum und sprach dann weiter. „- er wurde angegriffen. Ich - ich konnte gerade noch Schlimmeres verhindern. Aber er ist dennoch verletzt. Können Sie ihm helfen? Bitte!", Arians Stimme klang flehend, derweil er sich nicht davon abhalten konnte den jungen Welpen beruhigen zu kraulen. Dem deutlich anzusehen war, dass er sich auf dem Tisch nicht allzu wohl fühlte.

„Nun ja ... ich denke, da ist noch einiges mehr passiert, nicht wahr? Würdest du mal bitte für mich deine neuerdings langen Haare hinter eines deiner Ohren streichen."

Arian straffte seine Schultern. Beobachtete mit Argusaugen, wie Crestfall die Jacke vorsichtig zur Seite schob und sich die Wunden ansah. Zur gleichen Zeit, wie er immer wieder zu ihm hoch schielte. Doch zu seinem Erstaunen hielt der kleine Wolf erstaunlich ruhig und duldete ohne Zwischenfälle die fremden Hände in seinem Fell. „Kön- können sie nicht zuerst dem Kleinen hier helfen?!"
Doch Crestfall schüttel lediglich kaum merklich den Kopf. Richtete sich wieder auf und bedachte ihn mit einem überraschend großväterlichen Blick. „Wenn meine Vermutung richtig ist, dann kannst du ihm gleich selber helfen Arian. Die Wunden des kleinen Rüden hier sind, seinem dichten Fell sei dank, nicht allzu gravieren. Bitte, tu mir den Gefallen."

Ari seufzte leise und strich sich die Haare hinter sein Ohr, ohne dabei seinen Blick von Crestfall abzuwenden. Biss sich auf die Innenseite seiner Unterlippe und enthüllte eines seiner nun leicht spitz zu laufenden Ohren.
Eine Enthüllung, die den Schuldirektor nicht so zu schocken schien, wie Arian angenommen hatte. Nicht einmal im Ansatz. Stattdessen bildete sich ein sanftes Lächeln im Gesicht des älteren Mannes. „Meine errichtete Blockade scheint tatsächlich der Vergangenheit anzugehören.", Crestfalls Mundwinkel zuckte amüsiert. „- wie ich es mir schon gedacht habe. Nun, damit ist dieser Punkt auch erledigt.
Du hast auf deinem Unterarm das Symbol der Bindung zwischen Magier und Vertrauten, nicht wahr?"
Woraufhin Arian sein Handgelenk zaghaft nickend entblößte. Und schluckend dem Bruder seines Ziehvaters das ovale blaue Abbild eines Edelsteins zeigte, das dort prangte. Der daraufhin, mit einem sichtbar zufriedenen Ausdruck und glitzernden Augen grinste. „Bitte deinen Vertrauten darum, sich zurückzuziehen Arian. Erlaube es ihm. Sie tun es nicht von sich aus. Der Kleine wird wissen, was du von ihm möchtest und was zu tun ist. Mehr wird nicht nötig sein.
Wenn das geschehen ist, wird eure vereinte Magie dafür sorgen, dass er vollständig heilt und sich erholt. Gönn ihm einige Stunden Ruhe ... und du wirst sehen-."

„Ich - sie meinen!", Aris' große Augen klebten förmlich an denen Crestfalls. Der sich in diesem Moment zufrieden lächelnd in seinen gepolsterten Sessel sinken ließ. Sich nach vorne lehnte und seine Fingerspitzen seiner aufgestützten Hände aneinanderlegte. Besäße dieser eine Halbmondbrille, hätte er ihn in diesem Augenblick mit Sicherheit großväterlich lächelnd darüber hinweg angeblickt und dabei zugesehen, wie Arian genau das tat, was er eben gesagt hatte.

Aris Blick flog von Mister Crestfall zu seinem zusammengekauerten, hörbar fiependen Wolfswelpen. Ließ sich auf seine Knie fallen und lächelte zärtlich, unterdessen er das kleine Wesen mit sanften Bewegungen über das ihm zugewandte Köpfchen streichelte. „Du hast den Direktor gehört. Würdest ... würdest du dich bitte zurückziehen mein Kleiner."

Einen Moment lang passierte nichts. Dann löste sich der kleine Wolf jedoch recht schnell in grünen Nebel auf, der auf Arians Emblem zuschoss. Was aussah, als würde er von diesem angezogen und eingesaugt werden. Solange bis rein gar nichts mehr zu sehen war.
Ein Prozess, den Ari mit regelrecht fassungslos geweiteten Augen verfolgte. Bis sie sich erneut auf den älteren schmunzelnden Mann richteten. „Mach dir keine Sorgen Arian, er wird sich rasch erholen. Ihn zurückzuholen, geschieht im Übrigen auf dieselbe Art.
Es freut mich, dass du deinen Vertrauten gefunden hast. Und das bereits wenige Stunden nach deinem Eintreffen hier. Wohl ein neuer Rekord. Damit zählst du von in dieser Sekunde an zu den Tamer."

Arian ließ sich auf den bequemen Stuhl vor dem Tisch sinken, währenddem sich Professor Crestfall zurücklehnte. „Das heißt, wir sind jetzt echt verbunden?!" Der junge Elb runzelte seine Stirn und neigte seinen Kopf fragend leicht zur Seite. Was der Bruder seines Vaters mit einem kaum sichtbaren Nicken bestätigte. „Ja. Ihr gehört von jetzt an zusammen. Der kleine Wolgrin hat dich auserwählt."

„Wolgrin?"

Ein erheitertes Lachen ertönte, was in einem sanften Lächeln seitens Crestfall endete. „In der Tat. Ein Wolgrin. Ein Waldwolf. Ein Tier, das euren Wölfen gar nicht einmal so unähnlich ist. Bis auf die Fellfarbe, welche dir längst ins Auge gestochen sein dürfte. Außerdem erreicht er mühelos eine Schulterhöhe von 1,60 Meter. Also die eines Großpferdes. Und kann ohne Probleme geritten werden, sobald er eine gewisse Größe erlangt hat. Etwas, dass nun, da er zu dir gehört, um einen Vielfaches schneller vonstattengehen wird."

„Sie meinen, der Kleine wird schneller wachsen?" Die Verwunderung war deutlich aus Arians Stimme herauszuhören und brachte den Akademieleiter abermals zum Nicken. „Ja. Er wird dich schon bald tragen können. Wolgrins sind, trotz ihrer Größe, eher scheue Tiere, die sich nicht leichtfertig an einen Menschen binden, oder sich ihnen gar zeigen. Und wenn, dann suchen sie sich zumeist naturverbundene Wesen, denen sie ihre bedingungslose Loyalität schenken. Und du ... als Elb ... nun-", Crestfall schmunzelte. „Du warst zur rechten Zeit am rechten Ort und hast dem kleinen Wolgrin ohne Zweifel bewiesen, dass du seiner würdig bist.
Wie fühlst du dich Arian. Oder Aranel-. Jetzt, wo dein Wesen nicht länger eingesperrt ist. Du verstehst hoffentlich, dass all das nur zu deinem Schutz geschah?! Es war notwendig."

Nun war es an Arian seufzend zu nicken. „Ich verstehe, ja. - und ich fühle mich ausgezeichnet. Auch wenn ich noch nicht weiß, was ich mit den langen Haaren anfangen soll. Doch irgendwie gefällt es mir auch. Es fühlt sich richtig an. Auch wenn ich auf den Schmerz gut hätte verzichten können."

Crestfall nickte abermals, ohne dass das wissende Lächeln auch nur für einen Moment aus seinem Gesicht verschwand. „Kann ich mir vorstellen. Nur leider hätte dieser selbst unter anderen Umständen nicht vermieden werden können. Hast du deinem Vertrauten denn schon einen Namen gegeben?" Eine Frage, auf die Arian mit einem sachten Kopfschütteln reagierte. „Noch nicht, nein ... ich darf ihn also echt behalten?", die Augen Aris' leuchteten hoffnungsvoll auf. Was dem Mitglied seiner Familie ein gelöstes Lachen entlockte. „Sicher! Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Und? Hast du denn schon eine Idee?", der ältere Mann erhob sich und lief um seinen Schreibtisch herum. Woraufhin Arian ebenfalls aufstand. „Ich habe mir dazu noch keine Gedanken gemacht. Ich wusste bis eben nicht einmal, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.", Ari lachte gedämpft.

„Dafür bleibt auch noch genügend Zeit." Crestfalls Handfläche legte sich auf Arians Schulter, unterdessen dieser breit lächelte. „Was hältst du davon, wenn wir nun etwas essen gehen. Es ist längst Zeit. Und morgen werden wir deine Schulsachen besorgen. Alles andere findet sich. Du wirst sehen."

Dragon EyesWhere stories live. Discover now