Planlos

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Ich war überfordert. Konnte mich kein bisschen mehr auf die Arbeit konzentrieren. Immer wieder suchte ich unter all den Gästen nach Max. Immer wieder schien er es zu bemerken, sodass sich unsere Blicke für kurze Augenblicke immer wieder begegneten, bevor ich jedes Mal ertappt weg sah.

Ich weiß nicht mal, warum ich mich selbst so quälte, denn es tat jedes Mal weh, ihn wieder mit der kleinen hübschen Blondine an seiner Seite dort stehen zu sehen. Dabei war ich es doch selber schuld!

So war ich mehr als erleichtert, als die letzten Gäste weg waren, ich das Team in den Feierabend verabschiedet hatte und alleine für den letzten Rest Ordnung sorgte, während die Musik noch leise vor sich hin spielte.

Nachdem alle Gläser weggeräumt und die Tische abgewischt waren, trat ich auf den Balkon hinaus in die warme Nachtluft. Die Boxengasse und Zielgrade lagen ruhig und dunkel unter mir, während die Sterne am Nachthimmel funkelten. Tief durchatmend schloss ich meine Augen und ließ den Kopf in den Nacken fallen. Ich war fertig. Körperlich sowie mental.

"Können wir uns kurz unterhalten?" ließ mich eine Stimme zusammenzucken. Die Stimme, nach der ich mich die ganze vergangene Woche gesehnt  hatte.

Vorsichtig öffnete ich die Augen bevor ich mich langsam umdrehte. Kurz überkam mich die Angst, dass ich es mir nur eingebildet hatte. Doch als ich in die Richtung sah, woher ich die Stimme vernommen hatte, stand er wirklich da und sah mich an.

Obwohl von innen ein wenig Licht zu uns leuchtete, konnte ich nur die Umrisse seines Gesichts erkennen. Keine Emotionen, keine Gefühle. Nichts!

"Max, es tut mir so unglaublich Leid!",  war das erste was mir über die Lippen kam. "Das sagtest du bereits.", entgegnete er knapp. "Ich weiß zwar noch nicht wie es zukünftig funktionieren soll, doch ich möchte das Nils die Wahrheit erfährt.", fuhr er mit ruhiger, aber bestimmter Stimme fort.

Das Blut gefror mir in den Adern. Stattdessen spürte ich die panische Angst in mir aufsteigen, welche ich noch nie zuvor so extrem empfunden hatte. Ich war unfähig mich zu bewegen oder etwas zu entgegnen.

"Ich will ihn dir nicht wegnehmen. Du hast ihn zu einem wirklich tollen Jungen erzogen.", sprach er die Worte aus, welche ich so unbedingt hören musste. "Doch ich will ein Teil seines Lebens sein. Er soll ein Teil meines Lebens sein! Ich möchte, dass du es ihm sagst. Wann und wie, ist dir überlassen. Es sollte nur zeitnah passieren.", stellte er seinen Standpunkt klar.

Erleichtert atmete ich aus. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte.

"Aber wie..." setzte ich grade an, da ich wissen wollte, wie er sich das vorgestellt hatte. "Schreib mir einfach, sobald er bescheid weiß.", unterbrach er mich und wandte sich schon wieder der Glastüre zu um zu gehen.

"Was ist mit uns?", brach es fast schon flehend aus mir heraus. Wollte ich darauf überhaupt eine Antwort haben?

Da Max bereits direkt vor der Glastür stand, sah ich, wie seine Schultern sich anspannten als er innehielt. "Ich weiß es nicht.", flüsterte er, bevor er sich wieder in Bewegung setzte und eilig aus der Lounge verschwand.

***

Ich hatte die letzten beiden Nächte nicht wirklich geschlafen. Den Sonntag und damit der Tag des letzten Rennes der Saison, ging ich wie in Trance meiner Arbeit nach. Immer wieder spürte ich seine Anwesenheit. Das waren mehr oder weniger die einzigen Momente in denen ich wirklich was um mich herum wahrnahm. Doch ich zwang mich jedes Mal dazu nicht zu ihm zu sehen, denn auch dort war er wieder nicht alleine.

Nun saß ich erschöpft und rastlos neben meinem Sohn im Flugzeug auf dem Weg nach Hause. Immer wieder fielen mir die Augen zu. Doch jedes mal schreckte ich nach wenigen Minuten wieder hoch. Wie sollte ich es Nils nur sagen?

Diese eine Frage war der Grund meiner schlaflosen Nächte. Doch eine Lösung hatte ich bisher nicht gefunden. 

Immer wieder spürte ich Lauras besorgenden Blick auf mir. Ich wollte seit Samstagabend nichts lieber, als mit ihr darüber zu reden, um sie nach einem guten Rat zu fragen. Doch leider hatte ich bis jetzt keine Gelegenheit dazu bekommen. 

***

"Willst du mir nicht endlich sagen, was dich so beschäftigt?", durchbrach die Stimme meiner besten Freundin die Stille im Taxi. Nils und Paul waren beide eingeschlafen, weshalb wir nun einen ruhigen Moment hatten. Sie hatte mich bisher kein einziges Mal auf unseren letzten Tag in Sao Paulo angesprochen, doch mittlerweile schien sie sich wirklich Sorgen zu mache.

"Er hat mich Samstagabend, als ich noch am aufräumen war, in der Lounge abgefangen.", brachte ich flüsternd hervor. Ich hatte Angst, die beiden Jungs zu wecken. Oder schlimmer... das Nils irgendwas von unserem bevorstehenden Gespräch mitbekam.

"Magst du mir davon vielleicht gleich bei einer Flasche Wein erzählen oder lieber morgen?", fragte Laura und trotz der Dunkelheit hier im Innenraum sah ich, wie ein mitleidiger Ausdruck in ihren Blick trat. 

"Haben wir noch eine Flasche in Kühlschrank?", stellte ich als Antwort die Gegenfrage. Ich war zwar hundemüde, doch wenn ich nicht endlich eine Möglichkeit fand um Nils das ganze beizubringen, würde ich heute Nacht eh wieder kein Auge zubekommen. 

Der Rest der Fahrt verlief weitestgehend schweigend. Bei Laura sah ich immer wieder aus dem Augenwinkel, dass auch sie immer wieder wegnickte. Umso höher rechnete ich ihr es an, dass wir nun, nachdem wir zuhause angekommen und die Kleinen im Bett hatten, mit einem gefüllten Weinglas in der Hand, mit mir zusammen auf dem Sofa saß. 

Ich hatte gar nicht lange überlegt, sondern direkt angefangen ihr von dem einem Morgen nachdem er Weltmeister geworden war und unserem Gespräch am Samstag, beziehungsweise von seiner Forderung zu erzählen. Während meiner ganzen Erzählung versuchte ich nicht wieder in Tränen auszubrechen, was mir mehr oder weniger gut gelang. Es tat gut, endlich mit meiner besten Freundin über alles zu reden und nicht mehr alleine mit der Situation und meinen Gedanken zu sein.

"Seitdem das Bild von euch im Internet aufgetaucht ist,  gibt es dazu schon die wildesten Spekulationen. Auch in dem ein oder anderen Interview, wurde Max auf das Thema angesprochen.", waren ihre ersten Worte, nachdem sie mich hatte aussprechen lassen.

"Wie hat er darauf reagiert?", fragte ich fassungslos nach. Was sollte ich nur tun, wenn er damit bereits an die Öffentlichkeit gegangen war? "Er hat keine Miene verzogen und seine Antwort war meistens die selbe, die er immer bringt, wenn er auf sein Privatleben angesprochen wird.", beruhigte sie mich direkt. Auch wenn ich meist wenig von seinen Interviews mitbekam wusste ich seine Standart-Antwort "Sie wissen, dass ich Ihnen über mein Privatleben nichts erzählen werde!" .

"Wirst du es Nils denn sagen?", hakte mein Gegenüber vorsichtig nach. "Was bleibt mir denn anderes übrig?", entgegnete ich und raufte mir mit meiner freien Hand durch die Haare. "Ich hätte es ihm schon viel früher erzählen müssen. Genauso wie ich es hätte Max längst beichten müssen.", gab ich frustriert zu und exte den Rest des Weins aus meinem Glas, bevor ich mir nachschenkte. "Ich weiß nur noch nicht, wie und wann ich es ihm am besten beibringen kann und soll!", nuschelte ich.

Nachdenklich blies Laura die Wangen auf. Scheinbar fehlten ihr dazu auch jegliche Ideen. "Wenn es dir irgendwie hilft, dass Paul und ich dabei sind, dann unterstütze ich dich dabei natürlich. Doch was besseres als ihm klar heraus die Wahrheit zu sagen, fällt mir leider auch nicht ein." bestätigte sich mein Verdacht, dass auch sie diesmal keine Lösung parat hatte. War das wirklich eine so gute Idee, dass Paul meinem Sohn dabei "Händchen hielt"? Würde er sich nicht dann auch Hoffnungen machen, dass er doch noch einen Papa bekommt? Schließlich hatten die beiden bisher das selbe Schicksal geteilt!

"Meinst du, du würdest Paul damit so einen großen Gefallen tun?", sprach ich meine Bedenken auch direkt aus. Nachdenklich wiegte sie ihren Kopf einige male hin und her. "Wahrscheinlich hast du recht. Doch ich werde dich das nicht alleine durchstehen lassen.", kurz machte sie eine Pause und trank einen Schluck aus ihrem Weinglas, bevor sie weitersprach. "Was hältst du davon, wenn ich morgen früh mit Frau Müller frage, ob sie ein paar Stunden auf Paul aufpasst, dann besorge ich eine große Packung mit Flutschfingern und wir, bzw. du fängst dann ganz ruhig mit dem Gespräch an?", brachte sie ihren Vorschlag hervor, gegen welchen ich nichts einzuwenden hatte. Mir selber war bisher schließlich nichts adäquates eingefallen.


und plötzlich warst du da (Max Verstappen FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt