Prolog || Vorstellungsgespräch

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„Du riechst es!"

„Und wenn schon."

„Es ist warm!"

„Und das soll auch so bleiben!"

„Aber... So warm..."

Cara biss sich auf die Lippe.

„So frisch..."

Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn, ihre Augen huschte hin und her. Nervös nippte sie an ihrem Glas Wasser.

„Du hörst es pulsieren..."

Sie vernahm das leise Pochen, welches von dem Mann mittleren Alters ihr gegenüber stammte. Sein Blut... Sie konnte es riechen. Es geradezu spüren. Ja, sie müsste nur ihre Zähne in seine weiche Haut schieben und kurz daran zerren... frisches Fleisch... frisches Blut...

„Miss Silverstone? Ist alles in Ordnung?" Cara zuckte zusammen. John Clark sah sie besorgt an. Sie antwortete mit einem falschen Lächeln: „Alles okay. Wie schon gesagt, mir geht's heute nicht so gut." Mister Clark hob eine Braue, ging aber nicht weiter darauf ein. „Miss Silverstone, mir gefällt ihr vorgeschlagener Betrag. Generell, Sie scheinen mir eine junge, pflichtbewusste Frau zu sein. Ich bin mir sicher, dass meine Frau ebenfalls einverstanden mit Ihnen sein wird." Cara konnte sich ein kurzes Grinsen nicht verkneifen. Sie hatte keinerlei Berufserfahrungen, geschweige den irgendwelch Zeugnisse. Sie wurde vor diesem Gespräch schon unzählige Male abgelehnt und tatsächlich, die Gründe sie einstellen zu wollen konnte sie an einer Hand abzählen. „Ich will gar nicht wissen, wie viele Interessenten schon bei Ihnen vorstellig geworden sind, dass Sie sogar mich nehmen!" Mr. Clark erwiderte das Grinsen. „Machen Sie was draus!"

Der frisch gebackene Inspektor John Clark suchte seit geraumer Zeit jemanden, der ihm bei seinem Papierkram unterstützte, Recherchen übernahm, im Haushalt half, auf seinen kleinen Sohn Benni aufpasste; kurz: ein Mädchen für alles. Viele Interessenten, hauptsächlich weiblich, hatten sich gemeldet, doch die einen waren einfach in allem total unfähig gewesen, und die anderen witterten nur die Kohle. Er hatte vor einem halben Jahr ein ganzes Vermögen geerbt und war mit seiner Familie in ein großes Haus nahe der Stadtgrenze gezogen. Sein Leben war perfekt, er hatte einen wirklich coolen Job, eine bezaubernde Frau, einen klugen Spross und ein wunderschönes Haus, abseits dem Tumult der Großstadt. Und wenn ihn nicht alles täuschte, dann hatte er jetzt auch noch eine zuverlässige Assistentin dazubekomme. Sie war zwar etwas eigen, sehr in sich gekehrt, verschlossen und vor allem nervös und doch... irgendwas war besonders an ihr. Er wusste nicht was es war, doch es faszinierte ihn.

„Wann kann ich anfangen?", riss ihn die mädchenhafte Stimme aus seinen Gedanken. Neugierig sah sie ihn aus großen, rehbraunen Augen an. Ihr von der Sonne gebräuntes Gesicht wurde von kurzem Haar umrahmt, welches so dunkel war, wie die Geheimnisse, die tief in ihren Augen verborgen lagen.

„Von mir aus sofort. Wir haben einen neuen Fall, einen sehr makaberen. Sowas habe ich noch nie gesehen. Wahrscheinlich haben die mich da oben nur befördert, damit die jemanden haben, der die Drecksarbeit erledigt. Können Sie Blut sehen?" In ihr verkrampfte sich etwas. „Auf Bildern schon." Mr. Clark schob ihr eine dünne Mappe zu. Sie öffnete den Hefter. Darin war zuerst einmal ein Bericht. „Schreibskrams, Zeugenaussagen und Fotos... Halleluja!" Von den toten Körpern konnte man nicht mehr viel erkennen. Sie konnte nicht zählen, wie viele es waren. Grob machte sie insgesamt vier rechte Beine aus, möglicherweise waren es aber auch mehr. „Wo sind denn die Köpfe?", fragte sie mit einer Spur Entztsetzten in der Stimme. „Keine Ahnung. Vielleicht hat der Täter sie als Trophäen mitgenommen?" Cara sah sich die Szenerie auf dem Foto genauer an. „Makaber sagen Sie? Sie haben vielleicht Nerven! Das sieht aus... wie von einem Tier!" Augenblicklich wurde ihr schlecht. Noch schlechter, falls das überhaupt möglich war. Da hatte doch wohl kein- „Die Verstümmlungen sind zu sauber, wie von einem Messer. Nein, dass war kein Tier!" Sie atmete kaum merklich leise aus. Das hätte ihr noch gefehlt: ein anderer Wolf in ihrem Revier! „Was soll ich machen?", fragte sie weiter. „Im Yard", antwortete Clark, „haben wir Kleidung und sowas von den Opfern. Außerdem noch ein Haufen vermissten Anzeigen. Identifizieren Sie die Opfer bitte schnellst möglichst, vielleicht bestand eine Verbindung zwischen ihnen?"

„Ich probiere's."

Sie würde alles probieren, um diesen Job zu behalten. Verdammt, dieses Mal musste es doch funktionieren!

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Scotland Yard. Der Ort des Verbrechens. Mörder, Betrüger, Entführer... Sie alle hassten diesen Ort. Hatten Angst vor ihm. Jeder in diesem Gebäude hatte sein Leben der Verbrechensbekämpfung gewidmet. Jeder. Außer Inspektor Cedric Smith. Die Zeiten, in denen er Verbrecher gejagt hatte, waren längst vorbei. Er war das, was viele einen Spinner nennen würden. Er war ein Geisterjäger. Keiner aus den Filmen, die einen Staubsauger auf dem Rücken trugen, nein, seine Waffen waren ein Gewähr, geladen mit Silberkugeln und ganze Eimer voll Weihwasser. Spezialisiert hatte er sich auf Geister, Vampire, Zombies, Trolle, Ghouls und Werwölfe. Nur selten kamen Hexen oder sowas dazwischen, darum kümmerte er sich nicht. Die anderen Viecher waren schon anstrengend genug. Er hatte keine Lust, sich jetzt auch noch mit Dämonen zu befassen. Nein, er wusste noch nicht einmal, welche Waffen gegen diese Kreaturen halfen. Ob die großen, mächtigen Urdemonen wohl auf Silber reagierten? Unwahrscheinlich. Sein Boss hatte ihm vor ein paar Minuten eine Mappe über einen neuen Fall überreicht. John erkannte das Massaker sofort wieder. Diese scharfen Kanten an den Wunden und dieses viele Blut. Auch die fehlenden Köpfe waren Beweis genung. Sie hatten viele Namen; Leichenfresser, Nachtschlucker, Ghouls. Keine schlauen Wesen, aber grausam und gewissenlos. „Ich habe einen ihrer Kollegen auf das Ding angesetzt", flötete sein Boss. „Sein Name ist John Clark. Sie werden mit ihm zusammen arbeiten." „Wie? Mit einem Unwissenden? Der hat doch keine Ahnung!" „Aber den richtigen Riecher."

Smith kniff die Augen zusammen. Er reichte doch vollkommen aus, um einen Ghoul zu beseitigen? Das hatte er doch jetzt schon oft genug bewiesen! „Mir ist aufgefallen, dass sie in den letzten Wochen kaum eine Pause bekommen haben. Sie brauchen einen Partner, Smith, einer, der ihnen helfen kann! Der Mann ist jung und lernbereit. Weihen Sie ihn ein!", rief sein Chef, beinahe schon besorgt. Es stimmte; Smith hatte mehr Überstunden als er hätte abarbeiten können und unter seinen Augen zeichneten sich tiefe Ringe ab.

Und dennoch...Dieser Frischling würde ihm diese Geschichte doch niemals abkaufen!

„Ich glaub's nicht! Mit einem Unwissenden! Ach du Scheiße, das wird ja noch heiter! Clark hieß der Clown, richtig?"

Moon CallWhere stories live. Discover now