So hastig war er aufgestanden, die Leiter heruntergeklettert und in Richtung des Wohnhauses verschwunden, dass sich hätte ohrfeigen können. Seine dahingestammelte Entschuldigung, dass er dringend etwas aus dem Gästezimmer brauchen würde, war alles andere als überzeugend und Yuki hatte gewusst, dass sie zu weit gegangen war.

Jetzt, mit etwas Abstand, hatte sie, wenn sie es recht bedachte, nichts weiter getan, als die Signale, die er seit ihrem Treffen am Flughafen Berlin Tegel aussendete, zu deuten und ihrem Gespür zu vertrauen, dass da etwas war, das sie beide verband. Konnte sie so falschgelegen haben? War er wirklich noch nicht über Peggy Carter hinweg, wie sie insgeheim vermutet hatte? Die Zurückweisung schmeckte wie Staub und ließ sie schlucken. Dabei hatte sie keinen Bedarf an weiteren Komplikationen, was auch der Grund dafür war, dass sie nach seinem Abgang wie betäubt Weintrauben, Wein und Gläser eingesammelt und sich in ihr Bett geflüchtet hatte, ohne ihn noch einmal zu sprechen.

In absehbarer Zeit musste sie mit diesem Mann klären, wo sie standen. Je früher, desto besser, wenn es nach Yuki ging, denn selbst eine weitere Abfuhr war etwas, womit sie fertig werden würde. Im Vergleich dazu konnte sie noch nicht einmal abschätzen, welcher Art die Schwierigkeiten waren, in denen sie sonst noch steckte. Sie würde am besten möglichst bald mit ihm reden und die Flucht nach vorne antreten. Doch er war nirgends aufzutreiben. „Wenn du Steve suchst, der ist auf Wandertour. Er war noch früher auf als ich und konnte nicht mehr schlafen, da habe ich ihm den Malerwinkel empfohlen. Doch er wollte gleich eine komplette Tour über den Sonnenpanoramaweg wieder in die Altstadt machen. Und danach noch den Obersalzberger Rundwanderweg. Ob er sich da mal nicht übernommen hat ..."

Nun, er würde spätestens am Nachmittag wieder hier sein, denn Fury hatte eine Videokonferenz über die neuesten Ermittlungsergebnisse einberufen. Yuki seufzte, wie gerne hätte sie dieses unangenehme Gespräch schon hinter sich gebracht.


Steve war nach einer kurzen Nacht früh aufgewacht und nicht mehr eingeschlafen. Das verfluchte Supersoldaten-Serum hatte dafür gesorgt, dass ein einfaches Lauftraining nicht mehr ausreichte, ihn auszupowern. Er musste wohl noch einige Kilometer mehr laufen, um Abstand zu gewinnen. Abstand von dem, was schon den Schlaf von ihm ferngehalten hatte. Und von dem Chaos, das Yuki mit ihrem Kuss in seinem Inneren angerichtet, wo zuvor alles an Ort und Stelle aufgeräumt gewesen war. Selbst die Trauer darüber, dass er um sein Leben mit Peggy betrogen worden war, hatte er fest zugeschnürt und ganz unten in einer kleinen Truhe, weit hinten in seinem Bewusstsein verstaut. Jetzt war sie aus ihrem Versteck gezerrt worden und lag ausgebreitet da, richtete ihren anklagenden Blick auf ihn. Wie er es nur hatte zulassen können, dass die Pflicht gesiegt hatte – und wie er es jetzt zulassen konnte, dass eine andere Frau Peggys Platz einzunehmen versuchte. Er hatte sich von Yukis Mutter, die auch zu den frühen Vögeln gehörte, ein paar Karten geben lassen und sich zwei mehrstündige Wandertouren ausgesucht. Damit schlug er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Er konnte sich körperlich ein bisschen verausgaben und gleichzeitig die schöne Landschaft erkunden. Bei seinen Einsätzen damals mit dem Howling Commando in Feindesland hatte er kein Auge dafür gehabt. Außerdem hatte es ihn überrascht, dass sich ganz in der Nähe das zweite Führerhauptquartier Obersalzberg befand, das man sogar besichtigen konnte. Diesen Lern- und Erinnerungsort würde er sich ansehen. Wie mochte dieser Unmensch gelebt haben? Mit welchen Einrichtungsgegenständen und Bildern hatte er sich in seiner Residenz umgeben? Nicht dass Steve je verstehen würde, was den Führer angetrieben hatte, doch einen Blick auf den Privatmann Hitler zu erhaschen war verlockend.

Und vielleicht würde er danach endlich wieder einen klaren Kopf haben. Auch wenn er noch immer nicht wusste, was er in Sachen Yuki unternehmen wollte. Doch das spielte keine Rolle, wichtiger war, dass die junge Frau, die sich unverhofft in sein Leben gemogelt hatte, in Sicherheit war. Den Umkehrschluss, dass sie ihm etwas bedeuten musste, wenn ihm ihre Sicherheit so wichtig war, tat er damit ab, dass er in seinem Leben schon immer das Richtige getan oder es zumindest versucht hatte.

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