Heiße Luft und kalte Blicke

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Hinter mir hörte ich weitere Schritte, sie folgten mir also. Und so war es dann: Wir liefen, ich probierte jede Tür, die an der Tunnelwand war, doch sie waren verschlossen. Ich hatte es so befürchtet, deswegen überraschte es mich nicht. Es war klar, dass man es uns nicht so einfach machte. 

Und dann kam die Situation, dass der erste Zug von vorne kam.

Ich hatte es bis zu einer Sicherheitsnische geschafft, die in Abständen in der Tunnelwand waren. Plötzlich tauchte neben mir wieder Hoodie auf und stellte sich zu mir, sein Blick blieb an mir haften. So langsam hatte ich das Gefühl, dass er mich wirklich beobachtete und versuchte, mich richtig einzuschätzen. 

Er wirkte clever, was ihn äußerlich zu einem wirklich guten Spieler machte. Es war aber sein kalter Blick, der mir bewies, dass er nicht nur auf einen guten Spieler tat, sondern es auch wirklich war. 

Ich strich mir mit meinem Handrücken über die Stirn, denn ich schwitzte ziemlich stark. In jenem Moment raste der Zug vorbei und brachte den Fahrtwind mit, welcher meine Haut angenehm umspielte. 

Ich hörte einen Schrei, dann ein Knirschen. Übelkeit stieg in mir hoch und ich musste mich zusammenreißen, dass ich mich nicht übergab. Das wäre ja mal übelst peinlich, wenn ich jetzt Schwäche zeigen würde! 

Es knallte, was mich aus meiner Trance riss. Der Zug war in den anderen gerast. Jetzt hätten wir weitere drei Minuten gehabt, doch da von hinten kein Zug mehr kommen konnte, waren es sechs. Nicht mehr lange, dann war ich hier endlich raus. 

Ich setzte meinen Fuß auf die Schienen und... sah Lichter. Ein Zug, von hinten... Wie konnte das sein? Man spielte mit uns! Sie hatten den Fahrplan geändert und ein Nebengleis reaktiviert! Ich presste mich erneut in die Nische und schluckte. 

Jetzt war es pures Glück. 

Der Zug rauschte vorbei, ich nutzte die Zeit und rannte, Hoodie war mir dicht auf den Fersen. Die heiße, abgestandene Luft sorgte während des Laufens dafür, dass ich pochende Kopfschmerzen bekam. Und das für ein Zwei-Tage-Visa? Es hatte sich überhaupt nicht gelohnt. 

Der Bahnhof kam in Sicht und ich schluckte erneut. Fast geschafft! Doch... Ein Zug. Noch war er im Bahnhof, aber wie lange noch? Jetzt musste ich improvisieren! Schnell warf ich mich in die Schienen, machte mich so flach wie es geht und betete, dass es funktionierte. Tatsächlich fuhr der Zug in jenem Moment an und kam immer näher. 

Ich hatte Angst... Angst, dass es nicht reichte. 

Zehn Meter... 

Fünf Meter und dann... 

brauste er über mich hinweg. 

Es hatte funktioniert, ich war am Leben. Schnell sprang ich auf und rannte das letzte Stück zum Bahnhof. Als meine Füße den rettenden Bahnsteig berührte, spürte ich, wie das Adrenalin endlich nachließ. Ich begann zu zittern. Es war definitiv keine Karo 2 gewesen, dafür war es zu schwer. Eher Pik. Aber dafür hatte man sich zu viel merken müssen. 

Hoodie zog sich auch auf den Bahnsteig, gefolgt vom Militärtyp, der mich nun auch musterte. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich meine Kapuze gar nicht mehr trug. Sie sahen mich... Ich sah zu Boden und wartete, dass andere Spieler zurückkamen. Es waren noch fünf. Insgesamt hatten 8 Menschen überlebt.

Das Spiel ist beendet!

Gratulation!

Allen Überlebenden wird ein zwei Tage Visa ausgestellt!

Den letzten Satz hörte ich kaum noch, denn ich war schon dabei, die Treppe nach oben zu rennen. Ich musste hier weg. Es war zu stickig und außerdem waren da noch die blauen Armbänder! Ich holte gierig Luft, als ich endlich wieder im Freien stand. Jetzt musste ich nur noch laufen, dann wäre alles-

"Hayashi Ayuna", eine Stimme hinter mir ließ mich zusammenzucken. Ich brauchte mich nicht umdrehen, um zu wissen, wer es war. Die Tonlage verriet es mir sofort. "Also hatte ich Recht", er räusperte sich, während ich die Luft anhielt. 

"Was willst du?", piepste ich schließlich, wobei es mich jegliche Überwindung kostete. 

"Weißt du, ein gewisses Mitglied in unserem Club kam vorgestern aufgeregt nach Hause. Er redete die ganze Zeit von einem Imposter. Es war komisch, bis dein Name fiel. Ich konnte es trotzdem nicht ganz glauben, bis ich dich heute sah", sein Grinsen konnte ich in seiner Stimme praktisch hören, "Du bist nicht so dumm, wie du aussiehst. Nicht so, wie sie es ist, habe ich Recht?" In mir brodelte es auf einmal. Er hatte seine Worte so gewählt, dass sie genau ins Schwarze getroffen hatten. 

"Was willst du!?", dieses Mal war meine Stimme lauter. Es ärgerte mich, dass ich ihm zeigte, dass er meinen wunden Punkt getroffen hatte. Er sah aus, als würde er so etwas gnadenlos ausnutzen - warum kam er näher?! 

"Der Hutmacher ist neugierig geworden. Und sie gab ihm keine Antwort", er stand jetzt neben mir, "Du kannst nicht mehr rennen, dass wusstest du schon, als du uns gesehen hast, oder?"

 Uns... Er meinte doch nicht... 

Im selben Moment spürte ich etwas gegen meinen Nacken krachen.

"Beach will dich kennenlernen, Hayashi Ayuna", war das letzte, was ich noch hörte, dann wurde alles schwarz.


The Winners Take It All | ChishiyaWhere stories live. Discover now