Kapitel 5

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~Legolas~

Die Elbin schaute mich mit leicht geöffnetem Mund an. Sie war sicher noch überrumpelt von dem jetzigen Kampf. Wenn ich nicht gewesen wäre...

Nein, ich dachte den Gedanken lieber nicht zu Ende. Ich streckte mein blutbesudeltes Schwert zurück in meinen Waffengürtel und zog mir dann die Kapuze vom Kopf.

,,Ich wollte dir keine Angst einjagen. Tschuldige.'' sagte ich auf elbisch zu ihr.

,,D-Danke.'' stotterte sie unbeholfen. Ich musterte sie. Sie hatte ein schönes und harmonisches Gesicht. Ihre Lippen waren in einem sanften roten Ton und zierlich geschwungen. Sie hatte eine kleine Nase und hohe Wangenknochen, die von goldenen Haaren umrahmt waren. Ihre Augen bildeten einen recht auffälligen Kontrast zu ihrem unschuldigen Gesicht. Ihre Augen waren rundlich und hatten eine zu ihrem Gesicht passende Form, doch in ihnen zeichnete sich Leid und Trauer ab. Auch ihre tiefen Augenringe bezeugte dies. Unter dem silbernen Harnisch hatte sie sanfte, weibliche Rundungen. Ihre starken Arme und ihre Haut waren recht blass. Sie erinnerte mich aus unverständlichen Gründen, an ein Licht in der Dunkelheit.

Sie versuchte sich aufzurichten, doch zuckte zusammen, als sie ihren Oberkörper krümmte. Ich ging einen Schritt auf sie zu. Sie sah zu mir auf, als ich ihr wortlos meine Hand helfende hinhielt. Nach kurzem Zögern ergriff sie meine Hand und ich zog sie hoch. Sie keuchte. Als sie auf eigenen Beinen stand, schwankte sie leicht.

,,Geht es?'' fragte ich sie vorsichtig, während sie sich noch immer an meine Hand klammerte. Anstatt mir zu antworten, ließ sie meine Hand los und torkelte zum Baum zurück. Sie schaute an ihm vorbei in die Büsche. Ihr Blick wanderte suchend umher.

,,Lass mich suchen. Setz dich lieber. Du bist verletzt.'' sagte ich zu ihr. Sie wägte mein Angebot kurz ab, nickte letztendlich und setzte sich mit Schmerz verzogenem Gesicht wieder hin. Ich ging nochmals zurück zu dem Kampfplatz, wo ich Alvaron an einen Ast angebunden hatte. Ich löste die Zügel und führte ihn zu der Elbin. Sie hatte ihren Rücken an den Baumstamm gelehnt und hielt sich mit ihrer linken Hand schützend ihren rechten Brustkorb. Ich band mein Pferd an einen niedrigen Ast und kramte aus dessen Satteltasche, einen schwarzen Lederbeutel hervor. Dann ging ich zu der Elbin zurück und gab ihr den Beutel, was mir einen misstrauischen Blick ihrerseits entgegenbrachte.

,,Silberkraut aus Rhodan.'' sagte ich erklärend und kurz angebunden.

,,Danke.'' sagte sie nun wahrlich dankbar und mit sichererer Stimme. Ich neigte den Kopf leicht und zog dann mein Schwert und kämpfte mich durch das Gebüsch um ihr Schwert zu finden. Die Dornen zerkratzten meine Rüstung und hätten vermutlich auch mit meinem Gesicht dasselbe gemacht, hätte ich nicht schon seit ich den Wald betreten hatte, eine grobe, silberne, Maske aufgehabt. Ich schlug mich also weiter unberührt durch die Dornen.

~Lilith~

Der fremde Elb verschwand im Gestrüpp, um mein Schwert zu suchen. Als er weg war, atmete ich erleichtert auf. Kurz versicherte ich mich, ob meine Dolche noch in meinen Stiefeln waren. So ganz, traute ich ihm noch nicht wirklich. Er verhielt sich meiner Meinung komisch und auch seine Maske, die er aufhatte, verstärkte mein Vertrauen in ihn nicht gerade. Ich betrachtete kurz sein Pferd. Es stand ruhig an dem niedrigen Ast und schaute mich neugierig an. Es war wunderschön, aber kein Pferd der Elben. An seinem Sattel hatte er zwei schlichte, schwarze Satteltaschen hängen. Ich dachte an den Elb. Oder genauer an seine Augen. Sie kamen mir irgendwie bekannt vor, doch ich konnte beim besten Willen nicht sagen, woher ich meines sie zu kennen. Sein Haar war lässig über seine Schultern gefallen und hatte die gefederten Pfeile in einem schwarzen Köcher verdeckt. Sein Pferd schnaubte und riss mich aus meinen Gedanken und ließ mich meinen Schmerz wieder spüren.

Ich setzte mich ein wenig gerader hin und löste die Schnüre meines Harnischs. Befreit atmete ich auf, als der Druck auf meiner Brust ein wenig gelindert war. Ich schob die zwei Teile des Brustpanzers ein wenig auseinander und zog meine weiße Tunika bis kurz unter meine rechte Brust hoch. Ich zischte und fluchte leise auf elbisch.

Ein riesiger blau-roter Bluterguss zog sich über meine rechte Seite. Ich tastete die Wunde vorsichtig ab, um zu sehen, ob etwas gebrochen war.

Ein verlegenes Räuspern ließ mich meine Tunika wieder hastig nach unten ziehen und meinen Harnisch wieder zurechtrücken. Die Tunika war recht durchsichtig, wie mir jetzt auffiel. Der Fremde trat an sein Pferd heran. Er versuchte, meinem Blick zu entgehen.

In seiner linken Hand hielt er mein Schwert. In seiner Rechten, seines. Er zog einen Stofffetzen aus einem der Satteltaschen und übergab mir dann mein gesäubertes Schwert. Danach machte er auch seines mit dem Stofffetzen sauber.

,,Wie schlimm ist es?'' fragte er mit einem Deut seines Kopfes auf meine vermutlich gebrochenen Rippen. Ich wollte gerade antworten, als sich plötzlich eine wohlige Dunkelheit über mich senkte. Mein Kopf nickte zur Seite. Ich hörte den Fremden noch wirre Dinge sagen.

,,Hallo? Elbin! Bleib wach!''

,,Nein!'' ich spürte wie raue Hände meine linke Wange untersuchten.

Dann fluchte jemand unterdrückt auf elbisch.

Ich hörte alles nur noch gedämpft, als ich in eine endlose Dunkelheit fiel und sich meine Augen schlossen.


Barad-dûr-Der dunkle Turm-Where stories live. Discover now