Five

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Angeline

Meine Finger trommelten ungeduldig auf der Armlehne meines Sessel. Ich schaute noch einmal auf meine Armbanduhr, um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht in der Zeit verschätzt hatte. Aber das hatte ich, tat ich nie, weil ich pünktlich war, und zwar immer. Ganz im Gegenteil zu ihr. Sie war so beschäftigt mit ihrem Leben, dass sie kaum Zeit für Kleinigkeiten hatte. Kleinigkeiten, wie ihre Tochter zu treffen.

Es sollte mich vermutlich nicht mehr wundern, dass sie mich selbst zwischen ihren ganzen Terminen kurzfristig versetzte oder mich sogar vergaß, aber es tat immer wieder aufs Neue weh. Dabei fragte ich mich ernsthaft, wie ihr Kalender so dermaßen voll sein konnte. Daddy leitete die Firma, und zwar ohne die Hilfe seiner Frau. Meine Mom hielt sich von jeglichen geschäftlichen Dingen fern, ganz im Gegensatz zu mir. Sie war der Meinung, dass eine Frau nichts im Vorstand - oder überhaupt in einer Businessfirma - zu suchen hatte, was ich absolut nicht unterstreichen konnte. Die Welt war bereits unter der Kontrolle von Männern, wir, Frauen, durften nicht einfach daneben stehen und dabei zusehen, wie die Erde ihretwegen in Flammen aufging und nichts mehr übrig lassen würde.

Meine Mom und ich könnten unterschiedlicher nicht sein. Für sie bestand die Welt nur aus Charities, Champagner, Spa-Aufenthalte und noch mehr Champagner. Für mich hingegen hatte die Welt weitaus mehr zu bieten. Ich studierte, im Gegenstaz zu ihr. Ich suchte mir eine richtige Arbeit, im Gegensatz zu ihr. Ich verdiente mein eigenes Geld, im Gegensatz zu ihr.

Die einzige Ähnlichkeit lag in unserem Aussehen. Dieselben blonden Haare, dieselben blauen Augen, dieselbe markellose Haut - wobei meine durch eine wirklich gute Feuchtigkeitscreme und ihre durch ein bisschen Botox zu erklären ist.

Und obwohl wir absolut keine Gemeinsamkeiten hatten, liebte ich sie trotzdem, auf eine Weise, die ich selbst nicht so ganz erklären konnte. Sie war einfach meine Mom, die Frau die mich - mit Hilfe von Carla, meinen damaligen Kindermädchen - großgezogen und mich zu der Frau werden lassen hat, die ich heute war. Naja, eigentlich wäre es ihr lieber, wenn ich jeden Sonntag mit ihr und ihren Freundinnen brunchen gehen würde, aber zumindest hat sie meinen Weg halbwegs akzeptiert.

Wir beide waren erfolgreich in dem, was wir taten. Ich, im Leiten einer Multimillardenfirma und meine Mom, im ... nunja ... Auswählen der richtigen Häppchen für unterschiedliche Veranstaltungen. Und genau deswegen sahen wir uns auch nicht allzu häufig, weil wir einfach zu sehr in unseren Terminplanner eingespannt waren. Auch wenn ich mir manchmal wünschte, ein besseres Verhältnis mit ihr zu haben, hatte ich das Gefühl, genau die richtige Dosis an Mütterlichkeit abzubekommen.

Nichtdestotrotz nahm ich mir Zeit, um ihr ein kleines Update über meine ... momentane Lage zu geben. Sie war meine Mutter, sie hatte es verdient zu wissen, was in Zukunft anstehen würde - oder sollte ich lieber sagen, wer in Zukunft neben mir stehen würde, und zwar winkend für die Kamera?

"Angel!" Die Stimme meiner Mutter riss mich aus meinen Gedankengängen. Ich hob den Kopf und blickte in ein Gesicht, das ich täglich im eigenen Spiegel sah, nur war es etwas älter als meines.

"Mom", begrüßte ich sie, stand auf und drückte sie einmal fest. Da sie an beiden Händen jeweils vier volle Tüten trug, war es schwer, sie allerdings auch nur zu erreichen. "Wie ich sehe, warst du vor unserer Verabredung noch etwas shoppen."

"War ich", nickte sie und übergab einem vorbeilaufenden Kellner ihre Tüten. Er sah perplex und verwirrt aus, doch meine Mutter achtete schon gar nicht mehr auf den armen Mann und redete wild umher. "Ich war gerade auf dem Weg hierher, als ich bei diesem süßen Laden an der Ecke ein paar Schätze entdeckt hatte. Du weißt doch, wie ich bei Klamotten bin." Sie kicherte leicht und ließ sie plumpsend auf dem Sessel mir gegenüber nieder.

The Warren-Games | (Broken Billionaires, #2)Where stories live. Discover now