Bei Marco piept es

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In den folgenden Nächten leistete Seren Ace bei der Wache Gesellschaft, wie sie es gesagt hatte. Viel Zeit für Schlaf blieb ihr nicht, weil Marco keine Ahnung hatte, was sie trieb, wenn es dunkel war. Sie genoss die Stunden mit dem Kommandanten der zweiten Division, denn sein Verhalten hatte sich geändert. Seine Unbeschwertheit hielt an, egal, über was sie redeten. Die beiden konnten einfach ungezwungene Unterhaltungen führen und miteinander lachen. Tatsächlich war es genau das, was sie sich immer erhofft und gewünscht hatte. Oft erzählte er ihr von seiner Zeit, als er selbst Kapitän war und dem abstrusen Plan, Whitebeard zu besiegen. Sie kannte die Piraten über einen Monat und wusste deswegen sicherlich noch nicht viel, aber dass die Kraft des Kaisers jene von Ace bei weitem überstieg, war offensichtlich. Jeden Moment mit dem jungen Mann genoss sie in vollen Zügen und wünschte sich des Öfteren, dass sie niemals ein Ende fanden, doch das würden sie. Leider.

Nach wenigen Stunden Schlaf wachte Seren gegen Mittag auf. Zum Glück war die Woche Nachtwache nun rum. Enthusiastisch schwang die Blondine sich aus dem Bett und zog sich um, bevor sie sich auf Zehenspitzen in Ace' Kajüte begab.
     Der Kommandant schnarchte leise und hatte die Decke bis über seine Hüfte gezogen. Ein Arm lag oberhalb von seinem Kopf, die Rechte hatte er auf dem Bauch, das eine Bein ausgestreckt und das andere angewinkelt. Die schwarzen Haare waren wild durcheinander. Sonst sind die ja auch nicht akkurat gekämmt. Aber süß. Sie musste grinsen und ignorierte die Kopfschmerzen, an die sie sich immer mehr gewöhnte, wenn sie nicht zu penetrant wurden. Nachdenklich verschränkte die junge Frau ihre Arme. Sollte sie ihn tatsächlich wecken? Eigentlich wartete Marco ja auf sie, doch ihre Lust, schon wieder über den Papieren zu hängen, hielt sich stark in Grenzen. Wie automatisch trugen ihre Füße sie zum Bett und sie setzte sich zu ihm. Behutsam berührte sie mit ihren Fingerspitzen die roten Perlen seiner Kette und strich bedächtig abwärts, bis ihre Hand auf seiner Brust ruhte. Mit den Augen folgte sie der eigenen Bewegung und spürte seinen kräftigen Herzschlag.
     »Sollte man nicht vorher fragen?«, erklang Ace' verschlafene Stimme.
     Erschrocken schoss ihr Blick zu ihm. »Entschuldige«, versuchte sie, ihre Linke zurückzuziehen, doch der Kommandant umfasste sie mit seiner Hand und hielt sie fest.
     »Was wolltest du denn?«, fragte er ruhig.
     Seren spürte ihre Wangen warm werden und hatte gerade einfach nur das Bedürfnis nach Abstand. Wie konnte er überhaupt so gelassen bleiben? »Es war nicht meine Absicht, dich zu wecken«, meinte sie schnell.
     »So?«, schaute er sie belustigt an. »Wegen irgendwas bist du doch hier. Was ist es?«, musterte er die junge Frau neugierig, konnte sich keine Antwort vorstellen.
     »Um der Wahrheit Vorrang zu geben. Ich habe Lust auf einen Ausflug und will heute mal nicht den Rest des Tages in Marcos Kajüte verbringen«, probierte sie sich an einem Lächeln, was allerdings eher schief wirkte.
     Der Kommandant hatte geplant, bis zum Abend zu pennen und dann die Küche zu plündern, bevor er wieder ins Bett ging. Die letzte Woche war zwar durch Serens Gesellschaft erträglicher gewesen, das änderte aber nichts an dem Minimum an Schlaf, was er lediglich bekommen hatte. Als er es schaffte, ihre blauen Augen mit seinen braunen durch den Blickkontakt zum Stillstand zu bringen, wurde es ihm klar. Er würde ihr den Wunsch nicht abschlagen. Es war streng genommen erst das zweite Mal, dass sie um etwas bat, seit sie auf der Moby Dick war. Und beide Male hatte es mit ihm zu tun. Ace verkniff sich sein Grinsen. »Sag das doch gleich. Ich bin dabei«, meinte er bereitwillig.
     »Echt?«, wurde aus ihrem aufgesetzten ein aufrichtiges Lächeln.
     »Klar. Du müsstest mich nur aufstehen lassen«, zwinkerte der Kommandant.
     »Oh! Ja natürlich«, drückte sie sich auf seiner Brust ab, um eine sitzende Position einzunehmen, und zog dann eilig ihre Hände zurück.
     »Ich ziehe mich nur schnell an«, stieg er aus dem Bett und lief, lediglich mit seiner Boxer bekleidet, zum Schrank.
     Rasch drehte die junge Frau den Kopf weg, um nicht in weitere Verlegenheiten zu kommen.

»Wir sind allerdings leider nicht in der Nähe von irgendeiner Insel«, stieß Ace den Striker mit seinem Fuß aus dem Laderaum.
     »Das ist mir klar, sonst hätte Marco mich schon längst wegen Einkaufslisten behelligt. Ich will ihn einfach mal ein paar Stunden nicht sehen«, fasste sie ihre blonde Mähne mit beiden Händen zusammen, drehte sie ein und befestigte den Dutt mit einer Haarnadel. »Können wir dann?«
     »Klar. Komm her«, meinte er gelassen und sie zog fragend eine Braue hoch. »Ich weiß, dass du da allein runterkommst. Aber deine Wunde könnte aufgehen«, sagte er ernst.
     »Ist ja gut«, seufzte sie und ließ sich von ihm hochheben.
     Mit Seren auf den Armen sprang der Kommandant hinunter auf das kleine Boot und setzte sie ab. Die junge Frau machte es sich auf dem Bug bequem, wie sie es schon beim letzten Mal getan hatte.
     »Wo möchte die Dame denn hin?«, wollte er mit einem breiten Grinsen wissen.
     »Egal. Bring nur ausreichend Abstand zwischen uns und den Kanarienvogel«, zog sich ihr ein Lächeln auf die Lippen.
     Innerlich erlag der Sommersprossige einem Lachanfall. Sollte sie Marco das jemals ins Gesicht sagen, würde der garantiert eine totale Krise bekommen. »Dann mal gut festhalten«, sauste er los und Seren legte ihren Kopf in den Nacken.
     Es war ein befreiendes Gefühl, wenn man mit einer solchen Geschwindigkeit über das Wasser raste. Selbst die Wolken zogen schneller vorüber. Irritiert schaute sie zu dem Hutträger, als er abrupt anhielt.
     »Wir müssen in Sichtweite der Moby bleiben. Ich habe keine Vivrecard dabei«, stellte er fest.
     »Stimmt. Da war was«, seufzte sie resignierend. An dem Umstand konnte man nichts ändern, egal, wie sehr man es wollte.
     »Was machen wir denn jetzt?«, setzte er sich und legte die Arme auf seinen Knien ab.
     »Ich würde dich ja fragen, ob du eine Runde schwimmen magst, aber das geht ja leider nicht«, stand die Blondine auf.
     »Nein. Warte, das ...«, wollte er sie noch stoppen, als sie bereits sprang. »Mist«, stieß er atemlos aus. Sie befanden sich mitten in einem Gebiet, wo Seekönige häufig auftauchten. Es war schon keine sonderlich schlaue Idee, mit dem Striker loszufahren, aber sich als Köder ins Meer zu stürzen, grenzte an Selbstmord. Hektisch sah er sich um und entdeckte die junge Frau. Mit Rufen und Gesten versuchte er, sie anzuweisen, wieder aufzutauchen, allerdings zeigte sie lediglich einen Daumen nach oben.
     Seren genoss die angenehme Stille, welche sie umhüllte. Über das Gehampel von Ace konnte sie sich nur amüsieren und verstand beim besten Willen nicht, was er hatte. Immerhin war sie keine Teufelsfruchtnutzerin und konnte schwimmen. Wieso also diese Versuche, sie zum Auftauchen zu bewegen? Der Kopf des Sommersprossigen drehte sich beinahe in Zeitlupe zum Heck des Strikers und da fiel es ihr ebenfalls auf. Ihr Blick schnellte dorthin und ein gigantischer Aal schwamm auf sie zu.
     Zur Untätigkeit verdammt, starrte Ace das Ungetüm an. Er war nicht in der Lage, dem Vieh irgendwie zu schaden, solange es sich unter Wasser befand. Das Meer stellte für ihn Freiheit und Fluch zugleich dar. Verzweifelt ballte der Kommandant die Fäuste und konnte nicht akzeptieren, das tatenlos mitanzusehen. Zu springen, würde nichts bringen und ihn nur zu einem weiteren Problem für die junge Frau machen.
     Seren starrte stur auf den Aal und bemerkte, wie sich der Phönix bereits näherte. Flucht kam für sie nicht in Frage. Dieses Ungeheuer würde den Striker mit einem Bissen als Mittagssnack verschlucken. Ich habe keine Wahl.
     Die zwei Piraten spürten etwas, das sie nicht einordnen konnten, und ihre Augen weiteten sich. Ace sah dem Monstrum zu, wie es in die Tiefe sank und konnte den Zusammenhang nicht herstellen. Wie war das denn möglich?
     Sekunden danach durchbrach Seren die Wasseroberfläche und schnappte geräuschvoll nach Luft. Mehrmals atmete sie durch, fixierte die Kommandanten und musste leicht grinsen, bevor sie mit drei kräftigen Zügen wieder am Striker war. Sie stemmte sich auf dem Bug hoch und schwang ihr eines Bein darüber. Ihren Dutt löste sie und wrang sich die blonde Mähne aus.
     »Habt ihr jetzt beide völlig den Verstand verloren?!«, schrie der Vogel los. »Ist euch entfallen, was bei eurem letzten Ausflug passiert ist?!«, krächzte er empört. »Nicht mal eine Woche Nachtwache hat es geschafft, dass du mal nachdenkst«, meckerte er Ace an. »Auf die Moby! Sofort!«, befahl er knapp und erhob sich erneut in die Luft.
     »Tch«, verzog Seren missbilligend das Gesicht.
     »Geht es dir gut?«, hockte sich der Sommersprossige besorgt vor sie.
     »Warum sollte es nicht?«, stellte sie lächelnd die Gegenfrage.
     »Der Seekönig ... Ich meine, erzählst du mir, wie du das gemacht hast?«, legte er seinen Kopf schief.
     »Du bist zu neugierig, Fünkchen. Lass mir doch das eine oder andere Geheimnis«, zwinkerte sie. »Und jetzt gib besser Gas, sonst bekommst du am Ende wieder den Ärger«, fügte sie seufzend hinzu und er fuhr los.

Dem Schicksal verpflichtetWhere stories live. Discover now