Hanna ist das komplette Gegenteil von Phoebe. Sie hat schulterlange blonde Locken, hellblaue Augen und trägt gerne Röcke und Kleider in Pastellfarben. Im Gegensatz zu Phoebe, die ein selbstbewusstes Auftreten hat, ist Hanna eher zurückhaltend und betreibt statt Ball- und Kampfsport lieber Yoga. Außerdem hat sie seit Beginn der Highschool einen Freund, an dem sie andauernd klebt und mit dem sie große Zukunftspläne hat. Es vergeht kein Gespräch, in dem sie ihn nicht erwähnt und über ihren supertollen Schatz schwärmt.

Darüber kann ich nur die Augen verdrehen. Zwar gönne ich ihr ihr Glück und wünsche ihr nur das Beste. Aber ich weiß aus Erfahrung, dass sich Menschen mit der Zeit verändern können. Pläne können sich ändern.

Deshalb will ich keinen Freund. Stattdessen konzentriere ich mich auf mich selbst. Das erspart mir unnötigen Liebeskummer. Lieber stecke ich meine wertvolle Zeit in mein Kampfsport-Hobby, Serienmarathons, Hörbücherhören und meine Schulnoten.

In nur wenigen Monaten werden wir die Highschool beenden. Ich will nach meinem Abschluss an einem renommierten College angenommen werden, später einen gut bezahlten Job haben, durch den ich unabhängig bin und um die Welt reisen kann.

»Ich habe übrigens das Fantasy-Hörbuch, von dem ich euch letztens erzählt habe, fertig gehört«, versuche ich, das Thema auf interessantere Dinge zu wechseln.

Vor ein paar Wochen habe ich Hörbücher für mich entdeckt und mir ein Probeabo von einem Online-Anbieter geholt. Seitdem höre ich sie regelmäßig. Am liebsten, wenn ich längere Spaziergänge mache oder wie heute Morgen eine Viertelstunde zu Fuß in die Schule gehe. Das Eintauchen in andere Welten macht mir nicht nur Spaß, es lenkt mich vor allem ab.

»Oh, cool. Der Einstieg ist dir ja schwergefallen, soweit ich mich erinnere. Aber wenn du es bis zum Ende geschafft hast, kann es ja gar nicht so schlecht gewesen sein, oder?«, mutmaßt Phoebe.

»Das liegt daran, dass ich mit der Sprecherin zunächst nicht so warm geworden bin«, erkläre ich. »Aber wenn man länger hört, gewöhnt man sich an die Stimme. Die Handlung war echt spannend und es gab einige unerwartete Wendungen. Ich kann es nur empfehlen.«

»Ich kann da irgendwie nicht so lange dranbleiben. Aber wenn es wirklich so gut ist, kaufe ich mir das Buch.« Phoebe holt ihr Handy hervor und lässt sich von mir den Titel nennen, den sie zu ihrer Merkliste hinzufügt. Dann steckt sie ihr Smartphone wieder weg.

»Ich höre aktuell lieber True-Crime- und Ernährungs-Podcasts«, meint Hanna. Ihre Augen wandern zur Seite. »Oh, er hilft ihr. Was für ein toller Kerl«, flötet sie sarkastisch. »Dabei weiß er doch sicher, dass sie das absichtlich gemacht hat.«

Wir folgen ihrem Blick. Ben sammelt gemeinsam mit dem Mädchen ihre Bücher auf. Die beiden wechseln lächelnd ein paar Worte miteinander, ehe sie glücklich von dannen zieht. Besser gesagt zu ihrer aufgeregten Clique, die sie sofort in Beschlag nimmt und vermutlich wissen will, wie das Gespräch mit Mr Obercool gelaufen ist.

Besagte Person unterhält sich nun wieder mit seinen Freunden, die allesamt aufgestanden sind – vermutlich, weil die Pause gleich zu Ende ist. Seine supertollen beliebten Freunde, wegen denen er mich links liegen gelassen hat.

Ich bin nun mal kein reicher Footballcaptain wie Kyle Jackson, Gelegenheits-Model wie Shane Davis oder Kickboxmeisterin wie Railey Young, die wie ihr Zwillingsbruder Dean und ihr Freund Austin Anderson erfolgreich Kampfsport betreibt. Immerhin hat Railey schon mehrere Meisterschaften gewonnen und vor ein paar Monaten bei einem Wettkampf einen größeren und stärkeren Typen weit oberhalb ihrer Gewichtsklasse besiegt, was sich wie ein Lauffeuer an der River High herumgesprochen hat. Seitdem haben die Schüler Respekt vor dem gerade mal ein Meter fünfzig kleinen Mädchen.

Seeking Your Love (Kiss'n'Kick 2: Ally & Ben)Where stories live. Discover now