12. Kapitel

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Aus Annas Perspektive

Der Abend verläuft super entspannt und schön. Der Wein trägt sein übriges dazu bei. Dieser schmeckt auch Maxi sehr gut, so dass wir bald beschließen, dass ich in einem der Gästezimmer übernachten werde und Maxi mich morgen früh dann mit ins Retreat nehmen wird, während Jan und Fine nach Regensburg fahren werden. 

Ich liege, ganz selig, in meinem Bett und genieße das leicht schwerelose Gefühl. Ich habe gut gegessen und getrunken. War von netten Menschen umgeben und ich habe mich zum ersten Mal auch in Jans Anwesenheit einfach wohl gefühlt. Ob das wohl daran lag das Maxi da war und mir Sicherheit gegeben hat? Bestimmt auch. Aber auch die Sicherheit, dass Jan nichts gegen meinen Willen unternehmen wird und erst dann wirklich Initiative ergreift wenn mein Kopf und mein Bauch soweit sind, gibt mir viel. Ich glaube, ich muss mich bewusst mit allen Sinnen dafür entscheiden. Erst dann kann ich mich tatsächlich auf eine Therapie einlassen. Trotzdem läuft mir etwas die Zeit weg. Und ja, ich spüre wie ich mich hier erholen kann und es mir gut geht. Trotzdem ist dieses nagende Gefühl im Hintergrund, dass es mir schwer macht wirklich abzuschalten. Ich zwinge mich nun dazu, an etwas Schönes zu denken und drifte dann davon. 

Aus Jans Perspektive

Fine und Anna sind schon ins Bett gegangen, während Maxi und ich noch auf ein letztes Bier draußen sitzen. 

"Was hast du für einen Eindruck von Anna?", fragt mich Maxi.

"Hm schwierig. Sie kämpft so sehr mit sich selbst. Ich habe sie heute morgen um 6 im Park gefunden. Sie schien völlig weggetreten."

"Okay. Nicht gut!"

"Na ja. Also ich habe schon das Gefühl, dass sie hier rein körperlich gesehen, sich erholt und sicher auch runterkommt. Aber ich kann und werde sie nicht dazu zwingen ihre Trauma-baustellen anzugehen. Das muss von ihr selber kommen!" 

"Das ist auch richtig so. Es läuft uns nur langsam die Zeit davon!"

"Dann kommt sie eben wieder, wenn sie soweit ist. Ich werde ihr hier nichts aufzwingen," sage ich entschieden. "Sie spürt, dass es hier ein guter Ort ist. Dass sie hier zur Ruhe kommen kann und es ihr gut tut hier zu sein. Das ist der erste Schritt. Und selbst wenn sie in 3 Tagen wieder von hier fährt, weiß sie, dass sie hier einen Rückzugsort findet. Ich werde ihr klar machen, dass sie immer hierher kommen kann."

"Das ist gut. Weißt du sie ist für mich eine sehr gute Freundin und Timo natürlich auch und ich möchte sie natürlich nicht so leiden und kämpfen sehen. Auf der anderen Seite haben wir fest ausgemacht, dass wir das Trauma nicht thematisieren, aber es fällt mir wirklich schwer. 

"Das kann ich gut nachvollziehen. Vielleicht kannst du ja morgen mal etwas das Kardiologische abklopfen. Also wie sie mit den Medis und so zurechtkommt. Du bist doch auch ihr Kardiologe, oder?"

"Ja, mehr oder weniger. Sie hat einen in München, aber das läuft alles in Absprache mit mir. Das ist eine gute Idee. Vielleicht öffnet sie sich dann mir gegenüber noch etwas weiter."

"Vielleicht und wenn nicht ist das auch in Ordnung. Weißt du, ich denke sie spürt schon auch die Erwartungshaltung und von der müssen wir uns freimachen. Entweder es funktioniert eben, oder nicht. Dann ist es so und wir müssen es akzeptieren."

"Du hast recht. Aber man will natürlich für eine Freundin nur das Beste!"

"Klar will man das und auch mir fällt es schwer, sie nicht einfach zu einer Konfrontation zu zwingen. Aber die Gefahr der Retraumatisierung ist so groß, dass es das nicht wert ist. Zu keinem Zeitpunkt. Sie ist schließlich wegen ihrer Erkrankung auf medizinische Unterstützung angewiesen. Es wäre fahrlässig zu riskieren, dass sie sich uns hier auch verweigert."

"Hmpf!"

"Komm Alter, lass uns ins Bett gehen."

"Das wäre wahrscheinlich eine ganz gute Idee!"

"Mit Sicherheit!", Jan grinst mich an. "Schlaf gut!"

Spaziergang zur inneren Mitte oder Annas GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt