Der König

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"Mehr gibt es nicht zu fressen? Was soll das?" Der Ork klang sehr verärgert über seine Mahlzeit. "Ihr Nichtsnutze! Wisst ihr denn nicht, wer ich bin? Urshak! Merkt euch das. Ihr bringt Urshak, eurem General, einen einzigen Menschen. Wie soll ich davon satt werden? Geht mir aus den Augen und kommt erst wieder her, wenn ihr mir mehr besorgt habt. Mehr! Habt ihr verstanden? Mehr!".

Jedes Wolfsgeheul im Tal klang wie ein süßes Katzenschnurren im Gegensatz zu einem Ork, der nicht genug zu essen bekam. Jeder Hase, jeder Vogel, sogar jeder Wolf dürfte das Weite gesucht haben. Remy hätte sich gerne die Ohren zu gehalten, aber gefesselt auf einem Karren war er Urshak und seine Truppe an Kämpfern ausgesetzt.

Sie hatten nicht weit von der Hütte entfernt ein Lager aufgeschlagen. Bäume wurden abgeholzt, um ein großes Lagerfeuer zu errichten. Große Zelte wurden von einigen Orks aufstellt, während die Ghule auf den brennenden Pferden durch das Tal ritten, um Nahrung zu besorgen. Eine ziemlich undankbare Aufgabe, denn außer den paar Tieren, die für einen Ork bestenfalls als kleine Zwischenmahlzeit dienen konnten, gab kaum noch etwas. Die nächste menschliche Siedlung dürfte selbst mit einem Pferd mehr als zwei Tage entfernt sein und so lange würde keiner der hungrigen Kreaturen warten wollen.

"Sagt mal, warum habt ihr eigentlich kein Proviant mitgenommen? Anscheinend habt ihr ja großes vor, da hätte man doch...", fing Remy an, in die Runde zu fragen als einen Schlag gegen Kopf spürte. "Schweig! Essen redet nicht!" Einer der Krieger hatte den Mann mit einem kleinen Stein abgeworfen und ging auf ihn zu. "Menschen sind Feiglinge. Wir kommen nach Proviant. Proviant nicht kämpfen, Proviant einfach gehen. Wir kein Essen!" Offensichtlich meinte dieser Ork mit Proviant die Menschen in Zenaturia, das Reich, das sie durchqueren musste, um hierherzukommen. Und offensichtlich war auch nicht jeder seiner Rasse so wortgewandt wie ihr General, der zumindest ganze Sätze bilden konnte.

Die Lage hätte besser ein können. Das Wetter war zwar ruhiger und das Klima minimal angenehmer als die Tage zuvor, aber Remy hatte Hunger und lag außerdem seit Stunden auf einem Holzkarren, ohne sich bewegen zu können. Dazu stanken seine neuen Freunde hier bestialisch.

Weiter oben war auch Alina zur Bewegungslosigkeit verdammt. Einer von Ragnar's Männern hatte sie, weiterhin eingepackt in einem Sack, in eine Ecke der großen Halle geschmissen, welche beim Betreten des Tempels sich direkt hinter dem Eingang befand. Den Geräuschen nach zu urteilen, stand der Mann wohl immer noch in der Nähe, um auf die Gefangene aufzupassen.

Ragnar und der Rest der Truppe inspizierten währenddessen das Gebäude. Die Decke war in etwa hoch wie der Saal einer Kirche, der Boden bestand aus fein poliertem Marmor. Auch im Inneren setzte sich die Säulenarchitektur durch, auch diese hatten eine Vorrichtung für Kristalle. Allerdings war in jeder Säule bereits ein Kristall eingesetzt. Dadurch schimmerte jede Säule bläulich und erhellten so die Halle, in der mangels Fenster sonst kein Sonnenlicht hineinkommen konnte.

"Sucht alles ab! Vielleicht gibt es hier irgendwelche Schätze. Falls ihr welche von diesen Viechern sieht, habt ihr meine Erlaubnis, sie auszuradieren." Ragnar teilte seine Männer auf, während er selber sichtlich verzweifelt mit dem Buch beschäftigt war. "Wie zum Teufel geht es jetzt weiter? Ich versteh es nicht! Des Königs Zeitenwende beginnt? Pelisek?"

Dann tauchten große Schatten weiter oberhalb einer Treppe auf, welche am Ende der Halle begann. "Lakota!", brüllte eine noch tiefere Stimme als die von Ragnar entgegen. "Lakota ist mein Name. Wer wagt es, unser Reich zu betreten?"

"Ragnar von Uradium ist mein Name. Ich bin gekommen, damit ihr euch anschließt. So steht es hier im Buch. Alle Rätsel sind gelöst, nur die letzte Seite verstehe ich nicht." Während er diese Worte sprach, zog er heimlich hinter seinem Rücken seine Axt hervor und zog sein rechtes Bein etwas zurück.

Das Reich der WölfeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt