5 - Spark

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Charlottes Kopf lag an seiner Brust, während seine Arme um ihren Körper lagen, um sie auf seinem Schoß zu halten. Sie hatten kein Wort gesagt.

Bucky wusste, dass sie gerade eine unsichtbare Linie überschritten hatten. Man konnte vieles vergessen oder verdrängen, aber das hier nicht. Es war in sein Gehirn eingebrannt: Charlotte in seinem Schoß, ihre Haare ein einziges Chaos, ihre Lippen einen Spalt breit geöffnet, ihre Finger, die sich in seine Haare und Kopfhaut krallten und die Funken, die überall um sie herum zu sprühen schienen.

War das wirklich passiert? Bucky schluckte leise. Verdammt. Warum bereute er es nicht? Er sollte es bereuen. Er sollte sich schlecht fühlen. Warum wollte sein Körper sich nicht schlecht fühlen?

Ein Knistern ließ sie beide aufhorchen. "Bucky? Charlotte?" Steve.

"Huh. Nett, dass er auch nach mir fragt", bemerkte Charlotte und lehnte sich zurück, um das Mikro in die Hand zu nehmen. Sie machte keine Anstalten aufzustehen.

"Anwesend, Captain", sagte sie mit verstellter Stimme ins Mikro.

"Wir sind da, Steve. Wie läuft's?", sagte Bucky mit einem gespielt wütenden Blick in Charlottes Richtung, die nur leise lachte.

"Wir haben den Vorsprung gefunden, Tony berechnet die Sprengungen. Wir sollten morgen früh so weit sein."

"Ich bin ja nur ungerne der Spielverderber, aber wir haben hier keine Uhr", sagte Charlotte trocken, bevor Bucky etwas erwidern konnte. Er verkniff sich ein Grinsen. Diese Frau wollte wirklich jedem auf die Nerven gehen.

"Oh, stimmt, tut mir leid. Dann funke ich euch nochmal an, bevor wir anfangen."

"Mööp", machte Charlotte mit einem Augenverdrehen. "Und ich sitze hier die ganze Zeit herum und halte das Teil am Laufen? Nee danke, ich will schlafen. Wir funken euch an."

Steve war kurz still, Bucky überlegte, ob er genervt war oder einfach nur nachdachte. "Du hältst das Funkgerät am Laufen?", fragte Steve dann und Bucky biss sich auf die Zunge. Steve verstand genau so gut wie er selber, dass Charlotte sich hier gerade quasi selber auslieferte.

Charlotte seufzte übertrieben laut. "Bin ich nicht ein herzensguter Mensch?"

Bucky konnte sich Steve geradezu bildlich vorstellen, der jetzt nicht wusste, was er tun sollte. Er nahm Charlotte das Mikro aus der Hand. "Steve, wir legen uns jetzt hin, wir funken euch an, wenn wir wieder wach sind. Dann sehen wir weiter."

Kurz war es noch still, dann antwortete Steve wieder. "Okay, ja, bis dann."

Das Gespräch brach ab und Charlotte sackte etwas in sich zusammen. Bucky fing sie auf. Die Lämpchen am Funkgerät waren aus.

"Du bist fantastisch", murmelte Bucky in ihre Haare und hörte sie leise lachen. Die Lampe über ihren Köpfen flackerte kurz. "Ups."

Bucky lächelte und strich ihr über den Rücken. "Ich hole unsere Kissen."

Das Licht erlosch, als sie auf dem Boden lagen, ihre Arme wieder umeinander geschlungen. Bucky versuchte, seine Gedanken zu sortieren. An den ersten Tag unter der Erde konnte er sich nicht wirklich erinnern, immerhin war er ziemlich angeschlagen gewesen. Aber trotzdem ergab etwas in seinem Kopf keinen Sinn mehr.

"Charly?", fragte er leise in die Dunkelheit und stockte. Spitznamen?

"Bucky?", erwiderte sie.

Er blinzelte in die Stille. War das das erste Mal, dass sie ihn bei seinem Namen genannt hatte? Er konnte sich nicht erinnern, aber er spürte sein Herz gegen seine Brust schlagen. Und Charlotte musste es genauso spüren.

"Warum hast du mir geholfen? Am Anfang?"

"Hab ich dir doch gesagt."

"Ja, aber zu dem Zeitpunkt hattest du schon Steine weggerollt, von dir selber und von mir, oder? Irgendein Fels hat dein Bein getroffen, aber wir waren frei, als ich aufgewacht bin. Außerdem hättest du mich töten und dir den Arm einfach nehmen können. Du brauchtest mich nicht."

Bucky spürte, wie sie sich bewegte. Ihre Hand berührte sein Gesicht und er schloss seine Augen. "An was erinnerst du dich bei dem Einsturz?", fragte sie leise.

Bucky zuckte mit seiner Schulter. "Es war dunkel. Dann kam der Aufprall und alles hat gewackelt. Die Decke ist eingestürzt und dann nichts mehr."

"Mhm", machte sie, zögernd. Dann holte sie Luft und sprach weiter. "Als die ersten Steine heruntergekommen sind, hast du dich über mich geworfen. Du hättest mich einfach liegen lassen können, um dich selber zu schützen, oder was weiß ich. Aber du hast mich beschützt. Vielleicht habe ich Dinge getan, die nicht in Ordnung waren, aber so viel Ehre habe ich dann doch noch, dass ich nicht jemanden im Stich lasse, der mir das Leben gerettet hat."

Bucky zog seine Augenbrauen zusammen und versuchte, sich zu erinnern. Er hatte sie noch zu fassen bekommen, kurz bevor alles eingestürzt ist. Er hatte sich über ihren Körper gelegt, es stimmte. Er hatte in dem Moment nicht darüber nachgedacht, ihm war nur klar gewesen, dass sein Körper mehr aushielt als ihrer.

Dann kam etwas anderes, was sie gesagt hatte, in seinem Kopf an. "Warum hast du die Dinge getan, wenn du weißt, dass es nicht in Ordnung war?"

Stille. Dann: "Rache."

Bucky holte tief Luft.

"Das Bergdorf, das ich niedergebrannt habe... ich bin dort aufgewachsen."

Bucky seufzte leise. Sie brauchte gar nicht viel mehr zu sagen, er konnte sich ungefähr vorstellen, wie es abgelaufen war. Ein Kind, das Funken sprühte und Stromschläge verteilte. Natürlich war es nicht einfach gewesen.

"War es das wert?", fragte Bucky vorsichtig.

Charlotte schnaubte. "Nein."

Bucky hielt seine Luft an.

"Was denkst du, warum wir deine Freunde anfunken? Dinge zu zerstören ist eine prima Ablenkung von den eigenen Gefühlen und Rachefantasien. Eine gerichtlich verordnete Auszeit könnte mir guttun."

Bucky schluckte, wusste nicht, was er sagen könnte.

"Bah, hör dir das an. Ein paar Tage im Berg mit dir begraben und schon entwickele ich ein Gewissen. Ist ja ekelhaft."

Bucky verdrehte mit einem Lachen seine Augen und zog sie enger an sich, um sie zu küssen. "Du bist faszinierend", murmelte er gegen ihre Lippen. Er hatte einen sarkastischen Kommentar erwartet, aber stattdessen spürte er nur ihr Bein, das sich über seine legte und ihre Lippen, die drängender gegen seine drückten.

Etwas knisterte leise und Bucky öffnete seine Augen. Charlotte saß über ihm, auf ihrer Haut zuckten Funken umher, das einzige Licht in der dunklen Höhle. Ihre Hand legte sich um sein Kinn, zwang ihn, ihr in die Augen zu sehen. Er spürte, wie die Funken auf seine Haut übergingen, alles in seinem Körper kitzelte.

"Ich will kein Wort von dir hören", knurrte sie, dann küsste sie ihn wieder. Bucky hatte sowieso nicht vor zu sprechen, also ließ er seine Hände einfach an ihre Oberschenkel wandern und drückte sie näher an sich heran. Die Luft um sie herum sprühte Funken und Bucky konnte sich nichts Schöneres auf dieser Welt vorstellen.

Electric [Bucky Barnes]Where stories live. Discover now