Some kind of miracle

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Blaulicht. Alles, was ich wahrnahm, waren die Sirenen und ein Haufen Menschen, die um mich herum wirrten und Kabel und Schläuche umherreichten. Eine gewisse Unruhe lag in der Luft, doch ich konnte mich an nichts mehr erinnern, außer an ... Blut. Viel Blut. Und plötzlich traf mich die Realität wie ein Faustschlag ins Gesicht. Mein Baby. Unser Baby. Was war mit dem Baby? Die Menschen um mich herum schienen meinen plötzlichen Anflug von Panik bemerkt zu haben und richteten augenblicklich ihre gesamte Aufmerksamkeit auf mich. „Alles wird gut, Frau Baerbock. Wir kümmern uns gut um Sie." Diese Ärztin strahlte eine solche Ruhe aus, dass ich am liebsten in diesem Moment verweilt wäre, doch die Ungewissheit nagte mehr an mir, als es mir lieb war. „Robert?", presste ich nur ängstlich zwischen zwei Schluchzern hervor, meine Hände fest auf meinen Unterleib gepresst. Vielleicht gab es noch Hoffnung ... vielleicht hatte ich unser Baby nicht umgebracht, doch innerlich starb dieses Fünkchen Hoffnung mit jeder neuen Welle dieses stechenden Schmerzes.

„Annalena, Maus", erschien er ruhig atmend neben meinem Kopf. Gerade strich er mir eine verschwitzte Haarsträhne aus der heißen Stirn und blickte in meine Augen. Auch in seinen konnte ich unmissverständlich den Schmerz und die Tränen erkennen, welche sich dort still eingenistet hatten. Er war hier. An meiner Seite. Robert war hier, obwohl ich ihn so verletzt hatte und nun musste ich ihn erneut enttäuschen. Ein herzzerreißender Schrei entwich mir mit einem neuen Krampf, der mir eine Gänsehaut verpasste. „Robert, Ro-, Ro", ich begann zu hyperventilieren, doch die Ärztin zog mir ohne zu zögern eine Sauerstoffmaske über das Tränen verschmierte Gesicht. „Atmen Sie bitte ganz ruhig, Frau Baerbock", lächelte sie mir erneut mit einer unerklärlichen Entspannung entgegen, doch die Tränen kamen immer härter. „Mein ... Mein ... Baby ...MEIN BABY!" Und auf einmal starrten mich alle entsetzt an, aber am meisten schmerzte nicht die erneute Welle der Unterleibskrämpfe, sondern Roberts zweifelnder Blick, der fest an mir klebte.

Zu meinem Leid wich er ein Stück zurück, sichtlich überfordert von der Situation, was im kleinen Krankenwagen sowieso schon kaum möglich war, doch mein Hilfe suchender, angsterfüllter Blick, zog ihn schnell wieder an meine Seite. „Frau Baerbock, sind Sie schwanger?", fragte die Ärztin, letztendlich auch ein Funken Überraschung in der Stimme hörbar. Panisch nickte ich nur und beobachtete erstaunt, wie Robert schlicht die Augen schloss und den Kopf auf unsere verbundenen Hände fallen ließ. Er weinte. Robert Habeck, der Mann, der immer an meiner Seite gewesen war, mich durch alle schweren Entscheidungen gecoacht hatte, dieser starke Mann, hatte begonnen zu weinen.

Bevor ich darüber einen weiteren Gedanken verlieren konnte, flogen die Doppeltüren des Rettungswagens auf und eine ältere Krankenschwester nahm mich entgegen. „Sofort in den Traumaraum!", rief die Ärztin, nachdem sie meine Akte abgegeben hatte. Robert folgte uns kreidebleich, doch wurde sogleich von Schwester Irene, wie sie sich später vorstellte, in den Wartebereich verwiesen. Ich konnte mir kaum ausmalen, wie schwer diese Zeit für ihn gewesen sein muss, doch im Moment konnte ich meinen Kopf nicht darüber zerbrechen. Meine Gedanken waren inzwischen zu meinen Kindern gewandert, meine Babys, Mila und Luna. Was hatte man ihnen nur erzählt? Ob sie wohl Angst hatten? Ob sie wussten, was gerade mit ihrer Mutter passierte? „Alles wird gut, vertrauen Sie mir. Es fühlt sich anders an, wenn ein Patient eine traumatische Diagnose bekommt", flüsterte die Schwester, welche soeben begonnen hatte, meine Vitalzeichen aufzunehmen. Etwas verwirrt starrte ich sie an, doch sie schmunzelte nur: „Sehen Sie, Frau Baerbock, wenn die mir hier normalerweise einen blutüberströmten Patienten in meine Notaufnahme einrollen, da weiß ich immer direkt, heute wird ein scheiß Tag." Bei diesen letzten Worten verzog sie ein wenig das freundliche Gesicht. „Normalerweise liegt dann so eine gewisse Spannung in der Luft, ein Gefühl, dass mir sagt, dieser Patient wird es nicht schaffen. Aber bei Ihnen hab ich ein anderes Gefühl. Vertrauen Sie mir", lachte sie, drückte meinen Arm ein wenig zur Verabschiedung und verließ schließlich den Raum.

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