Wiedervereinigung

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Zwölf Stunden später

„Immer noch nichts?", fragte Robert mehr als nur müde und blickte auf Max, der die ganzen Stunden geduldig neben seinem Bett verbracht hatte. „Leider nicht", flüsterte der bärtige Kommissar und blickte auf sein Handy.

Robert atmete scharf ein und legte seine freie Hand auf die schmerzende Stelle. In der anderen Hand hielt er noch immer eisern die Kette fest.

„Robert...du solltest wirklich..."

„...erst wenn ich weiß, was los ist. Vorher kann ich nicht", schnitt Robert Max das Wort sofort ab und holte durch die Nase Luft. Die ganze Wartezeit lief wie in einem schlechten Stummfilm ab. Bis auf Max' Worte war alles stumm. Selbst das Piepen der Geräte fiel Robert nicht mehr auf. Er betete nur noch. Minute um Minute, Stunde um Stunde.

„Das kann doch nicht so lange dauern..."

„Robert du weißt selbst, wie lange solche Geiselnahmen und Befreiungen dauern können. Was, wenn die schwer verhandeln. Das kann dauern.", versuchte Max ihn zu beruhigen, konnte sich aber selbst immer wieder den Blick aufs Handy nicht verkneifen.

„Was wenn sie..."

„...nein! So denken wir erst gar nicht Robert! Ich war ja auch in ihrer Lage einmal und hab's dank euch auch überlebt! Das wird auch dieses Mal wieder so sein. Und wir kennen Joschi, die ist standfester wie jedes Unkraut. Sie lebt, da bin ich mir sicher!", War es dieses Mal Max' der Robert das Wort abschnitt und seine Hand auf die Roberts legte.

Beide hoben ihre Köpfe, als es an der Tür klopfte und diese sich langsam öffnete. Alsbald wurde der kahle Kopf Michaels sichtbar und der Chef der K11 wirkte sichtlich abgekämpft. Robert und Max konnten sich gar nicht an einen Moment erinnern, wo die Augenringe ihres Vorgesetzen so dunkel waren.

„Langsam Robert, reiß' dir nicht wieder eine Naht auf", begrüßte Michael den Patienten und kam langsam auf die freie Seite des Betts zu. Gemeinsam mit Alex, drückten sie Robert langsam wieder ins Bett zurück, da der blonde Kommissar wieder hochschießen wollte.

„Micha, lass die Scheiße, bitte...", flüsterte Robert und sah ihn mit weit geöffneten Augen an, „was ist passiert, was ist mit Joschi?"

Der Befragte atmete tief durch und ließ eine Hand auf Roberts Schulter liegen. „Du darfst dich nicht aufregen, bitte", begann er langsam und sah Robert beinahe durchdringend an, „was immer jetzt passiert, du darfst dich nicht aufregen.

„Michael bitte...", flehte Robert buchstäblich und auch Max, ruckte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.

„Es war knapp", sagte Michael ohne eine Regung in seinem Gesicht und Robert, sowie Max sahen ihn geschockt an.

„Aber unsere Kleine ist wirklich knallhart, die kann sogar den Tod austricksen!"

Robert und Max sahen zur Türe, die sich langsam öffnete und eine Gestalt in einem aschgrauen Trainingsanzug und weißen Sneakers im Raum erschien. Eine der Hände war in eine Schiene gelegt und der Gang war zögerlich und leicht hinkend. Das Gesicht war geschwollen und mit Kratzern übersaht, das eine Auge sogar blutunterlaufen. Die Lippen waren an zwei Stellen aufgerissen und ein Cut an der Stirn war geklebt worden.

Das Haar war zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden und die Brille wirkte alt; ein Ersatz. Der Hals war mit blauen Flecken übersäht und über dem einen Schlüsselbein war ein Hämatom in jeglichen Regenbogenfarben.

Aber die zerschundenen Lippen lächelten und die Augen glitzerten vor Freudetränen.

„Hey Robert", erklang Joschis Stimme heiser, als hätte sie die schlimmste Halsentzündung inne und doch, konnte man ihre Erleichterung und Freude, ihren schwer verletzten Kollegen mit offenen Augen zu sehen, deutlich hören.

„Joschi...", flüsterte Robert und Max lachte erleichtert auf. „Du kleines Wundermadel!", grinste Max über sieben Backen und sah, wie Michael Platz machte, damit Joschi sich über Robert beugen konnte. Langsam, legte sie ihren unverletzten Arm um ihn und ignorierte jegliche Schmerzen, als Robert einen Arm zitternd um sie legte und seinen Kopf in ihrer Schulter vergrub. „Gott sei Dank! Dem Himmel sei dank!", seufzte Robert erleichtert und wollte Joschi gar nicht mehr loslassen. „Tut mir leid, dass es länger gedauert hat, aber es gab schließlich noch eine Verhaftung durchzuführen und einen Jungen zu seiner Pflegemutter zurückzubringen. Außerdem wollten die Mädels Joschi beinahe nicht mehr loslassen. Die Arme hat schon unzählige Umarmungen über sich ergehen lassen müssen, obwohl sie innerlich beinahe Püree ist.", erklärte Michael und nun löste sich Robert, um sie nochmals genau anzusehen.

„Du siehst echt Scheiße aus", lächelte Robert mit mitleidendem Gesicht und Joschi zog eine Augenbraue hoch. „Sagt gerade der Richtige!", grinste sie zurück und gab Max die altbekannte Brofist.

„Dani und Alex werden dich dann auch noch besuchen kommen, hüte dich also davor und spare noch Kräfte, aber wir wussten alle, dass du erst Ruhe gibst, wenn du weißt, dass es unser Bienchen noch gibt und in einem Intensivzimmer sind die Besucherzahlen nun mal begrenzt", sagte Michael und wirkte ebenso, mehr als erleichtert, dass dieser Alptraum vorbei war.

„Danke", flüsterte Robert und strich Joschi nochmals über den Oberarm. „Wie geht es denn sonst allen?"

„Nun ja, Dani und ich werden so schnell keinen Schönheitswettbewerb gewinnen können. Nicht mit den Gesichtern", scherzte Joschi leicht und bereute ihr Achselzucken, da jegliche Sehne in ihrem Körper wehtat.

„Der Junge wird viel aufzuarbeiten haben. Aber ich denke, er wird es schaffen. Flückiger ist im Streifenwagen total zusammengebrochen. Ich weiß nicht, ob wir alsbald eine Aussage von ihm bekommen werden. Alex und Dani sind einigermaßen okay. Dani natürlich umso mehr als sie erfahren hatte, dass Joschi lebt."

„Ich mach' mir aber Sorgen um Philipp", murmelte Joschi und wurde von den Männern fragend angesehen. „Nachdem er gewusst hatte, dass ich wieder da bin und alles im Rahmen ist, wurde er ganz still und dann ist er verschwunden...", murmelte Joschi.

„Wieder da...warst du...?" Auf Roberts Frage nickte Joschi langsam mit zusammengepressten Lippen. „Ach du Scheisse..."

„Philipp hatte sie wieder zurückgeholt. Auch als die Ärzte bereits übernehmen wollten, machte er weiter.", erklärte Michael und eine erdrückende Stille, füllte den Raum, die nur von dem Piepen der Maschinen unterbrochen wurde.

„Aber Philipp wirkt immer so unerschrocken auf mich. Wieso hat ihn das...?"

„Ohne es zu wollen, haben wir Beide ein langjähriges Trauma in ihm wieder hervorgebracht", murmelte Robert und Michael schien zu verstehen, worauf sein Kollege hinauswollte.

„Sein Kumpel...", flüsterte er und Joschi sah die Männer mehr als fragend an.

„Philipps bester Freund bei der Polizei starb durch einen Schuss. Der Kollege ist in Philipps Armen verstorben.", erklärte Michael kurz und Joschi schluckte sichtlich.

„Zuerst Robert der angeschossen wird und ich, die dann beinahe unter seinen Händen...oh mein Gott...", stieß Johanna aus und legte sich die unverletzte Hand auf den Mund. Nach einer kurzen Weile, hatte sie sich wieder gefangen und wirkte entschlossen.

„Ich muss mit ihm reden!"

„Joschi...meinst du nicht du solltest selbst..."

„Ich verstehe sie, Michael. Philipp ist es immer wichtig, dass alle beachtet werden. Alle die, die unter der Sache zu leiden haben. Zur gleichen Zeit will er sich aber nie aufdrängen und spielt alles runter." Joschi nickte heftig und stimmte Robert zu.

„Gibt es einen Ort, wo er sich zurückziehtdd? Wisst ihr da zufälligerweise was? Ihr kennt ihn länger als ich!"

„Der Baggersee am Stadtrand", antworteten ihr alle Männer im Raum beinahe gleichzeitig.

Michael sah den Entschluss in Joschis Augen und atmete tief durch. „Meine Dickköpfe", seufzte er und sah Max an. „Schaffst du noch 20 – 30 Minuten? Dann sollten dann die Frauen eintreffen und unseren Patienten hier beschäftigen können!"

Max streckte einen Daumen hoch und Robert sah Joschi an. „Kannst du auch in meinem Namen...?", deutete er an und Joschi nickte. „Sicher", versprach sie und richtete sich wieder an Michael.

„Also komm' du Unkraut. Suchen wir unseren Jüngling!", gab er nach und Joschi verabschiedete sich von Robert mit einer Umarmung, bevor sie ihrem Chef zur Türe folgte und mit ihm hinausging. 

Nicht ohne meinen Sohn // K11 - die neuen Fälle // German FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt