Eskalation

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Als Dani und Joschi beim Parkplatz der JVA vorfuhren, wartete bereits die Frau auf dem Foto des gestohlenen Ausweis auf sie. Anständig, liess Joschi, Dani den Vortritt und die erfahrene Polizistin ging auf die Wärterin zu.
„Irma Ströhler?", fragte Dani und die Angesprochene nickte. Sie gab den beiden Kommissarinnen die Hand.
„Super, dass Sie sofort vorbeikommen. Mir ist der Diebstahl gar nicht aufgefallen, da ich meinen Ausweis kaum brauche. Vielleicht mal für in's Ausland, aber sonst...jedenfalls ist es mir kalt den Rücken gelaufen als ich die Geschichte gehört hatte. Wie geht es dem Kollegen?"
Trotz der kratzigen, rauchigen Stimme klang Ströhler sehr besorgt und ehrlich. Dani und Joschi konnten sofort ausmachen, dass diese Frau das Herz direkt auf der Zunge trug.
„Er wird wieder. Wir bekommen jedenfalls schon positivere Nachrichten aus dem Krankenhaus!" Ströhler atmete erleichtert durch und nickte zum Eingang.
„Ich bin nochmals alles durchgegangen", begann sie zu erzählen, während sie Dani und Joschi in die JVA führte, „wenn ich meine Berichte richtig durchgehe, muss mein Ausweis vorgestern gestohlen worden sein. Und da hatte ich nur mit einer Person Schicht...", deutete sie an und betrat mit den Kommissarinnen das Büro.
„Aber das kann ich kaum glauben...nicht nach allem was wir Beide durchgemacht haben...", flüsterte sie und reichte Dani eine Akte.
„Sabrina Streicher...Sie sehen sich verdammt ähnlich!", bemerkte Dani und zeigte Joschi das Foto in der Akte.
„Wir haben hier zusammen als Wärterinnen angefangen und durch unsere Ähnlichkeit und Freundschaft, nannte man uns schon die JVA-Schwestern. Selbst die anständigen Gefangenen durften uns so nennen, weil es einfach wahr ist. Eigentlich sind wir wie Schwestern. Schließlich arbeiten wir hier schon seit 13 Jahren zusammen."
Joschi strich Ströhler aufmunternd über den Oberarm, da der Wärterin der Gedanke sichtlich schwer fiel.
„Hatte sich denn Streicher in letzter Zeit anders benommen?"
„Hatte sie, aber ich war so mit meinem eigenen Privatleben beschäftigt, dass es mir kaum aufgefallen war...zuerst. Ich stecke gerade mitten in der Scheidung und obwohl diese friedlich und freundschaftlich abläuft, kostet das trotzdem Kraft. Ich dachte, Bines Zurückhaltung und Diskretion kam dadurch, dass sie mir auch Luft zum atmen geben wollte."

„Ihrem Ton zufolge, war das aber nicht der Fall.", hakte Joschi nach und Ströhler atmete tief durch. Sie ging auf ihren Schreibtisch zu und nahm ein Tablet hervor. „Mein Bauchgefühl sagte mir, ich müsste die Aufnahmen der Zelle von Flückiger durchgehen. Auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte...und da sah ich das..."
Beinahe angewidert reichte Ströhler das Tablet an Joschi weiter und diese startete eine Videoaufnahme. Zusammen mit Dani konnte sie beobachten, wie Streicher und Flückiger in vollem Akt waren.
„Oh...das ist mehr als eindeutig", räusperte Joschi verlegen und verzog den Mund.
„Liebe macht bekanntlich Blind...", wisperte Ströhler und in ihren Augen sammelten sich Tränen. „Ich habe Angst, dass Bine das Ganze früher bezahlen muss als gedacht...." Dani strich der Frau über den Rücken.
„Wir werden dafür sorgen, dass Sie wieder zu Sinnen kommt und von Ihnen dann den richtigen Weg zurück gezeigt wird."

„Welchen Weg, der Weg der verbitterten Frau dessen Ehe gescheitert ist?", erklang eine Stimme und als Dani, sowie Joschi sich umdrehten, erblickten sie Streicher und Flückiger, die mit gezogener Waffe vor ihnen standen. Als Dani und Joschi zu ihren Waffen greifen wollten, tat Flückiger mit seinem Revolver einen Warnschuss in die Decke ab.
„Das würd ich lassen", drohte Flückiger und nickte zu Streicher, die an Ströhler vorbeiging und sich ihre Akte schnappte.
„Du hast mich verpfiffen!", zischte sie gehässig und Ströhler schüttelte fassungslos mit dem Kopf. „Bine, dass bist doch nicht du?!", flüsterte sie und Streicher lachte.
„Erinnerst du dich, dass du mir immer gesagt hat, dass du meine Thelma zu mir, Louise bist? Ich ziehe lieber Gustav vor. Er hat mir auch noch gleich einen Sohn gebracht! Der wartet nun brav und gefesselt im Wagen auf uns. Wenn wir das hier erledigt haben, können wir endlich unser Familienleben beginnen."
„Gegen seinen Willen!", zischte Dani und erschrak, als Streicher sie am Pferdeschwanz packte und den Kopf gegen den Tisch schleuderte. Benommen, blieb die Kommissarin liegen und während Ströhler erschrocken aufschrie, hielt Joschi eisern ihre Hände schützend vor sich.
„Nehmen wir die schmutzige Kommissarin mit, Schatz?", kicherte Streicher gehässig und zog Dani am Pferdeschwanz wieder hoch, „ihr freches Mundwerk könnte uns noch im Falle einer Verhandlung zu gute kommen!"
„Warten Sie!", mischte sich Joschi nun ein und wich leicht zurück, als Streicher Dani wieder zu Boden allen ließ und ihre Waffe auf sie richtete, „Ihrem Satz vorhin zufolge, können Sie keine Kinder bekommen, habe ich recht?"
„Und was geht dich das an?!", zischte Streicher und musste nun auch von Flückiger mit einem lauten Befehl zurückgehalten werden, da sich der Finger gefährlich um den Hahn zu spannen begann.
„Meine Kollegin hat Kinder, die darauf warten, dass heute Abend ihre Mutter wieder nach Hause kommt. Ich bin noch jung, eine junge Kommissarin hat immer sehr viel wert bei Verhandlungen. Besonders, wenn der Welpenschutz noch in der Luft zum Greifen nah ist..." Dani sah ihre Kollegin mit weit aufgerissenen Augen an, stemmte sich an den Armen hoch und schüttelte mit dem Kopf.
„Joschi, lass' die Scheiße", formte sie mit ihren Lippen, doch damit stieß sie auf taubes Gehör.

„Wollten wir uns nicht noch eine Leihmutter anschaffen?", fragte Flückiger an seine Geliebte gerichtet und Streicher lächelte. „Ja...eine Geburtsmaschine wäre nicht schlecht!", antwortete sie und Joschi blieb äußerlich ruhig, doch ihr Inneres begann sich zusammenzuziehen.
„Also haben wir einen Deal?"
„Waffe auf den Boden", beantwortete Streicher die Frage und Joschi tat wie ihr befohlen. „Hände hinter den Kopf!" Wieder erledigte Joschi was ihr gesagt wurde.
„Schatz, nimmst du sie?"
Flückiger nickte auf die Bitte seiner Freundin und drückte Joschi die Pistole in den Rücken und mit der freien Hand, hielt er die Hände hinter dem Kopf zusammen.
„Sollten Sie es nur wagen, Ihrer gnädigen Kollegin hinterherzurennen, ist sie tot!", drohte Streicher als Dani aufstehen wollte und dabei von Ströhler zurückgehalten wurde.
Langsam entfernte sich die Gruppe mit der Akte und verschwand aus dem Büro. Schnell verwandelte sich Danis Schock in rasende Wut und sie schaffte es, sich von Ströhler wegzureißen.
Eiligst, zog die Kommissarin ihre Waffe, sprang auf die Beine und rannte die Gänge hinunter. Dabei ignorierte sie den pochenden Schmerz in ihrem Kopf und das brennen in ihrem Auge, dass wahrscheinlich von austretendem Blut einer Platzwunde her kam.

Doch es reichte nicht.
Der Wagen war nur noch in einer Dunstwolke zu sehen.

„FUCK!", schrie Dani aus voller Kehle und stampfte auf den Boden. Dennoch nahm sie geistesgegenwärtig ihr Handy hervor und wählte eine Kurznummer.
„Micha? Wir haben ein großes Problem..."

Nicht ohne meinen Sohn // K11 - die neuen Fälle // German FanfictionWhere stories live. Discover now