18 Vogel

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Kapitel 18: Ein Vogel kann auch etwas anderes sein als ein Tier.

Der gestrige Tag gab ihr Hoffnung, doch schien sie immer noch Angst zu haben, was ihre Zukunft betraf. Nach so einem Unfall, ihre Gedanken so einfach sprichwörtlich wegzustecken oder ruhen zu lassen, fiel ihr deutlich schwerer als ihm.

Wenn er hier wäre, würde er sie jetzt beruhigen und sie ermahnen, dass sie bereit schon schlimmere Zeiten überstanden hatten.

Sie rief bei ihrem vertrauten Mechaniker an und ließ sich, die letzten TÜV-Berichte und Reparaturlisten zuschicken. Sie fragte auch direkt an, ob es möglich sei, dass eine defekte Ölwanne so einen Schaden verursachen könnte. Leider wurde ihr dies dort bestätigt.

Sie fühlte sie ausgelaugt, kaputt, müde und es fehlte ihr an Appetit. Innerlich gab sie sich selbst ein paar Ohrfeigen, für ihre mitleiderregende Art, sie ließ sich viel zu sehr hängen.

Mit gesenkten Kopf und deprimierter Stimmung lief sie in die Küche und holte sich aus Frust einen Joghurt und ein paar Weintrauben aus dem Kühlschrank, um so ihren Magen zu beruhigen. Viel mehr gab er im Augenblick nicht her. Sie war so beschäftigt gewesen, dass sie sogar die Einkäufe vergessen hatte. Sotiras würde sie so etwas nicht durchgehen lassen, ihm gefiel es nicht, wenn sie zu wenig an sich dachte. Wenn sie so in Gedanken versunken war, vergaß sie sogar ganze Mahlzeiten. Er saß es nie gerne und brachte ihr immer einen Teller mit Essen, an ihren Arbeitsplatz. Ein wenig musste sie darüber lachen. Dafür, dass sie noch gar nicht so lange offiziell zusammen wohnten, kannte sie seine Gewohnheiten schon ziemlich gut.

Aber sie kannten sich ja auch, bereits seit ihrer Kindheit.

Er machte sich immer Sorgen um sie, doch nun war sie einmal an der Reihe.

Eigentlich wollte sie noch etwas laufen gehen, vielleicht zum Markt? Ihre innere Uhr schrie förmlich nach dem Donnerstag, doch eigentlich hatte sie gar keine Lust dazu. Also, entschied sich erst einmal zu essen und danach zu gehen, mit leerem Magen einkaufen zu gehen, war nicht wirklich die beste Lösung. Zusätzlich war sie viel zu aufgeregt, wie es jetzt mit ihren zwei Liebsten wohl in Zukunft weiter gehen würde.

Sie setzte sich an ihren Küchentisch und nahm sich ihrer Mahlzeit an. Danach warf sie ihren verschmutzten Löffel in die Küchenspüle, der Abwasch konnte warten und zog sich etwas über.

Nachdem sie ihre Geldbörse, einen Stoffbeutel, sowie ihren Einkaufskorb nahm, lief sie in Richtung Markt, natürlich nicht ohne die Haustüre zweimal abzuschließen, so wie sie es kannte.

Dort angekommen, lief sie zu ihrem beliebten Händler Antonio. Er war gebürtiger Italiener, der in ihrer Wohngegend Fuß gefasst hatte und zusammen mit seiner Familie nach Deutschland gezogen war. Doch einmal im Jahr fuhr er für längere Zeit in seine Heimat und brachte Zitrusfrüchte für seinen Stand mit. Sotiras liebte den Geschmack von frischen Zitronen auf ihrem Kuchen oder zu verschiedenen Mahlzeiten. Sie nahm sich deshalb vor, ihm bei Gelegenheit, natürlich erst, wenn er von der Intensivstation war, ein paar Zitronen mitzubringen und wenn es am Ende nur zur Verbesserung der Raumluft war. Aber auch die anderen Händler aus der Gegend begrüßten sie, da sie fast alle mit Namen kannte und größtenteils die Familie dazu. „Hallo Matthäus, wie geht es deiner Frau?" Ein grauhaariger Mann über sechzig lächelte sie durch seinen großen Vollbart an. „Soweit ganz gut, danke der Nachfrage. Renata meinte heute früh, dass ihr Rheuma mal wieder anschlägt und sie schmerzen in den Fingern hätte, es soll also bald regnen." Sashima lächelte, Matthäus Frau war eine kleine rundliche alte Dame mit langem schneeweißem Haar, sie war die gute Seele dieses Hausstandes und immer für private Probleme da. Renata trug schon immer ihre Haare zu einem straffen Dutt zusammen gebunden und ihre Finger waren die beste Wettervorhersage, die sie kannte. „Gut zu wissen", sagte sie lächelnd an ihn gewandt, „dann mach ich heute nicht zu lange und lauf gleich nach Hause, ich habe keinen Schirm mitgenommen." Matthäus nickte eifrig, gab ihr noch ihren Einkauf in die Hand und meinte: „Mach das, aber sei vorsichtig, du gefällst mir heute gar nicht. Du siehst wirklich blass um die Nase aus."

Dankend nahm sie ihren Beutel entgegen und versprach ihm, vorsichtig und auf direktem Wege nach Hause zu laufen. Also wieder kein Spaziergang durch die Stadt. Dies tat sie danach auch.

Vor ihrem Haus angekommen, bot sich ihr ein Schauspiel, dass so überhaupt nicht in ihren Ablauf passte. Ihre Türe stand offen und sie hörte Schritte aus der Wohnung, irgendjemand hielt sich in ihrem Haus auf.

Mit zitternden Fingern griff sie in ihren Korb und angelte das Telefon zum Vorschein, langsam wählte sie, die ihr bekannte Nummer der Polizei, als ihr ein Mann aus der Türe entgegenkam, denn sie sehr gut kannte.

„Thomas, was machst du denn hier? Wie bist du in mein Zuhause gekommen?" Dieser zuckte kurz zusammen, als er sie auf dem Gartenweg stehen sah und lächelte sie danach an. „Susanna hatte mir die Schlüssel vor langer Zeit gegeben, als ich sie noch bei Kleinigkeiten unterstützt habe. Ich hatte mir, seit unserem letzten Gespräch, etwas Sorgen um dich gemacht und wollte nach dir sehen." Susanna war ihre zukünftige Schwiegermutter und die Vorbesitzerin dieses Hauses. Sie konnte verstehen, warum sie damals den Schlüssel weiter gereicht hatte. Als Rollstuhlfahrer war es nie einfach, in einem Haus, mit mehreren Türschwellen. Aber sie verstand nicht, warum dieser Schlüssel nicht schon längst ihren Besitzer gewechselt hatte.

Sashima war skeptisch und zog ihre linke Augenbraue nach oben. „Du hattest doch bemerkt, dass die Türe abgeschlossen war, du hättest doch ahnen müssen, dass ich nicht zu Hause bin." Er nickte ihr etwas zu übereifrig und kam ihr auf dem Gehweg entgegen. „Das schon, aber du hättest ja auch aus Angst die Wohnung zusperren können und ich war ja eh noch nicht lange drin."

Ihr gefiel das nicht. „Dann ist es ja gut, dass ich wieder zurück bin. Mir wäre es übrigens auch lieber, du würdest die Schlüssel an mich aushändigen, denn wie du weißt bin ich zusammen mit Sotiras die neuen Hausbesitzer und nicht Susanna. Und wie du auch wissen solltest, befindet sich Susanne derzeitig in keiner ansprechbaren Lage und ich würde gerne den Schlüssel deshalb übernehmen."

Wieder nickte er etwas zu viel. „Natürlich, natürlich. Ist ja auch dein gutes Recht. Also wir sehen uns, bis die Tage."

Er reichte ihr den Schlüssel und damit verabschiedete er sich und verschwand einige Straßen weiter.

Wo hatte er nur sein Auto stehen?

Etwas seltsam kam ihr die ganze Sache schon vor, vor allem da er ihretwegen gekommen war und ihr nicht einmal mit dem Einkauf geholfen hatte, die Tasche hatte sie noch immer in der Hand. Ein sehr seltsamer Kauz war das schon.

Die mussten hier alle in der Gegend mittlerweile einen Vogel haben.

Es gibt schon komische Vögel ...

SashimaWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu