Christmas - Remus Lupin

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Der Kühlschrank war leer. Kein Wunder, hatte sich Remus doch die letzte Woche kein einziges Mal aus dem Haus getraut. Sein Magen knurrte. Die fröhliche Atmosphäre, die blinkenden Lichter, der Duft nach Weihnachten - das war zu viel für ihn. Außerdem verstand er es nicht. Wie konnten die Leute da draußen glücklich sein? Woher nahmen sie ihre Unbeschwertheit, ihren Humor? All das hatte er schon lange verloren. Vor beinahe zehn Jahren und zwei Monaten, um genau zu sein.

Remus' Magen meldete sich erneut. Er seufzte. Was brachte es ihm, zuhause herum zu sitzen? Seine Freunde hätten nicht gewollt, dass er an Heiligabend alleine in seiner kleinen Hütte saß und in Gedanken versank. Sie hätten ihn herausgezerrt, auf die mit Schnee bepuderten Straßen, hätten ihn in sämtliche Clubs und Pubs mitgeschleppt und dafür gesorgt, dass auch er lachte.

Remus' Beine trugen ihn wie von selbst zu seiner Garderobe - falls man den krummen Hutständer, geziert von einer einzelnen Mütze und einem überaus schmuddeligen Anorak so nennen konnte. Er zögerte. Sollte er sich wirklich hinauswagen? Hinaus in die festlichen Straßen, in die wirkliche Welt? Ja. Das waren nicht seine Gedanken, das waren die Stimmen seiner alten Freunde im Chor, die noch immer um ihn herumstrichen und ihn im Schlaf besuchten. Manchmal heimsuchten. Ja, du hast es verdient. Du musst darüber hinwegkommen.

***

Knappe anderthalb Stunden später saß Remus in einem Pub, dessen Namen er sich nicht gemerkt hatte, und starrte trübsinnig in das halb volle Butterbier vor ihm. Er saß erst seit einer Viertelstunde in diesem Pub, und auch dieser Unterschied sich nicht wirklich von denen, in denen er davor gewesen war: grölende Zauberer, blinkende Weihnachtsdeko, stickige Luft. Und das sollte Weihnachten sein? Er seufzte zum wiederholten Male und fragte sich, ob es wirklich die richtige Entscheidung gewesen war, auszugehen.

Da wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als ihm jemand auf die Schulter tippe. Er fuhr herum und sah sich Angesicht zu Angesicht einer jungen Hexe mit bonbonfarbenen, kurzen Haaren gegenüber, die ihn anlächelte. "Lupin, stimmts? Remus Lupin?" Er runzelte die Stirn. Wer war diese Frau? "Ja, das bin ich. Kennen wir uns von irgendwoher?" Die Hexe lachte. "Nein, nein - also, ich kenne dich schon, du mich aber nicht. Ich habe teilweise zur selben Zeit wie du Hogwarts besucht. Und dich kannte ja die ganze Schule, als Teil der berühmt-berüchtigten Rumtreiber."

Sie lachte erneut, was etwas ansteckendes hatte - Remus spürte, wie sich seine Mundwinkel etwas hoben. "Ah, das macht Sinn. Sehr erfreut, dich kennezulernen-" "Tonks. Tonks aus Hufflepuff", unterbrach ihn die Hexe - Tonks. "Sehr erfreut, dich kennenzulernen, Tonks aus Hufflepuff." Seine Manieren hatte Remus nicht vergessen, auch wenn er sich insgeheim über den sonderbaren Namen wunderte. Tonks schien ihm seine Gedanken anzusehen, denn sie verzog das Gesicht:

"Von meinen Eltern wurde ich Nymphadora genannt" - sie sprach den Namen so aus, als wäre er eine äußert widerliche Krankheit - "aber ich finde den Namen einfach grässlich, also bleibe ich lieber bei meinem Nachnamen, und es nennt mich auch jeder so." Tonks sah ihn einen Moment erwartungsvoll an, als wartete sie auf eine Zustimmung seinerseits. Als jedoch keine kam, wandte sie den Blick ab und fügte rasch hinzu: "Tschuldige. Ich rede absolut zu viel, ich weiß, das hat mir meine Mutter früher auch immer gesagt - und dann die Lehrer aus Hogwarts, meine Freunde, jetzt auch die Leute bei der Arbeit, aber-"

Sie schlug sich die Hand vor den Mund und meinte mit großen Augen: "Da, ich machs schon wieder. Tschuldige, ich hör lieber einfach mal auf, zu reden." Remus schüttelte den Kopf: "Nein, nein, alles gut! Rede ruhig weiter, ich... mag deine Stimme." Er errötete. Die Wahrheit war, dass ihn diese junge Hexe unglaublich sehr an seine Freunde erinnerte. Außerdem war er lange nicht mehr in Kontakt mit Menschen gewesen und die offene, laute Art Tonks' war wie ein Lichtstrahl, der die Dunkelheit seiner Gedanken durchbrach.

Tonk grinste: "Aber gerne doch. Aber jetzt hast du's dir eingebrockt - ich werd dich wahrscheinlich für den Rest des Abends vollquasseln." Und auch Remus konnte sein Lächeln nicht mehr unterdrücken - "Nichts lieber als das."

perception | oneshotsUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum