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„Ist es nicht verrückt", begann Maddie zu erzählen, während ich darüber nachdachte, wie verrückt es war, dass sie mit mir sprach. Dass sie Schallwellen aussendete, die meine Hörorgane erreichten, von meinem Gehirn verarbeiteten wurden und ein warmes Gefühl in mir auslösten.

„dass allein hier in der Mensa hunderte Schüler sitzen, die alle verschiedene Leben führen, verschiedene Vergangenheiten besitzen, verschiedene Ereignisse erlebt haben, wovon jedes ihre Persönlichkeit ein wenig geformt hat und sie zu denen gemacht hat, die heute hier sitzen?"

Ich nickte zwar nicht, aber dass ich meinen Blick nicht von ihr nahm, veranlasste sie dazu, weiterzureden.

„Jeder dieser Menschen trägt so viel in sich, wovon sie 99,8% verborgen halten, weil es nie dazu kommt, anderen davon zu erzählen oder ihnen diese Teile von sich zu zeigen. Wir sind alle Geheimnisse. Verschlossene Bücher. Ich kenne keinen einzigen dieser Schüler wirklich."

Ich dachte darüber nach, dass ich Maddie kennen wollte, während ich von meinem Sandwich abbiss.

„Aber um ehrlich zu sein, will ich auch keinen kennenlernen." Ihre Worte überraschten mich. „Der Kontakt würde eh früher oder später abbrechen und am Ende stehe ich wieder allein da."

Das war der Moment, in dem ich mich am Sandwich verschluckte, weil ich Maddies bescheuerter Aussage widersprechen wollte. Ich hustete laut und lief rot an, wodurch sich Maddies linker Mundwinkel leicht hob.

„Mag sein", fing ich an und registrierte ihren überraschenden Blick, da ich statt Stille plötzlich Schallwellen aussendete, „dass du am Ende allein da stehst. Aber in der Mitte, an all den Tagen zwischen Anfang und Ende, hast du dann jemanden an deiner Seite, mit dem du Teile deines Lebens teilen kannst."

Maddie schüttelte leicht den Kopf, doch ich ließ mich davon nicht beirren.

„Du bist nur so lange ein verschlossenes Buch, bis du dich dazu entscheidest, dich Menschen zu öffnen. So einfach ist das."

„Bullshit", war das Einzige, das Maddie sagte. Und wir senkten wieder unsere Blicke und aßen schweigend unser Essen, wie wir es die letzten eineinhalb Schuljahre erfolgreich getan hatten, während mich ein Gedanke nicht mehr losließ: Wie verrückt es war, dass sie sich trotz all ihrer Aussagen, mir heute geöffnet hatte.

Ist es nicht verrückt?Where stories live. Discover now