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„Ist es nicht verrückt", begann Maddie das Gespräch, während ich darüber nachdachte, wie verrückt es war, dass wir eineinhalb Jahre schräg gegenüber gesessen hatten, ohne auch nur ein Wort zu wechseln, und nachdem wir uns zwei Tage in Folge unterhalten hatten, es sich anfühlte, als hätten wir nie etwas anderes getan.

„wie viele Menschen tagtäglich leiden, Gewalt erfahren, vor Krieg fliehen, hungern, qualvoll sterben, qualvoll leben, während wir uns darüber beschweren, dass es heute keine Pizza in der Mensa gibt?" Angewidert stocherte Maddie in dem Brokkoli-Auflauf, als ob ihr Leiden mit derer vergleichbar wäre, von denen sie soeben gesprochen hatte.

„Leute kaufen sich ihren achten Lamborghini, fliegen mit ihrem Privatjet um die halbe Welt, machen ihre dritte Kreuzfahrt dieses Jahr, während zeitgleich so viele Menschen nicht einmal eine warme Mahlzeit am Tag haben, geschweige denn sauberes Trinkwasser. Wie kann man seine Mitmenschen nur so hassen? Wie kann man nur so ignorant und unempathisch sein?" Nachdem Maddie fast zehn Minuten lang ihr Mittagessen nur angeekelt aus sicherer Distanz betrachtet hatte, nahm sie jetzt den ersten Bissen und gab sich Mühe, ihr Gesicht nicht zu verziehen. Nachdem sie ihn heruntergeschluckt hatte, fügte sie hinzu: „Das sind keine Menschen."

„Was tust du denn, was dich menschlich macht?", fragte ich und wartete gespannt ihre Antwort ab.

„Ich besitze weder einen Lamborghini noch einen Privatjet", sagte Maddie ernst und schob sich die zweite Gabel Essen in den Mund. Anstatt weiterzureden, blieb sie jedoch still. Fragend sah ich sie an.

„Bist du mit meiner Antwort nicht zufrieden?"

„Naja, das sind jetzt nicht wirklich Eigenschaften, die einen menschlich machen", fand ich.

„Tja, dann bin ich wohl auch nicht menschlich." Schulterzuckend sah sie mich an. „Hab ich ja auch nie behauptet."

Nach ihrer anfänglichen Erzählung hätte ich gedacht, sie würde anschließend stolz alle einzelnen Dinge aufzählen, die sie menschlich machten, die sie von all den anderen schlechten Menschen unterschieden, doch vielleicht war sie auch nicht besser. Vielleicht waren wir alle nicht besser.

„Was macht dich denn menschlich?", fragte Maddie nun.

Wortlos nahm ich ihren Teller mit dem Brokkoli-Auflauf, von dem sie zwei Bissen genommen hatte, und stellte ihr dafür meinen Nachtisch – Vanillepudding – vor die Nase.

„Schmeckt dir etwa Brokkoli so gut, dass du freiwillig noch eine zweite Portion isst?" Mit aufgerissenen Augen starrte sie in meine, woraufhin ich nickte und sie hinzufügte: „Das ist unmenschlich."

Wir schmunzelten beide und als ich in ihre blauen Augen blickte, erinnerten sie mich an das Meer, in dem täglich tausende, fliehende Menschen ertranken.

Ist es nicht verrückt?Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang