Bloß nicht nach Monschau

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Unser privater Waffenstillstand hielt auch am nächsten Morgen an. Harry erwachte, verschlafen brummelnd, in den letzten Nachtstunden, und Mutter flößte ihm etwas Brühe ein. Bei Tagesanbruch war er dann sichtlich kräftiger. Mutter quirlte ihm aus unserem einzigen Ei, dem Rest Rotwein und etwas Zucker einen stärkenden Trunk. Wir anderen aßen Haferflocken. Dann wurde aus zwei Stöcken und Mutters bestem Tischtuch eine Tragbahre für Harry gemacht.

Der Unteroffizier zeigte den Amerikanern, über Jims Karte gebeugt, wie sie zu ihrer Truppe zurückfinden konnten. In diesem Stadium des Bewegungskrieges erwiesen sich die Deutschen als überraschend gut informiert. Er legte den Finger auf einen Bach. „Da geht Ihr lang!", sagte er. „Am Oberlauf trefft Ihr auf die 1. Armee, die sich dort neu formiert." Der Mediziner übersetzte alles ins Englische. „Weshalb nicht nach Monschau?" fragte Jim. „Um Himmels willen, nein!" rief der Unteroffizier. „Monschau haben wir wieder genommen."

Mutter gab nun allen ihre Waffen zurück. „Seid vorsichtig, Jungens!", sagte sie. „Ich wünsche mir, dass Ihr eines Tages dahin, zurückkehrt, wo Ihr hingehört, nach Hause. Gott beschütze euch alle!"

Die Deutschen und die Amerikaner gaben einander die Hand, und wir sahen ihnen nach, bis sie in entgegengesetzter Richtung verschwunden waren.

Als ich wieder ins Haus trat, hatte Mutter die alte Familienbibel hervorgeholt. Ich sah ihr über die Schulter. Das Buch war bei der Weihnachtsgeschichte aufgeschlagen, bei dem Bericht von der Geburt in der Krippe und den drei Weisen, die von weither kamen, um ihre Geschenke darzubringen. Ihr Finger glitt über die Zeile: „ ...und sie zogen über einen anderen Weg wieder in ihr Land."

Eine Nacht des Friedens mitten im KriegDonde viven las historias. Descúbrelo ahora