Kapitel 3 - Die Vampire aus Schattensang

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Die Apothekerin hatte uns versichert, der Balsam würde ebenso Drachenwandler schützen, weshalb ich Dominik andächtig die Sukkubus-Abwehrschmiere hinter die Ohren getupft hatte, bevor wir getrennte Wege gegangen waren. Er hatte darauf gedrängt, mich um kurz vor Mitternacht am Brunnen der Partymeile zu treffen, um gemeinsam zur Lichtbringer Akademie zurückzukehren.

Das Refugium erschien mir nachmittags nahezu langweilig. Der Puls des ausgelassenen Nachtlebens fehlte, obwohl sich an der Strandpromenade die eigentümlichsten Dämonen herumtrieben. Ich genoss die Sonnenstrahlen, die Vegetation war hier anders, vom Herbst war keine Spur. Der Strand, die Palmen, die Edelbauten, hier schien eine perfekte moderne Welt erschaffen worden zu sein. Es wunderte mich, weshalb im Refugium alles in Hülle und Fülle vorhanden war, während die Lichtbringer in Ewighain sich mit den einfachsten Dingen zufriedengaben. Zwischen den Häuserreihen hindurch war stadteinwärts die Pforte der Vampirhauptstadt Schattensang zu erkennen. Die Metropole, in die kein Mensch je freiwillig einen Fuß setzte. Dort herrschten die ungeschriebenen Gesetze der Vampire und Dämonen, in die ich mir keinen näheren Einblick wünschte. Ich stellte mir das Leben dort sehr brutal vor. Genaugenommen wusste ich überhaupt nichts darüber. Ohne es zu bemerken, schlich ich zwischen zwei großen Gebäuden über das Kopfsteinpflaster auf den Hügel, von dessen Rand aus ich auf die riesige Kuppel sehen konnte. Von der Kuppel wusste ich nichts, vermutlich hielt sie die Sonne aus der Stadt fern, damit sie sich auch bei Tageslicht im Freien bewegen konnten. Dafür, dass der Ort ein Exil bedeutete, war das sehr komfortabel für die Vampire.

Mein Zwillingsbruder spukte wieder in meinem Kopf herum. Ich war froh, dass er nicht – wie unser Vater- an die Dunkelheit gebunden war. Für die kurze Zeit, die sein Vampirdasein angedauert hatte. Ob er in Schattensang klargekommen wäre?

Wie verbrachte dieser Junge, den ich letzte Nacht im Outsider gesehen hatte, wohl seine Zeit dort? Wie war es, in immerwährender Dunkelheit zu leben?

Du denkst also an mich, Gwendoline Nachtblut‹, erklang eine amüsierte Stimme in meinem Kopf.

In der Sekunde, in der ich mich verwundert umdrehte, wurde mir klar, dass die Worte niemand ausgesprochen hatte. Außer den Passanten auf der Vorderseite der Gebäude war niemand zu sehen. Erst recht keine Vampire, die meine Gedanken belauschen konnten. Es sei denn... jemand Mächtiges drang über weite Entfernung ganz gezielt in meinen Kopf ein.

Wer bist du?‹, dachte ich in die Richtung der Kuppel.

Ich hoffte, er war es, wollte den Gedanken aber nicht greifbar in mir aufkeimen lassen. Alles andere ergab ohnehin keinen Sinn.

Du weißt, wer‹, kicherte er amüsiert.

Woher kennst du meinen Namen?‹ Mit einem mulmigen Gefühl wandte ich mich wieder an die Schutzkuppel, auf dessen Fassade die Abendsonne glänzte.

Ich habe viel Zeit, Gwendoline‹, antwortete er.

Es störte mich, dass er meinen Namen wie niemand sonst ausformulierte – alle meine Freunde nannten mich Gwen. Auf der anderen Seite waren wir keine Freunde.

Was willst du von mir?‹ Aufmerksam betrachtete ich die breite Straße, die sich lang vor mich hin zum Eingang der dunklen Stadt schlängelte.

Die Frage ist doch wohl eher – was willst du von mir?

Ich? Nichts, ich habe nicht mal drei Worte mit dir gewechselt.

Und doch stehst du in diesem Augenblick auf dem Hügel, starrst verloren auf die Stadt der Vampire, geschützt durch deine Zaubersalbe vor meinem Sukkubus und wartest ungeduldig, dass die Nacht anbricht.

Lichtbringer Akademie: Drachenzauber (Buch 2 der Romantasy Jugendbuch-Reihe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt