Kapitel 18 ✔️

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L U N A

„Potter! Weasley! Werden Sie wohl zuhören?"
Professor McGonagall's gereizte Stimme knallte wie ein Peitschenhieb durch den Verwandlungsunterricht.
Harry und Ron zuckten zusammen und sahen auf.
Die Dienstagsstunde war fast zu Ende; wir hatten unsere Sachen zusammengeräumt und die Perlhühner, die wir in Meerschweinchen verwandelt hatten, steckten nun in einem großen Käfig auf Professor McGonagall's Schreibtisch (Neville's Meerschweinchen hatte allerdings noch Federn); auch unsere Hausaufgaben hatten wir von der Tafel abgeschrieben („Erläutern Sie anhand von Beispielen, wie der Verwandlungszauber aussehen muss, wenn Sie zwischen verschiedenen Tiergattungen wechseln wollen").
Jeden Moment musste es läuten, und Harry und Ron, die sich hinten in der letzten Reihe einen Schwertkampf mit Fred's und George's Juxzauberstäben geliefert hatten, blinzelten jetzt verdutzt; Ron hielt einen blechernen Papagei, Harry einen Gummikabeljau in der Hand.
„Nun, Potter und Weasley waren so nett uns zu zeigen, wie erwachsen sie schon sind.", sagte Professor McGonagall und warf den beiden einen zornigen Blick zu.
Der Kopf von Harry's Kabeljau - den Ron's Papagei soeben mit dem Schnabel glatt abgetrennt hatte - kullerte geräuschlos zu Boden.
„Ich habe eine Ankündigung für Sie alle."
Sofort richtete ich mich wieder nach vorne und lauschte McGonagall's Worten.
„Der Weihnachtsball rückt näher - er gehört traditionell zum Trimagischen Turnier und bietet uns die Gelegenheit, unsere ausländischen Gäste ein wenig näher kennenzulernen. An diesem Ball dürfen alle ab der vierten Klasse teilnehmen - doch wenn Sie möchten, dürfen Sie auch einen jüngeren Mitschüler einladen -"
Lavender Brown brach in schrilles Giggeln aus.
Parvati Patil stieß ihr unsanft in die Rippen, doch auch ihrem Gesicht war die unendliche Mühe anzusehen, mit der sie einen Kicheranfall bekämpfte.
Beide wandten sich zu Harry um.
Professor McGonagall achtete nicht auf sie.
„Sie werden Ihre Festumhänge tragen", fuhr Professor McGonagall fort, „und der Ball wird am ersten Weihnachtsfeiertag um acht Uhr abends in der Großen Halle beginnen und um Mitternacht enden. Nun denn -"
Professor McGonagall ging mit bedächtigen Schritten durch die Reihen.
„Der Weihnachtsball gibt uns allen natürlich die Gelegenheit, uns - ähm - ein wenig lockerer zu geben.", sagte sie mit missbilligendem Unterton.
Lavender giggelte noch heftiger und presste die Hand auf den Mund, um den Anfall zu ersticken.
Diesmal begriff ich, was denn so komisch sein sollte: Professor McGonagall, das Haar zu einem festen Knoten gebunden, sah aus, als hätte sie sich noch nie locker gegeben.
„Aber das heißt NICHT", fuhr sie fort, „dass wir die Benimmregeln lockern, denen ein Hogwarts-Schüler zu folgen hat. Ich wäre höchst unangenehm berührt, sollte ein Gryffindor-Schüler ganz Hogwarts auf irgendeine Weise in Verruf bringen."
Es läutete und wie immer gab es ein kleines Durcheinander, denn wir alle packten unsere Taschen, warfen sie über die Schultern und stürmten los.
„Potter - ich möchte gerne ein Wort mit Ihnen reden.", rief Professor McGonagall durch den Trubel.
Harry trottete in trister Stimmung nach vorn zum Lehrertisch, während wir draußen im Gang auf ihn warteten.
Nach ein paar Minuten kam er wieder und ging genervt voraus und wir ihm hinterher.
Ich hatte noch nie erlebt, dass sich so viele unserer Mitschüler auf der Liste derer eintrugen, die über Weihnachten in Hogwarts bleiben wollten; ich selbst blieb in Hogwarts.
Es schien als hätten alle Schüler ab der vierten Klasse nur noch den Ball im Kopf - zumindest wir Mädchen, und es war ganz erstaunlich, wie viele Mädchen auf einmal Hogwarts bevölkerten.
Mädchen, die in den Gängen kicherten und tuschelten, Mädchen, die lachten und kreischten, wenn Jungen an ihnen vorbeigingen, Mädchen, die ganz aufgeregt Zettel vergleichen, auf denen stand, was sie am Weihnachtsabend tragen wollen...
„Warum müsst ihr euch immer in Rudeln bewegen?", fragte Harry mich, als ein gutes Dutzend Mädchen, giggelnd und Harry anstarrend, an uns vorbeigingen. „Wie soll man da mal eine allein treffen, um sie zu fragen?"
„Wie wär's, wenn du eine mit dem Lasso fängst?", schlug Ron vor. „Hast du schon 'ne Ahnung, wen du fragen willst?"
Harry gab keine Antwort.
Ich konnte mir denken, wen er fragen wollte, aber den Mut, sie zu fragen, schien er noch zu brauchen... Cho Chang war ein Jahr älter als er; sie war sehr hübsch; sie war eine sehr gute Quidditch-Spielerin und sie war auch sehr beliebt.
Ron schien zu wissen, was in Harry's Kopf vorging.
„Hör zu, du wirst sicher keine Schwierigkeiten haben. Du bist ein Champion. Du hast gerade den Ungarischen Hornschwanz geschlagen. Ich wette, sie stehen Schlange, um mit dir zu diesem Ball zu gehen."
„Soll ich dir was sagen, Ron?", schmunzelte ich.
„Was?", fragte er und beide Jungs sahen mich an.
„Nicht jedes Mädchen möchte mit einem Jungen ausgehen nur weil er beliebt ist.", zwinkerte ich.
Die beiden Jungs sahen mich nur irritiert an, bevor sie nickten.
Doch Ron hatte recht.
Ein lockiges Hufflepuff-Mädchen, mit dem Harry noch nie ein Wort gesprochen hatte, fragte ihn schon am nächsten Tag, ob er nicht mit ihr zum Ball gehen wollte.
Harry war so verdutzt, dass er nein sagte, bevor er ernsthaft nachgedacht hatte.
Das Mädchen ging mit ziemlich verletzter Miene davon und Harry musste während der ganzen Geschichtsstunde Dean's, Seamus' und Ron's Spötteleien über sich ergehen lassen, bis ich die drei fragte, ob sie denn schon eine Tanzpartnerin hatten.
Nach dieser Frage waren sie still.
Harry wurde noch von einigen anderen Mädchen gefragt, allerdings lehnte er jedesmal ab.
Was uns aber alle beruhigte war, dass kein Artikel über Hagrid im Tagespropheten erschien.
„Die fand magische Geschöpfe wohl nicht so spannend, kann ich dir nur sagen.", erklärte Hagrid, als Harry, Ron, Mine und ich ihn in der letzten Stunde Pflege magischer Geschöpfe vor Weihnachten fragten, wie sein Interview mit Rita Kimmkorn gelaufen war.
Zu unserer gewaltigen Erleichterung ersparte uns Hagrid jetzt den direkten Umgang mit den Krötern, und so hockten wir heute nur hinten im Schatten des Hüttendachs an einem Klapptisch und bereiteten ein frisches Menü zu, mit dem wir die Kröter in Versuchung führen wollten.
„Sie wollte, dass ich über dich rede, Harry.", fuhr Hagrid mit gedämpfter Stimme fort. „Na ja, ich hab ihr gesagt, wir sind Freunde, seit ich dich von den Dursley's weggeholt hab. »Und in vier Jahren mussten Sie nie ein Donnerwetter veranstalten?«, hat sie gesagt. »Er hat Sie im Unterricht nie auf die Schippe genommen?« - »Nee«, hab ich gesagt, und da war sie überhaupt nicht zufrieden. Hätte fast gedacht, sie wollte, dass ich sage, du bist 'ne furchtbarer Kerl, Harry!"
„Natürlich wollte sie das.", sagte ich, warf Drachenleberstücke in eine große Blechschüssen und nahm mein Messer zur Hand, um noch eine weitere Leber zu schneiden. „Sie kann nicht die ganze Zeit schreiben, was für ein tragischer Held Harry ist, das wird doch langweilig. Blöde Kuh."
„Sie will eben hinter die Kulissen sehen, Hagrid.", sagte Ron weise und pellte ein weiteres Salamanderei. „Du hättest sagen sollen, Harry ist ein verrückter Unruhestifter!"
„Das ist er aber nicht!", sagte Hagrid und schien aufrichtig schockiert.
„Sie hätte Snape interviewen sollen.", sagte Harry grimmig. „Er wird bestimmt eines Tages so richtig über mich auspacken. »Seit er an dieser Schule ist, übertritt er ständig Grenzen...«"
Ja, Snape.
Ich weiß immer noch nicht, weshalb er sich solche Sorgen um mich gemacht hat oder macht.
Da muss ich wohl irgendwann nochmal nachforschen.
Vielleicht wissen ja Remus und Dad etwas...
„Das hat er gesagt, ne?", sagte Hagrid unter dem Gelächter von Ron und Mine. „Tja, du hast vielleicht 'n paar Regeln strapaziert, Harry, aber im Grunde bist du 'n anständiger Kerl, oder?"
„Schon gut, Hagrid.", sagte Harry grinsend.
„Kommst du eigentlich zu diesem komischen Ball an Weihnachten, Hagrid?", fragte Ron.
„Dachte, ich könnt mal vorbeischauen, ja.", sagte Hagrid brummig. „Könnt ganz lustig werden, denk ich mal. Du eröffnest den Ball, nicht wahr, Harry? Wen nimmst du mit?"
„Hab noch keine.", sagte Harry und lief rot an.
Hagrid drang nicht weiter in ihn ein.
In der letzten Woche vor den Weihnachtsferien ging es immer turbulenter zu.
Durch das ganze Schloss schwirrten Gerüchte über den Weihnachtsball, doch ich glaubte nicht die Hälfte davon - zum Beispiel hieß es, Dumbledore hätte bei Madame Rosmerta achthundert Fässer eingelegtes Fleisch gekauft.
Er schien jedoch zu stimmen, dass er die Schwestern des Schicksals gebucht hatte.
Einige Lehrer, etwa der kleine Professor Flitwick, gaben es ganz auf, uns zu unterrichten, da wir mit den Gedanken doch ständig woanders waren; in seiner Stunde am Dienstag durften wir spielen, und er selbst saß die meiste Zeit bei uns und sprach mit Harry über seinen tadellosen gelungenen Aufrufezauber bei der ersten Turnierrunde.
Andere Lehrer waren nicht so großzügig.
Nichts würde zum Beispiel Professor Binns davon abhalten, seine Aufzeichnungen über die Kobold-Aufstände durchzuwälzen - da Binns sich nicht einmal durch seinen eigenen Tod vom Unterricht hatte abhalten lassen, vermuteten wir, dass eine Kleinigkeit wie Weihnachten ihn auch nicht aus der Bahn werfen würde.
Es war erstaunlich, wie es Binns gelang, selbst die blutigen und lasterhaften Zeiten der Kobold-Unruhen so langweilig klingen zu lassen wie Percy's Kesselgutachten.
Auch die Professoren McGonagall und Moody hielten uns bis zur letzten Minute des Unterrichts auf Trab und Snape dachte natürlich genauso wenig daran, uns im Unterricht spielen zu lassen.
Er starrte gehässig in die Runde und teilte uns mit, dass er uns in der letzten Stunde zum Thema Gegengifte prüfen würde.
„So ein Armleuchter.", sagte Ron erbittert, als wir an diesem Abend im Gemeinschaftsraum der Gryffindors saßen. „Am allerletzten Tag kommt er uns noch mit einem Test. Ruiniert die letzte Woche mit einer Unmenge Büffelei."
„Mmm... du überanstrengst dich auch nicht gerade, oder?", sagte Mine und schaute ihn über den Rand ihrer Zaubertranknotizen hinweg an.
Ron war damit beschäftigt, ein Kartenschloss aus seinen explosiven Mau-Mau-Karten zu bauen, mit denen wir immer Snape explodiert gespielt hatten - und mit diesen Karten war es viel prickelnder als mit Muggelkarten, weil das Ganze ja jederzeit in die Luft fliegen konnte.
„Es ist Weihnachten, Hermine.", sagte Harry träge; er fläzte sich in einem Sessel am Feuer und las jetzt zum zehnten Mal Fliegen mit den Cannons.
Mine versetzte auch ihm einen strengen Blick.
„Ich hätte gedacht, du tust was Nützliches, Harry, wenn du schon deine Gegengifte nicht lernen willst!"
„Was zum Beispiel?", fragte Harry.
„Dieses Ei!", zischte Mine.
„Nun ist aber gut, Mine.", murmelte ich und blickte kurz von meiner Zeichnung auf. „Er hat noch Zeit bis zum 24. Februar."
„Aber vielleicht braucht er Wochen, um es rauszufinden!", sagte Mine. „Dann steht er wirklich da wie ein Idiot, wenn alle anderen die nächste Aufgabe schon kennen und er nicht!"
Ich hob abwehrend die Hände und widmete mich wieder meiner Zeichnung.
„Lass ihn in Ruhe, Hermine, er hat sich eine kleine Pause verdient.", sagte Ron.
Er stellte die letzten zwei Karten auf die Spitze seines Turms und das ganze Kartenhaus explodierte und versengte ihm die Augenbrauen.
„Siehst ja hübsch aus, Ron... passt sicher gut zu deinem Festumhang."
Es waren Fred und George.
Sie setzten sich an den Tisch zu Harry, Ron, Mine und mir, während Ron mit den Fingern den Brandschaden in seinem Gesicht betastete.
„Ron, können wir uns Pigwidgeon ausleihen?", fragte George.
„Nein, er ist mit einem Brief unterwegs.", sagte Ron. „Warum?"
„Weil George ihn zum Ball einladen will.", sagte Fred trocken.
„Weil wir einen Brief verschicken wollen, du Riesenrindvieh.", setzte George hinzu.
„An wen schreibt ihr da eigentlich die ganze Zeit?", fragte Ron.
„Steck deine Nase nicht in unsere Angelegenheiten, oder ich verbrennt sie dir auch noch.", sagte Fred und fuchtelte bedrohlich mit dem Zauberstab. „Wie steht's... habt ihr schon eure Mädchen für den Ball?"
„Nee.", sagte Ron.
„Tja, ihr solltest euch besser beeilen, sonst sind die besten weg.", sagte Fred.
„Und mit wem gehst du?", fragte Ron.
„Angelina.", sagte Fred wie aus der Pistole geschossen und ohne eine Spur Verlegenheit.
„Wie bitte?", sagte Ron verdutzt. „Hast du sie schon gefragt?"
„Gut, dass du's sagst.", meinte Fred.
Er wandte den Kopf und rief durch den Gemeinschaftsraum: „Hey, Angelina!"
Angelina, die sich am Kamin mit Katie Bell unterhalten hatte, sah zu ihm herüber.
„Was gibt's?", rief sie.
„Willst du mit mir zum Ball gehen?"
Angelina musterte Fred einen Augenblick lang abschätzend.
„Na gut.", sagte sie und wandte sich dann verhalten grinsend wieder Katie und ihrer Unterhaltung zu.
„Na bitte", sagte Fred zu Harry und Ron, „nichts leichter als das."
Er stand auf und gähnte: „Dann nehmen wir eben 'ne Schuleule. George, komm mit..."
Sie gingen hinaus.
Ron ließ jetzt seine Augenbrauen in Ruhe und sah über die schwelende Ruine seines Kartenhauses hinweg Harry an.
„Wir sollten tatsächlich was unternehmen... einfach jemanden fragen. Er hat Recht. Wir wollen ja schließlich nicht mit einem Paar Trollinnen aufkreuzen."
Mine prustete entrüstet los.
„Einem Paar... was bitte?"
„Na ja - du weißt schon.", sagte Ron achselzuckend. „Ich würd lieber allein gehen als zum Beispiel mit - Eloise Midgeon."
„Mit ihren Pickel ist es in letzter Zeit viel besser geworden - und sie ist wirklich nett!"
„Ihre Nase ist verrutscht.", sagte Ron.
„Oh, verstehe.", köchelte Mine. „Kurz und gut, du nimmst das bestaussehende Mädchen, das mit dir gehen will, selbst wenn sie ganz unausstehlich ist?"
„Ähm - ja, so ungefähr.", sagte Ron.
„Ich geh schlafen.", fauchte Mine und rauschte ohne ein weiteres Wort zur Mädchentreppe davon.
Ich stand ebenfalls auf, sah wütend zu Ron und verpasste ihm einen Schlag auf den Hinterkopf, bevor ich Mine hinterherlief.
„Was hab ich getan?", fragte Ron.

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