Kapitel 1

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In einer Welt jenseits von Raum und Zeit, fernab von allem, was der menschliche Verstand begreifen könnte, nahm ein verzweifelter Herzenswunsch eines jungen Mädchens langsam Gestalt an. In seiner Traurigkeit und ungewöhnlichen Willensstäke lag eine Dringlichkeit, die eine ebenso verzweifelte, längst von allen vergessene Magie entfesselte.

Dieses Mal versuchte er sich nicht gegen den Ruf zu wehren. Nicht weil er wusste, dass es keinen Sinn hatte oder dass es seinen Tod bedeuten würde. Etwas hatte sein Interesse geweckt. Besser gesagt jemand.

Voller Neugier beobachtete der Zauberer sein neuestes Opfer. Und er würde mit einer Freude zu ihm gehen, die er bisher nie empfunden hatte. Natürlich würde die Kleine ihn sofort wieder vergessen, das war seit jeher sein Schicksal. Aber für seine eigenen Erinnerungen würde sie sicherlich ein Sahnehäubchen in der langen Reihe von traurigen, langweiligen Gestalten mit noch langweiligeren Emotionen und Wünschen abgeben.

Noch eine Weile würde er den Besuch bei ihr hinauszögern. So lange wie möglich wollte der Zauberer die Gefühle auskosten, die ihm unwissentlich dargeboten wurden. Selbst wenn diese Gefühle aus Trauer, Wut und Unsicherheit bestanden, lösten sie bei ihm doch kleine Schauer eines Hochgefühls aus.

Eigentlich hätte es ihn ja beunruhigen sollen, dass er sich so am Leid anderer ergötzte, aber er war zu sehr damit beschäftigt, sich mit einem diabolischen Grinsen das erste Treffen mit dem armen Ding vorzustellen. Er würde sie zappeln lassen. Bis er genug eigene Erinnerungen mit ihr zusammen hätte, würde er sie noch ein bisschen mehr leiden lassen. Und danach würde er sich mit größter Sorgfalt ihre Erinnerungen ansehen.

Ganz sicher würde er ihren so verzweifelt herangewachsenen Wunsch erfüllen. Allerdings wäre der Preis dafür unendlich hoch. Ihre bewegendsten, gefühlvollsten Erinnerungen waren das, wonach er sich verzehrte. Mehr als alles andere auf der Welt wollte der Zauberer ihre schönsten und schrecklichsten Momente in sich aufnehmen und aus ihnen neue Kraft und Magie schöpfen.

Sie würde den Preis zahlen, das wusste er. Jeder bezahlte den Preis. Die Menschen waren dumm und einfältig. Sie glaubten doch tatsächlich die Erfüllung ihrer größten Träume würde ihr persönliches Happy End perfekt machen, selbst wenn sie sich hinterher an ein paar Dinge nicht mehr erinnern konnten.

Das Grinsen des Zauberers verblasste. Das Schicksal zeigte immer wieder sehr deutlich, dass es so etwas wie ein perfektes Happy End nicht gab. Nicht mal wenn man mächtige magische Fähigkeiten hatte, mit denen man einfach alles möglich machen könnte. Nur nicht für sich selbst. Ironie, nicht wahr?

Allerdings hatte das auch Vorteile. Wenn man eben im Gegensatz zu allen anderen armseligen Kreaturen auf dem Planeten wusste, dass man nicht auf Glanz und Gloria hinarbeitete, machte man automatisch das Beste aus der bestehenden Situation. Und manchmal wurde man sogar belohnt. Mit einem leckeren Sahnehäubchen. Diese Chance durfte man sich dann nur nicht entgehen lassen. Und das würde er auch sicherlich nicht.

Another Nameless Dandelion StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt