Das Waisenhaus

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Anastasia Pov:

Während Tonys Gruppe das Gelände sicherte und die feindlichen Agenten vom Waisenhaus fernhielten, liefen wir geradewegs auf dieses zu.

Vor uns erstreckte sich ein kleines Grundstück, umgeben von einigen meterhohen Bäumen. Das Gebäude selbst war groß, dreistöckig und hatte seine besten Jahre scheinbar schon hinter sich. Die Fassade war zu großen Teilen bereits abgebröckelt und auch das Holz der Veranda sah leicht vermodert aus. Das Dach konnte ich von hier unten zwar nicht erblicken, doch ich würde wetten, dass auch dieses einiges an Löchern aufwies.

Die Efeuranken schlängelten sich am Putz des Hauses hoch, bis hin unters Dach. Um die Veranda herum ließen die vertrockneten Blumen ihre Köpfe hänge. Das Unkraut wucherte kreuz und quer auf dem Grundstück.

"Es ist alt." erkannte Wanda mit kritischem Blick.

"Und groß. Wie viele Kinder hier wohl leben?" pflichtete der Bogenschütze ihr bei.

"Finden wir's raus." sprach der blonde Soldat und bewegte sich auf das Haus zu, während die anderen ihm still folgten. Nur ich blieb stehen und musterte das Gebäude erneut.

"Ana?" rief Clint mir zu, der mein Zögern als erstes bemerkte.

"Es ist so still." merkte ich misstrauisch an. Mein Blick glitt hoch zu den offenen Fenstern.

"Kein Kind ist hier draußen am spielen. Die Fenster sind offen, doch ich höre niemanden. Kein schreien, kein weinen, kein lachen. Das Waisenhaus wirkt verlassen." Meine Überlegung ließ die anderen inne halten.

"Und wenn es wirklich verlassen ist? Was, wenn sie alle nach der Entführung umgezogen sind?" richtete sich nun auch Wanda zweifelnd an die Gruppe.

"Nein, dort im Zimmer läuft der Fernseher." verneinte ich und schaute genauer durch das offene Fenster im Erdgeschoss, um zu erkennen was dort lief.

"Und wenn es eine Falle ist?" fragte Scott mit verunsichertem Unterton in seiner Stimme.

"Das ist..." Mein konzentrierter Blick wisch augenblicklich aus meinem Gesicht, als ich den Spielfilm erkannte.

"Anastasia?" Besorgt lief Steve auf mich zu, als er meinen erstarrten Blick bemerkte.

"Schneewittchen?" Verwirrt zog der Captain die Augenbrauen zusammen.

"Schalte es ab." hauchte ich leise, bereits den Tränen nahe. Dann schien es auch bei ihm Klick zu machen. Erkennend zog er scharf die Luft ein.

Der rote Raum, die Gehirnwäsche, meine Gefangenschaft... Ich wollte dem Film nicht länger zu sehen, denn ich wusste, dass ich nicht länger dem roten Raum gehorchen musste. Weder Madame B, noch General Dreykow. Doch konnte ich den Blick nicht abwenden. Es war reine Gedankenkontrolle. Diese jahrelange Manipulation zwang mich den Film weiter anzuschauen. Auch wenn ich die Worte nicht hörte, so konnte ich das Skript vollständig mitsprechen. Ich bemerkte es nicht einmal. Wie ferngesteuert murmelte ich den Text ganz leise vor mich hin. Doch mein leerer Blick schien Bände über meinen Zustand zu sprechen.

"Oh nein, hier können sie mich nicht finden. Wenn ich bei euch bleiben darf, dann halte ich das Haus in Ordnung. Ich werde waschen, putzen, nähen, kochen..." Meine Worte waren kaum hörbar.

"Keine Sorge, Captain. Ich beende diese Qual für sie." ertönte plötzlich eine laute Stimme über uns. Nur Sekunden später explodierte im Inneren des Hauses der Fernseher, was mich zusammenzucken ließ. Dadurch kam ich schnell wieder in die Wirklichkeit zurück und schaute ebenso wie die andere nach oben.

Caleb stand auf dem Dach und hielt einen kleinen Jungen in seinen Armen, welcher sich in dem Griff des Mannes hin und her wand.

"Caleb! Lass den Jungen runter!" wies Steve ihm mit wütender Stimme an.

Shadow of the past (Steve Rogers FF / Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt