His Smile

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Ich steh am Ende meiner Geduld. Die einzige Person die mir etwas bedeutet hat, ist jetzt schon zu lange weg. Gibt es nicht einen Weg, wie ich zu meiner Großmutter komme? Ihr Lächeln hat mich immer aufgemuntert, in guten auch in schlechten Zeiten, bis sie eines Tages in meinen Armen langsam starb. Ab diesem Zeitpunkt musste ich zu meinem Vater ziehen und da fing der Horror an. Jeden Tag kam er betrunken nach Hause und wo meine Mutter war? Irgendwo, ganz weit weg.

Mit blauen Flecken kam ich von der Schule nach Hause und mit Narben ging ich wieder. Die blauen Flecke waren nicht von mir, sondern von meinen Mitschülern, da ich plötzlich das Mobbingopfer wurde und die Narben? Die Narben hatte ich von meinem lieben Vater, der meinen Körper mit Glasscherben und anderen Dingen förmlich zerkratzte.

Mein Schultag fing wie immer an. Meine Schulsachen fand ich im Klo, als ich die Klasse betreten wollte, fiel mir ein Kübel mit Wasser auf den Kopf und als ich meine Turnschuhe anziehen wollte, spürte ich furchtbare Schmerzen. Ich drehte meinen Schuh um und Stecknadeln fielen raus. Eine nach der Anderen fiel mit Bluttropfen auf den Boden. Jeder Schritt brennte.

"Frau Lehrerin, mir gehts nicht so gut.", sagte ich leise. "Oke Ame, setzt dich auf die Seite.", gab sie mir als Antwort. Ich nickte kurz und warf einen Blick auf paar Mädchen die sich in einen Kreis gestellt hatten und kicherten. Ich schaute sie gefühlslos an und ging mich in eine Ecke hinsetzen. Wie kann es Menschen Spaß machen einen von ihnen zu verletzten und noch dazu ohne Grund? Was hab ich bloß falsch gemacht?

"Vater ich bin zu Hause." Ich versuchte schnell in mein Zimmer zu eilen und dort mich einzuschliesen. Mein Vater packte mich von hinten und ich roch seinen ekelhaften Alkohol- und Rauchgeruch. "Lass mich los!", schrie ich ihn jetzt an. Ich versuchte mich von seinem Griff zu befreien. "Sei nicht so frech Fräulein." Ich hörte nicht zu und zog weiterhin mit meinem Arm. Es hat mir gereicht und ich stoß meinen Vater die Stiegen runter. Er blieb kurz am Boden liegen und ich schaute ihn geschockt an.

Ob er noch lebt? Ich näherte mich ihm, bis er plötzlich aufstand, eine Glasflasche aufhebte und sie mit voller Wucht gegen meinen Kopf schlug. Mein Körper schmerzte und meine Augen sahen nur noch schwarz.

Ich hörte Regentropfen an der Glasscheibe aufprallen. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, obwohl es mir schwer fiel. Ich stand auf und taumelte zum Fenster. Ich hielt mich an meinem Kopf an und blickte auf meine Hand. Puh, zum Glück kein Blut. Ich legte meine Hand aufs Fenster und lauschte dem Regen zu.

"Heute ist mein Tag, die Welt ruft mich.", murmelte ich glücklich. Ihr solltet wissen, dass Ame Regen bedeutet. Ich bekam diesen Namen, weil es bei meiner Geburt geregnet hat und meine Mutter meinte, dass ich keinen 'normalen' Namen verdient habe, weil sie nicht mal wollte, dass ich jemals geboren werde.

Ja, ich habe eine Entscheidung getroffen. Ich schaute noch einmal meine Arme an, die voller Narben waren und war mir nun sicher. Ich verließ das Haus und humpelte zu einem bestimmten Ort. Als ich mich bewegte, spürte ich, wie meine Füße wieder anfingen zu bluten. Es tat schrecklich weh. Ich blieb kurz stehen und hob meinen Kopf. Ich weiss nicht, ob Regentropfen oder meine eigenen Tränen meine Wange runter kullerten. Nun beschloss ich zu rennen. Einfach bis zu meinem Ziel laufen und durchhalten. Ganz durchnässt war ich bei dem Hochhaus angekommen, wo meine Oma wohnte.

Nun stand ich ganz oben auf der Terasse.

Langsam kletterte ich übers Gelände, dass sowieso nicht sehr viel Schutz bietete, da es gerade einmal zu meiner Hüfte reichte.
Es regnete noch stärker als vorher. Ich hielt mich am Gelände an und schaute runter, wie tief es überhaupt ging. Unten fuhren Autos, hupten, Menschen eilten um endlich einen Schutz von diesem nervigem Regen zu finden.

Ich schluckte und zog mich wieder zurück. Ich hielt mich fest an, damit ich Hauptsache jetzt noch nicht fiel. Ich schloss meine Augen und ließ wieder den Regen auf mein Gesicht fallen.

"Na? Wirst du springen?", hörte ich eine Stimme von einem Jungen hinter mir sagen. "Geh weg! Lass mich in Ruhe! Du kannst mich nicht aufhalten!", schrie ich ohne mich umzudrehen, wer diese Person eigentlich war.

"Wer hat was von aufhalten gesagt? Wer sterben will, soll auch sterben. Trotzdem stehst du hier schon seit langer Zeit und haltest dich so fest an, wie es geht. Sieh es ein, du hast doch Angst."

"Nein, du vertehst überhaupt nichts! Ich habe keine Angst!"

"Oh doch und wie du Angst hast. Wenn du da runterspringst, wirst du nicht sterben. Du wirst auf einem Balkon landen, dir alle Knochen brechen, vielleicht nie wieder was sehen oder auch hören können und natürlich wirst du so viel Schmerz spüren, wie noch nie. Willst dus mal probieren?"

Endlich traute ich mich, mich umzudrehen und ich schaute ihn geschockt an. Seine Stimme ist so tief in mich eingedrungen und das Grinsen was ich sah, jagte mir eine Gänsehaut. Doch dann kam er mit einem emotionslosen Gesichtsausdruck näher zu mir und meine Augen wurden größer. Wer war er? Ich blieb die ganze Zeit stehen und er streckte langsam seine Hände aus. Er schubste mich plötzlich und durch meine Panik, ließ ich mich von Gelände los. Ich spürte wie ich in der Luft schwebte. Nur ein "Nein! Nicht!" gab ich von mir, doch es war zu spät. Ich schloss meine Augen und hab nur gewartet was als nächstes passiert.

Plötzlich fing mich etwas an meinem Arm und zog mich rauf. Ich landete auf etwas weichem und ruckartig öffnete ich meine Augen. Das Erste was ich sah, war das süßeste Lächeln was ich jemals gesehen hab. Ich schlingte mich um seinen Hals und fing an zu weinen. Noch immer klopfte mein Herz zu schnell.

"Es ist alles gut. Siehst du? Du hast noch den Willen zu Leben in dir.", flüsterte er in mein Ohr. Ich fing an wie ein kleines Kind zu heulen. Er zog mich fest an sich und streichelte meine Haare.
"Ich hatte Angst, unvorstellbare Angst.", sagte ich verweint. "Ich weiss, ich weiss, aber alles ist wieder gut, genau wie jetzt, werde ich dich immer auffangen, wenn du mal wieder fallen solltest." versuchte er mich zu trösten. Ich hob meinen Kopf von seiner Brust und schaute in seine Augen. "Aber ich kenn dich doch gar nicht und du mich auch nicht! D..-Dein Name?", fragte ich und wischte mir die Tränen vom Gesicht. Er nahm meine Haare und gab sie hinter mein Ohr. "Ju, Julien ist mein Name und Deiner?", antwortete er mit einer sanften Stimme.
"Ame."
"Wie der Regen?", fragte er mich und schaute rauf zum Himmel.
"Ja genau wie der Regen den niemand mag. Niemand geht raus wenn es regnet und verabscheut den Regen. Niemand will ihn haben, jeder will nur die warme Sonne."
Ebenfalls schaute ich rauf.
"Nein,warum? Ich liebe den Regen. Ich fühle mich immer so frei wenn die Regentropfen vom Himmel fallen und auf mir landen. Das ist doch einer der schönsten Gefühle, die es auf der Welt gibt."Ich schaute ihn an. So jemanden wie Ju habe ich noch nie getroffen. Er hat mir die Augen geöffnet. Ich wollte bei ihm sein und ihn nie wieder loslassen. "Danke, Ju. Ich mag den Regen auch.",murmelte ich und ließ mich langsam wieder auf ihn fallen. Ju erwiderte meine Umarmung und aus dem Gewitter wurden nur noch kleine, angenehme Regentropfen die auf uns fielen.

Him & IWhere stories live. Discover now