Das Ende mit dem L-Wort

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Kurze Panikattacke! Was sollte ich denn jetzt tun? Das Lied endete allmählich und ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wie ich mich nun souverän aus dieser durchaus peinlichen Lage retten sollte- ohne irgendetwas komisches stammeln zu müssen.
Nun versiegte die Melodie endgültig und die anderen lösten sich jeweils von ihren Tanzpartnern. Nur Ottokar und ich standen noch da, wie die letzten Vollhonks. Beide unsicher darüber, was wir als nächstes tun sollten.
„Hm, ähhh ja... ." Vorsichtig trat ich ein Schritt zurück und schaffte so etwas Abstand zwischen uns. Er nahm die Hände sofort von meiner Hüfte und löste meine um seinen Hals, als hätte er sich verbrannt. „Schön gut ja...ich...werde dann mal gehen. Ich mein-ich gehe jetzt mal," mit undeutlichen, vagen Gesten deutete ich nirgends bestimmt hin. Mit ziemlicher Sicherheit zeigte ich auf den See. „Danke." Ich huschte flink davon und wuselte mich durch die Menge zum Buffet. Doch auf halber Strecke lief ich geradewegs in meinen Großvater hinein, der mich von oben herab breit angrinste. „Uund?" fragte er gedehnt," so schlimm war es doch nicht, oder?" Ich hatte jetzt wirklich keine Lust dem Grafen eine detaillierte Beschreibung dieses Tanzes zu geben, zu mal ich noch mit schämen beschäftigt war. Das mit dem „nicht Stottern" war ja super gelaufen, Greta. Ich nickte einfach nur kurz und schob mich sogleich schnell an ihm vorbei. Das Buffet war nun nicht mehr fern. Ich schlug mir mehr mals gegen die Stirn. Ich Depp. Wie bescheuert muss ich den bitte gewirkt haben?! Nicht nur bei Ottokar sondern jetzt auch beim Grafen. Um mein mulmiges Gefühl in der Bauchgegend zu mildern stopfte ich ein Pizzastück nach dem anderen in mich hinein.
„Man oh man! Du siehst ja fertig aus!" Stephan setzte sich lässig auf ein Geländervorsprung direkt hinter mir. „Na, vielen Dank auch."
Schnell schob ich mir noch den Rand der Salami-Pizza auf meinem Teller in den Mund. Noch wärend ich schluckte setzte ich schon zum Gegenangriff an:" Seit wann verstehen Du und Bea sich eigentlich so gut, hm? Dachte zwischen euch herrscht immernoch Funkstille?" „Naja, nicht so ganz. Das war mehr so ne spontane Aktion, da auf der Tanzfläche. Sie kann zwar manchmal ganz schön nerven aber im Grunde ist sie ein echt herzensguter Mensch, weißt du?"
Meine Blicke schweiften zu Bea auf der Tanzfläche, die gerade mit Alina, zu Katy Perry headbangte. Ja herzensgut. „Naja jetzt vielleicht nicht wirklich aber meistens. Sie hat zum Beispiel mal-„ „Hey, Greta? Kann ich dich vielleicht mal kurz sprechen?" Ich erfuhr nie was Bea mal getan hatte, denn in dem Moment wurde Stephan von Ottokar bei seiner Geschichte unterbrochen. Er lehnte an dem Geländer auf dem auch Stephan saß und wirkte sehr ernst. Ein bisschen unsicher fragte ich mich was er wohl mit mir besprechen wollte? War ich ihm beim Tanzen vielleicht auf seine Füße getreten? Ich hatte allerdings auch lange nicht mehr getanzt... . Oder hatte ich irgendetwas falsches gesagt? Oder getan? Mh? Was wollte er denn? Mir zu sagen ich solle eine Servierte beim Essen benutzen war es sicher nicht.

Das Licht der vom Dekoteam aufgehängten Lampignons und Lichterketten wurde immer stärker, je dunkler es wurde. Sie verleiten dem Fest eine Beachparty ähnliche Atmosphäre und auch die Musik wurde mit der Zeit ruhiger.
Langsam ging ich auf Ottokar zu und steckte mir beim vorbeigehen am Buffet noch ein paar Bonbons in eine der vielen Taschen meiner Jeansjacke. Wenn sich einem schon mal die Möglichkeit bietet Himbeerbonbons auf freier Wildbahn zu ergattern, sollte man die Chance auch nutzen. „Was ist denn los?" „Komm mal mit," er griff einfach nach meiner Hand, wobei er jedoch nur das Gelenk zu fassen bekam, und zog mich den Weg zur Burg hinauf.
„Oh la la!" rief uns Stephan von unten zu. Erstaunt stellte ich fest das Ottokar doch tatsächlich etwas rot wurde. „Klappe!" rief ich daher einfach nur zurück, löste mein Handgelenk aus seinem Griff und schloss mit eingen schnellen Schritten zu ihm auf. Erst später bemerkte ich, wie er sich seine Finger rieb, als hätte ich ihm wehgetan.
„Oh, hab ich dir eben weh getan?" Setzte ich vorsichtig an. Meine Mutter hatte mir immer stundenlange Vorträge darüber gehalten, das ich viel zu rabiat mit Menschen umgehen würde, die mich mochten. Zumal es von denen bis vor einem Jahr ja auch noch nicht all zu viele gab.
„Nein," ich atmete im stillen auf," du warst nur vielleicht ein bisschen..."
„Rabiat?"
„Grob. Aber ist schon gut. Ich hätte dich auch nicht einfach so mit ziehen dürfen."
Ich lachte kurz erstaunt auf. Aha? Mit dieser Entschuldigung hatte ich wirklich nicht gerechnet. „Ach macht nix. Cassy und ich haben uns schon mal fast die Augen ausgekratzt." „Worum gings?" „Um das heilige, letzte Stück Schokolade." „Dann verstehe ich wieso du so brutal reagiert hast."
„Tja. Ist aber trotzdem lieb von dir das du dich entschuldigst."
Natürlich musste ich es sein, der soetwas passiert. Denn genau jetzt machte sich eine peinliche Stille zwischen uns breit. Ich hätte es einfach anders formulieren sollen!
Um meine Gedanken von der Scham abzulenken konzentrierte ich mich auf die Geräusche um uns herum.
Nur hier und da zwitscherten ein paar Vögel und weit entfernt konnten wir, durch die Bäume, auch das Fest am Ufer hören.
Wir waren nun auch nicht mehr weit entfernt von der Burg. Nur noch eine Kurve und dann hatte ich keine Ahnung was noch kommen sollte. Himmel, vieleicht wollte er ja auch garnicht zur Burg! Ich hasste Überraschungen.
Doch andererseits liebte ich es Leute selbst zu überraschen. Man selbst wusste ja was kommt und freut sich das der andere es noch nicht weiß. Natürlich rede ich nur von positiven Überraschungen. Negative finde ich traurig. Oder gruselig. Hoffentlich nicht schon wieder Paule? Aber nein das Skelett in der Folterkammer war mittlerweile eine alte Leier der Jungs. Sie machte einfach kein Spaß mehr wenn sie wieder und wieder abgezogen wird. Andererseits kennen alle anderen den Trick schon viel länger als ich. Es muss noch viel langweiliger für sie sein, als für mich.
Wir bogen um die Kurve und am Ende der Straße konnte man schon die Konturen des Burgtores erkennen. „Wir sind gleich da." Er wollte also doch zur Burg. Aber was wollte er da?
Die Stille zwischen uns hielt an, bis wir endlich auf dem Burghof standen. Keine Menschenseele war zu entdecken. Oben im Aufenthaltsraum brannte zwar Licht und man hörte Gelächter aus dem geöffneten Fenster, doch sonst deutete nichts daraufhin, das hier jedesmal reges Treiben herrschte.
Ottokar ging an mir vorbei, in die Burg. Schnell folgte ich ihm. Durch die Eingangshalle, einige Treppenstufen hoch, durch weitere Gänge, noch mehr Treppen empor. Auf dem ganzen Weg herrschte Schweigen. Wo zum Geier wollte der hin?
Zum Schluss stieß er eine Holztüre auf. Wir standen auf dem Pallisadengang der Burg und konnten nun über die gründen Hügel und auf den See weit unter uns blicken. Er setzte sich in eine der Lücken zwischen den Burgzinnen und lachte leise.
„Kommt dir das auch bekannt vor?"
Aber natürlich! Wir saßen hier schon mal, zur selben Uhrzeit. „Ja, ich erinnere mich," ich setzte mich in die Lücke neben ihm," ich hab mich so kindisch verhalten. Ich schäme mich jetzt noch."
„Ich wusste da ja auch noch nicht welche Gefühle du für mich hast, Greta."
Mein Herz setzte kurz aus. „Du...wusstest das ich dich..." Ich hörte auf zu reden. Was wenn er etwas ganz anderes meinte und ich jetzt nur in zwei Fettnäpfchen gleichzeitig treten würde?
„Sehr mag?" beendete er jedoch den Satz. Ich wurde rot. Wie konnte ich das jetzt noch abstreiten? Er hatte mich durchschaut. R.I.P Greta. Ich konnte es einfach nur noch zugeben. Andererseits würde ich ihn anlügen. Man lügt keine Freunde an Greta, komm schon du schaffst das.
„Ja, aber ich habe es dir nie gesagt, weißt du?" Okay, der Anfang war geschafft,"Es war mir einfach immer zu peinlich. Ich mein, Mädchen wie ich verlieben sich normalerweise in Fictionale Charaktere aus Büchern und Serien. Das war einfach alles etwas neu für mich. Ich bin es nicht gewöhnt." Ich lachte ein bisschen verzweifelt um den Ernst meiner Worte zu übertonen. „Ich mag dich auch sehr Greta." Hatte ich mich verhört. Mit meinem „What the heck?!" Gesicht drehte ich mich zu ihm um. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Als er aufblickte und mein Gesicht sah, lachte er. Er lachte einfach. „Ja, tja weißt du, ich...ach seit deiner Kriese als deine Schwester da war." „Bitte erinnere mich nicht daran!" „Davor warst du einfach komisch, eine Freundin aber nicht mehr. Ich wollte dich besser kennen lernen. Dachte nicht das du  so eine Dramaqueen bist." „Aaaah bitte hör auf! Ich fühle mich immer noch schlecht." Ich schlug ihm gegen die Schulter. „Ne aber ehrlich danach wars ja wieder gut. Und ich hab dich immer mehr gemocht."
„Sehr sehr mögen?" Er brach nun in wirkliches Gelächter aus. „Ne ne ne ich kann das L-wort nicht ausprechen." Ich stimmte in sein Gelächter ein. Es war uns beiden also einfach zu peinlich. „Ich auch nicht."
Wir hätten bestimmt noch ewig dort auf der Burgmauer sitzen können und über uns selber lachen können. Doch plötzlich sauste etwas schwarzes auf uns herab und krachte unsanft auf die Burgzinne zwischen uns. Erschrocken zuckten wir beide zurück. Doch dann erkannten wir um was es sich bei dem Schwarzen Ding handelte. Es war ein schwarz gefiederter Rabe. An seiner Kralle blinkte ein metallernes GPS-Gerät, was ihm beim Fliegen immer wieder runter zog. Der Rabe war Mistel!
„Leute!" Unsere Köpfe drehten sich zu Mücke. Er stand an der offenen Tür zur Burgmauer und war ganz und gar auf Mistel fiksiert. „Nicht die schon wieder! Was hat die da überhaupt am Fuß?" „Eine Art GPS- oder Trackinggerät würde ich mal sagen." Meinte ich schulternzuckend. Er drehte sich um und schrie in den Innenhof der Burg: „Alter Stephan, bring mal ne Gartenschere oder so was mit hier rauf. Der Rabe ist wieder da!"
„Was für ein Rabe?" hörte ich Alinas Stimme zurück schreien. „Warte seit ihr alle gekommen?" „Ja,... .Wir haben euch da oben sitzen sehen und haben dann beschlossen zu euch zu gehen. Der Graf randaliert da unten mit seiner Tanzmusik aus der Steinzeit."  Jetzt kamen auch Bea, Strehlau, Dampfwalze, Inga, Alina und Stephan die Treppen hinauf auf den Gang. „Hi, setzt euch." Alina setzte sich zu mir. „Was ist das für ein Rabe?" „Ach lange Geschichte," meinte Strehlau," erzählen wir dir gleich in der Burg. Es wird langsam kalt." „Jetzt müssen wir ihn erstmal davon befreien." Mit diesen Worten machte Stephan sich mit der Gartenschere an dem Band zu schaffen, mit dem der Tracker an Mistels Gelenk befestigt war. „Wer tut soetwas denn dem armen Tier an?" Bea hatte sichtlich Mitleid. Das meinte Stephan unten also mit „herzensgut". „Na wer wohl, wahrscheinlich Mina oder so." Schaltete sich Ottokar neben mir ein. „Kann sein," meinte Strehlau im grüblerischen Ton," viel beeindruckender finde ich es, dass dieser Vogel den Weg zur Burg gefunden hat, wer weiß woh er vorher war?"
Ich nickte nur. Wirklich erstaunlich. „Wo hast du eigentlich die Schere her, Stephan?" „Die lag unten im Gemüsebeet," gab er schulterzuckend zurück. „Eure Burg ist ein wahres Schlachtfeld. Das ihr aber auch nie aufräumt!" Alina lachte kurz auf. „Ne, wozu denn? Bringt doch eh nichts." Entgegnete Mücke.
„So, du bist frei, Mistel." Stephan durchtrennte das Band und steckte das Gerät in seine Hosentasche. Er nahm den Raben nun mit beiden Händen und öffnete sie. Mistel guckte mich noch einmal mit ihren schwarzen Perlenaugen an. Dann stieß sie sich ab und erhob sich in den Nachthimmel.
Ich umarmte Ottokar, und alle anderen schlossen sich uns an. So standen wir nun also da, als beste Freunde, arm in arm und schauten einem unserer Abenteuer hinter her.
Ich war ihnen so dankbar. Für alles. Sie waren mehr als meine Freunde geworden. Sie waren die beste Ersatzfamilie, die man sich wünschen konnte.
Ich kniff die Augen zusammen, und wünschte mir das es für immer so bleiben würde.

Hätte ich da doch nur gewusst, dass nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen.

Danke, dass ihr da wart, bis zum Schluss
Ich hoffe wir sehen uns im zweiten Buch (Burg Schreckenstein und ich immernoch mittendrin).
~L.E

Burg Schreckenstein und ich mittendrinDonde viven las historias. Descúbrelo ahora